Strommarkt BP half Skandal-Stromanbieter BEV

Quelle: dpa

Ein bislang unbekanntes Engagement des Energiekonzerns BP hat dem Billig-Stromanbieter BEV massiv geholfen. Er soll über 500.000 Kunden haben, steht nach heftigen Preiserhöhungen aber in der Kritik. Die Hintergründe.

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Es war ein Vertrauensbeweis der besonderen Sorte und er öffnete offenbar Türen. Der Energiekonzern BP hat sich als Partner des wegen exorbitanter Preiserhöhungen in die Kritik geratenen Billig-Stromanbieters BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft engagiert. Das haben Recherchen der WirtschaftsWoche ergeben. BP bestätigte, „Mitte 2017 eine Vereinbarung zur Lieferung von Erdgas und Strom“ mit der BEV-Muttergesellschaft geschlossen zu haben. „Dieser Vertrag ist zum Jahresende 2018 von BP gekündigt worden“, teilte der Energiekonzern auf Anfrage mit. Aus „Wettbewerbsgründen“ wollte BP sich zu weiteren Details nicht äußern.

Nach Darstellung der BEV in ihrem jüngsten veröffentlichten Geschäftsbericht ging die Zusammenarbeit tatsächlich deutlich weiter. Demnach sah die „strategische Partnerschaft“ mit dem dort nicht namentlich genannten Partner sogar finanzielle Unterstützung bei eventuellem Liquiditätsbedarf vor. Es handle sich um einen „international seit Jahrzehnten führenden und global operierenden Rohstoffproduzenten und -händler“, hieß es dort nur.

Zwar blieb die Zusammenarbeit mit BP den Kunden verborgen, Geschäftspartnern des Stromanbieters BEV aber nicht. Und sie sahen darin einen Vertrauensbeweis, einen Beleg für die Finanzstärke des erst 2013 gegründeten Stromanbieters aus München – dessen Gesellschafter die Genie Holding AG ist, mit Sitz in der Schweiz. Vor allem wegen des BP-Engagements habe man BEV als Anbieter eng eingebunden, hieß es aus Kreisen eines führenden Vergleichsportals gegenüber der WirtschaftsWoche.

Portale wie Verivox und Check24 vermitteln Stromanbietern einen Großteil der Kunden – auch der BEV. Die lockte Kunden mit extrem niedrigen Preisen und wurde dank der Zusammenarbeit mit den Vergleichsportalen binnen weniger Jahre zu einem der großen Spieler auf dem Strommarkt. BEV soll nach Schätzungen von Branchenkennern mehr als 500.000 Kunden haben.

Anfangs waren auch die Kundenbewertungen unauffällig. Es sei erklärtes Ziel, „eine stets über dem Durchschnitt liegende hohe Kundenzufriedenheit zu gewährleisten“, schrieb die BEV noch im Geschäftsbericht 2016. Doch im vergangenen Jahr sank die Kundenzufriedenheit drastisch. Gegen Ende des Jahres eskalierte die Situation dann vollends. Massenhaft BEV-Kunden beschwerten sich, etwa bei den Verbraucherzentralen. Vielen von ihnen sollte der Strompreis drastisch erhöht werden, beim monatlichen Grundpreis teils um mehrere hundert Prozent.

Dass günstige Stromanbieter die Preise erhöhen, ist keine Seltenheit. Viele von ihnen locken Kunden mit extrem günstigen Preisen im ersten Jahr, wenn Neukundenboni ausgezahlt werden. Diese Preise sind oft so niedrig, dass die Anbieter daran nichts verdienen. Erst wenn Kunden länger bleiben, auch nach Ende der ersten Vertragsbindung, verdient der Anbieter an ihnen – zumal er dann oft auch noch die Preise erhöht.

BEV-Kunden begehren auf

Bei der BEV gab es aber eine Besonderheit: Von den Preiserhöhungen waren auch Kunden betroffen, die noch von einer laufenden Preisgarantie geschützt waren. Je nach vertraglicher Gestaltung sind Preiserhöhungen dann nur in Ausnahmefällen möglich. Verbraucherschützer sehen diese bei der BEV in aller Regel nicht als erfüllt an. Kunden, die der Preiserhöhung daher widersprachen, bekamen zum Jahresanfang neue Schreiben. Jetzt teilte BEV mit, dass es sich um eine vorzeitige, freiwillige Preiserhöhung handele. Sollte der Kunde sich nicht melden, wollte der Anbieter aber von seiner Zustimmung ausgehen.

Die Verbraucherzentrale NRW mahnte den Anbieter wegen dieser vermeintlich einvernehmlichen Preiserhöhung nun ab. Mitte Januar war schon bekanntgeworden, dass auch die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde gegen die BEV aktiv wird. Sie eröffnete ein Aufsichtsverfahren wegen intransparenter Zwischenabrechnungen und Nichteinhaltung der gesetzlichen Anforderungen an Rechnungen für Energielieferungen, teilte die Behörde mit. Einen Zusammenhang zu den jüngsten Preiserhöhungen gab es dabei aber wohl nicht.

Stromkunden haben bei Preiserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht. Einige spekulierten aber, dass die BEV sie genau zu diesem Schritt treiben wolle. Denn wenn Kunden vor Ablauf ihrer ersten Vertragsbindung kündigen, können sie – je nach Vertrag – auch den Anspruch auf einen erst dann fälligen Bonus verlieren. Viele widersprachen der aus ihrer Sicht unwirksamen Preiserhöhung daher nur, kündigten aber nicht.

Doch auch dabei gab es zahlreiche Klagen: Das Call-Center der BEV sei völlig überlastet, Einschreiben würden teils nicht angenommen. Der Bericht eines Insiders passt zu diesen Schilderungen. Nach seiner Darstellung waren Ende 2018 rund 250 000 Kundenzuschriften an BEV unbearbeitet. BEV stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Nach Aussagen des Insiders hätten Abgänge von Top-Managern des operativen BEV-Geschäfts massive Lücken hinterlassen. Nach seiner Darstellung hatten die jüngsten Preiserhöhungen mit einer Fehlkalkulation zu tun: So hätte die BEV intern nur mit einer Kündigungsquote nach der ersten Vertragsbindung von 30 bis 40 Prozent gerechnet, tatsächlich hätten aber über 50 Prozent der Kunden den Stromanbieter verlassen. BEV beantwortete auch Fragen dazu nicht.

Viele Kunden haben von den in Aussicht gestellten günstigen Preisen der BEV jedenfalls genug. In Internetforen und Facebook-Gruppen tauschen sich viele von ihnen aus und klagen sich gegenseitig ihr Leid. Einige wollen das Kapitel BEV nur noch beenden, so schnell wie möglich – und möglichst ohne Verluste.

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