




„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ sang die Düsseldorf-Wuppertaler Punkband Fehlfarben Anfang der 80iger Jahre in ihrem Hit „Ein Jahr“ auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle. Aus heutiger Sicht könnte der Refrain das vorweg genommene Motto der deutschen Energiewende sein: dieses weltweit einmaligen Gewaltmarschs raus aus der Atomkraft und ganz schnell rein ins Zeitalter der erneuerbaren Energiequellen.
Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima beschloss der Bundestag Ende Juni 2011 hastig, 2022 das letzte deutsche Kernkraftwerk still zu legen und Strom künftig vor allem mit Hilfe von Sonne und Wind zu produzieren. Einen in sich konsistenten und schlüssigen Masterplan für den weit reichenden Umstieg indes blieben Bund und Länder schuldig. Stattdessen flick schustern sie fleißig vor sich hin – und laden die immensen Umbaukosten vor allem bei den privaten Stromkunden ab.
Und denen ist auch jetzt, gut vier Jahre später, keine Atempause gegönnt. Im Gegenteil: Neue beunruhigende Meldungen schrecken sie auf.
So setzte sich der Strompreis 2014 zusammen
Rund 15,31 Cent pro kWh
4,70 Cent pro kWh
1,79 Cent pro kWh
2,05 Cent pro kWh
Noch 6,24 Cent pro kWh, ab 2015 wohl um die 6 Cent pro kWh
0,178 Cent pro kWh
0,092 Cent pro kWh
0,250 Cent pro kWh
0,09 Cent pro kWh
So bescherte ein stabiles Hoch Deutschland in der ersten Augusthälfte zu manchen Stunden weit mehr Solarstrom als einkalkuliert. Weil die überschüssigen Mengen wegen Leitungsengpässen nicht ins Ausland abfließen konnten, mussten Kohlekraftwerke ihre Leistung drosseln. Die Netzbetreiber nahmen ihnen weniger Elektrizität als vereinbart ab und entschädigten die Energieversorger dafür.
„Über den Daumen hat uns die Hitzewelle schon 25 Millionen Euro gekostet“, schätzt Dirk Biermann, Geschäftsführer Systembetrieb bei 50Hertz. Das Unternehmen steuert die großen Stromübertragungsnetze im Nordosten der Republik. Das Geld holt es sich über die Netzentgelte bei den Stromkunden zurück.
Hohe Stromrechnung
Die müssen auch zahlen, wenn die Netzbetreiber Windräder abstellen, weil deren Elektronen die Trassen gefährlich verstopfen. Um den Einnahmeausfall auszugleichen, überwiesen die Verbraucher vergangenes Jahr nach Presseberichten mehr als 100 Millionen Euro an die Anlagenbesitzer – ebenfalls über die Netzentgelte.

Zahlungen wie diese schlagen sich zwar oft nur mit wenigen Cent in der Stromrechnung nieder. Doch in der Summe haben sie dazu geführt, dass klassische Stromkunden mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden (kWh) heute monatlich rund 84 Euro zahlen gegenüber knapp 50 Euro 1998 (siehe Grafik). Ein Plus von 68 Prozent, besagen die Zahlen des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Die eigentliche Stromproduktion hat sich dabei in diesem Zeitraum nur um sechs Prozent verteuert. Preistreiber sind Zwangsabgaben, Steuern und Umlagen, die um satte 267 Prozent stiegen. Allen voran die Vergütungen nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), die den Betreibern von Fotovoltaikanlagen und Windrädern 20 Jahre lang feste Einnahmen für jede Kilowattstunde garantieren. Die Förderzusagen addierten sich von 2002 bis 2014 nach Angaben der Bundesregierung auf rund 143 Milliarden Euro; dieses Jahr kommen nach Schätzungen weitere 20 Milliarden hinzu.
Zwar ist die EEG-Umlage je kWh zuletzt leicht gesunken – von 6,24 auf 6.17 Cent –, weil die Bundesregierung die Fördersätze kräftig gekürzt hat, und sie auch in Zukunft mit dem Ausbau von Wind- und Sonnenenergie weiter sinken. Doch im Gegenzug haben sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel neue preistreibende Maßnahmen ausgedacht, um Fehlsteuerungen im System entgegen zu wirken. Die Folge: Die Energiewende wird immer teurer.
Weitere Belastungen für Stromkunden
Ursprünglich wollten Merkel und Gabriel den Betreiber der Kohlekraftwerke eine Klimaabgabe aufdrücken, um sie dazu zu bringen, 22 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre zu pusten. Das stieß auf deren Protest.
Jetzt schalten sie zwar 2700 Megawatt ab, etwa die Kapazität von fünf mittelgroßen Anlagen, halten diese jedoch in Reserve, sollte der Strom einmal knapp werden.
Und wieder sind voraussichtlich die Stromkunden die Zahlmeister. Auf ihre Rechnungen werden in den nächsten vier Jahr zwei bis drei Milliarden Euro aufgeschlagen. Außer die Bundesregierung beschließt noch in letzter Sekunde, das Geld aus dem Bundeshaushalt zu begleichen. Dann müsste die Steuerzahler es aufbringen.





Weitere vier Milliarden Euro bis 2019 könnte die Verbraucher die geplante großzügigere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung kosten, also von Anlagen, die zugleich Elektrizität und Wärme produzieren. Und das ist immer noch nicht alles.
Leiten die Netzbetreiber den Windstrom aus dem Norden überall dort, wo Bürger massiv genug protestieren, statt über zusätzliche Hochspannungsmasten per Erdkabel gen Süden, trifft das wiederum das Portemonnaie der Stromkunden. Denn die unterirdische Verlegung kann laut Netzbetreiber Tennet je Kilometer bis zu zwölf Millionen kosten – acht Mal so viel wie die oberirdische Variante. Die Mehrkosten werden sich Tennet & Co. über die Netzentgelte zurückholen.
Kritik von Verbraucherschützern
Weitere Belastungen sieht der Bundesverband der Verbraucherzentralen auf die Stromkunden zukommen, weil nun mehrere große Windparks in Nord- und Ostsee ans Stromnetz gehen. Ihre Betreiber erhalten mit 19 Cent eine besonders hohe Anfangsvergütung. Das könnte, so die Befürchtung der Verbraucherschützer, die EEG-Umlage erneut in die Höhe treiben. Das Maß sei voll, kritisiert die Energieexpertin des Verbands, Marion Jungbluth. Es könne nicht sein, dass immer die privaten Stromkunden die Zeche zahlten.
Um deren Last zu mildern und die Kosten gerechter zu verteilen, sollte die Industrie ein Teil ihrer Privilegien verlieren, fordern die Verbraucherschützer. Mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) schlagen sie vor:
- die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung nicht auszudehnen,
- Vergünstigungen bei den Netzentgelten für stromintensive Betriebe abzuschaffen
- und einen Teil des aktuellen Überschusses von 4,2 Milliarden Euro, der sich auf dem EEG-Konto angesammelt hat, an Handel und Verbraucher zurück zu zahlen.
Energie
Sie würden dank dieser Maßnahmen nach der Berechnung der Verbände um 1,6 Milliarden Euro entlastet, die Stromrechnung der privaten Verbraucher sänke um rund zehn Euro im Jahr, also um nicht einmal einen Euro im Monat. Nicht gerade viel, aber es wäre ein Anfang. Zu befürchten ist jedoch, dass die Politik weiter auf den Irrsinn setzt.