Die durch die Atomwende unter Druck geratenen Energieriesen E.On und RWE stellen ihr Top-Management neu auf. RWE-Vorstand Leonhard Birnbaum wechselt zum Konkurrenten E.On, wie Reuters am Mittwoch von mehreren mit der Angelegenheit vertrauten Personen erfuhr. Er trete dort die Nachfolge von Klaus-Dieter Maubach an, über dessen Abgang schon länger spekuliert worden war.
E.On nach 20 Monaten Energiewende
E.On hat seinen Umsatz zwischen 2010 und 2012 von 93 Milliarden Euro auf 118 Milliarden Euro gesteigert.
Beim Konzernüberschuss (Fehlbetrag) musste E.On 2011 ein Minus von 1,8 Milliarden Euro ausweisen, 2012 steht hier wieder ein Plus von 2,6 Milliarden Euro.
Der nachhaltige Konzernüberschuss (bereinigt um außergewöhnliche Effekte) lag 2010 noch bei 4,8 Milliarden Euro, brach 2011 auf 2,5 Milliarden ein und stabilisierte sich 2012 wieder bei 4,2 Milliarden.
Der Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen (Ebitda) nahm von 13,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 10,8 Milliarden im Jahr 2012 ab. 2011 war er auf 9,3 Milliarden abgesackt.
Der Wert sank von 37,7 im Jahr 2010 auf 36 im Jahr 2012.
E.On hat bereits Kraftwerke abgeschaltet, die einem Anteil von 15 Prozent an seiner Gesamtstromkapazität entsprechen. Weitere 26 Prozent stehen noch aus.
Der Gasanteil lag 2012 bei 35 Prozent und damit auf dem selben Wert wie 2010. 2011 lag er mit 38 Prozent zwischenzeitlich etwas höher.
Steinkohle hat für E.On an Bedeutung gewonnen. Der Anteil stieg von 23 Prozent in den Jahren 2010 und 2011 auf 26 Prozent im Jahr 2012.
Braunkohle-Kraftwerke spielen bei E.On mit einem Anteil von fünf bis sechs Prozent in den vergangenen drei Jahren eine untergeordnete Rolle.
Die erneuerbare Energie hat E.On von 11 Prozent auf 12 Prozent im Jahr 2012 leicht ausgebaut.
Der Anteil der Windkraft stieg dabei von drei auf vier Prozent zwischen 2010 und 2012.
Der Wert des Konzerns fiel beträchtlich. Waren es 2010 noch 45,8 Milliarden Euro, wird E.On 2012 nur noch mit 28,2 Milliarden Euro bewertet.
Der Börsenwert ist dramatisch eingebrochen. Die Gewinne können nur durch Beteiligungsverkäufe gehalten werden.
Auch die im Arbeitnehmerlager umstrittene E.On-Personalchefin Regine Stachelhaus stehe vor dem Abschied. Die 57-Jährige war 2010 von Konzernchef Johannes Teyssen engagiert worden und ist eine der wenigen Frauen im Vorstand eines Dax-Konzerns. E.On und RWE wollten sich zu den Personalien nicht äußern.
Die Energieriesen müssen nach der Atomwende ihre Strategie neu ordnen. Sie haben mit den Atomkraftwerken nicht nur wichtige Gewinnbringer verloren. Auch ihre konventionellen Anlagen verdienen wegen der Konkurrenz durch den Ökostrom und der fallenden Großhandelspreise weniger. Die Konzerne reagieren mit einem Stellenabbau, Beteiligungsverkäufen und Sparprogrammen auf die Situation. RWE-Chef Peter Terium will das Management straffen. Zudem hat er den Posten des Finanzchefs und des Personalvorstands neu besetzt.
RWE nach 20 Monaten Energiewende
RWE konnte den Umsatz zwischen 2010 und 2012 bei 52 bzw. 53,2 Milliarden Euro stabil halten.
Der Konzernüberschuss fiel beträchtlich von 7,7 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2011. 2012 gelang es RWE seine betriebliches Ergebnis = Konzernüberschuss wieder zu verbessern und weist 6,4 Milliarden Euro aus.
Der Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen (Ebitda) fiel von 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 9,3 Milliarden Euro im Jahr 2012. 2011 lag er bei 8,5 Milliarden Euro.
Der Wert stieg zwischen 2010 und 2012 von 29,0 auf 34,2.
Die bereits abgeschalteten Kraftwerke entsprechen 7,3 Prozent der Gesamtstromkapazität von RWE. Weitere 9,9 Prozent stehen aus.
Der Gasanteil sank von 22 Prozent auf 18 Prozent im Jahr 2012.
Steinkohle hat bei RWE an Bedeutung verloren, der Anteil sankt von 29 Prozent im Jahr 2010 auf 26 Prozent im Jahr 2012.
Braunkohle hat an Bedeutung gewonnen. Der Anteil liegt nun bei 36 Prozent - 2010 waren es noch 31 Prozent.
RWE hat den Anteil der erneuerbaren Energie von 4 Prozent im Jahr 2010 auf 5,1 Prozent im Jahr 2012 gesteigert.
Für diesen Bereich macht RWE leider keine Angaben.
Der Börsenwert fiel von 28 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 19,1 Milliarden Euro im Jahr 2012. Immerhin hat sich RWE im Vergleich zu 2011 wieder deutlich verbessert (2011: 16,5 Milliarden Euro).
RWE ist stark verschuldet. Der hohe Braunkohleanteil bei der Verstromung verhindert den Gewinnabsturz.
E.On-Chef Teyssen hatte schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt mehrere Vorstände verabschiedet. Der Wechsel eines Top-Managers wie Birnbaum von RWE zu E.On ist kein Einzelfall. Der frühere RWE-Finanzchef Rolf Pohlig hatte die andere Richtung eingeschlagen und kam von E.On. Der Karlsruher Versorger EnBW hat seinen neuen Chef, Frank Mastiaux, ebnfalls bei den Düsseldorfern abgeworben.
Birnbaum galt als Kronprinz
RWE-Vorstand Birnbaum verspricht sich nun offenbar bei E.On bessere Karrierechancen als zuletzt bei RWE. Der 46-Jährige frühere McKinsey-Manager galt einige Zeit lang als ein Kronprinz des ehemaligen RWE-Chefs Jürgen Großmann. Dessen Nachfolger wurde im vergangenen Jahr allerdings der Niederländer Terium.
Birnbaum war 2008 von der Unternehmensberatung McKinsey zu RWE gewechselt und hatte noch einen Vertrag bis Ende September dieses Jahres. Er war unter anderem für die Pläne des Konzerns zur Beteiligung an der länderübergreifenden Nabucco-Gaspipeline zuständig. Diese hatte Terium kürzlich aufgegeben, da trotz jahrelanger Planungen die Gaslieferanten in der Region um das Kaspische Meer nur begrenzte Mengen für die Pipeline in Aussicht gestellt hatten.
Bei E.On könnte Birnbaum wieder als Stratege mehr Spielraum erhalten. Der Versorger will sein Wachstum auch außerhalb Europas vorantreiben, während für RWE Deutschland und Europa die Kernmärkte bleiben.
Bei E.On steht neben Vorstandsmitglied Maubach (50) auch Personalchefin Regine Stachelhaus vor dem Abschied, wie mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen Reuters sagten. Die frühere Managerin des Computerkonzerns Hewlett-Packard und Geschäftsführerin von Unicef Deutschland war mit großen Erwartungen engagiert worden. Im Arbeitnehmerlager hatte sie spätestens im Zuge von Teyssens Jobabbau viel Kredit verloren. Vertreter der Gewerkschaften und des Betriebsrats warfen ihr mangelnde Kommunikation vor.
Die Arbeitnehmervertreter waren von Teyssens Ankündigung, weltweit bis zu 11.000 Stellen abzubauen, völlig überrascht worden. Monatelang gingen sie auf die Barrikaden, ehe sie sich mit dem Management auf eine sozialverträgliche Lösung einigten.