Tennet-Chef Lex Hartman "Keiner investiert so in die Energiewende"

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Ein langfristiger Plan muss her

Die Finanzierung der Anbindungen, die benötigt werden, um den gewonnenen Offshore-Strom ins Landesinnere weiterzuleiten, stellt die komplette Branche momentan noch vor Probleme. Quelle: dpa

Was fordern Sie von der Politik?

Die Anforderungen an die Netzbetreiber sind viel zu groß, und es geht vieles durcheinander. Wir benötigen einen langfristigen Plan, wann was wo gebaut werden soll. Was die Bundesnetzagentur für die benötigten Stromleitungen an Land vorlegen will, brauchen wir auch für Offshore, und beides muss miteinander verzahnt sein. Unter einem wahren Tsunami von Bau- und Projektanfragen droht die gesamte Branche durcheinanderzugeraten. Außerdem haben wir ja noch das Problem der Weiterleitung des Offshore-Stroms ins Innere des Landes.

Das Ganze hört sich an, als ob Sie in der Bundesregierung einen chaotischen Verhandlungspartner haben. Gibt es noch andere offene Fragen?

Neben einem langfristigen Offshore-Plan geht es uns vor allem um Haftungs- und Kapitalfragen. Es ist heute völlig offen, wer dafür haftet, wenn zum Beispiel Windparks zwar schon fertig, die Anschlüsse aufgrund fehlender Planungen aber noch nicht da sind. Das muss von der Bundesregierung dringend geklärt werden, sonst stocken die Investitionen.

von Rebecca Eisert, Matthias Kamp, Andreas Toller

Sie rufen auch nach Partnern, welche könnten Sie sich vorstellen?

Das könnte zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW sein...

...nach Subventionen der staatlichen Bank wird ja häufig gerufen...

Wirtschaftsminister Rösler hat gesagt, er wolle eine richtige Risikobalance finden zwischen Windpark- und Netzbetreibern. Und wir fordern das auch, weil wir nicht jedes beliebige Risiko tragen können. Es ist gut, dass eine entsprechende Regelung im Sommer kommen soll.

Die 20 wichtigsten Antworten zur Energiewende
Woher kommt in zehn Jahren unser Strom?Fest steht bisher vor allem, welche Energie im Jahr 2022 nicht mehr zur Verfügung steht: die Atomenergie. Die Meiler werden bis dahin abgeschaltet und danach demontiert. Erneuerbare Energien sollen bis 2022 für mindestens 35 Prozent des Stroms sorgen, der aus unseren Steckdosen kommt: Solarstrom, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft müssen dafür ausgebaut werden. Im vergangenen Jahr steuerten sie erst 20 Prozent bei. Damit verändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Stroms, sondern auch die Landschaft der Energieerzeuger: In zehn Jahren werden nicht mehr Großkraftwerke die meiste Energie erzeugen, sondern Hunderttausende Landwirte, Gewerbetreibende oder Privatleute – unter anderem mit Windrädern, Solardächern und Keller-Kraftwerken. Komplett grün wird die Energie aber nicht: Ohne Gas und Kohle geht es auch im Jahr 2022 nicht. Sie werden dann 48 Prozent statt heute 58 Prozent des Strombedarfs erzeugen. Quelle: dpa
Energiekonzerne News: Aktuelle Meldungen rund um die Energiewende Quelle: dpa
Welche Energieversorger profitieren von grünem Strom?Vor allem die vielen Stadtwerke hoffen darauf, dass sie den großen vier Versorgern Marktanteile abjagen können. Zurzeit liegt ihr Anteil an der Stromerzeugung bei etwa zehn Prozent – in den nächsten Jahren wollen sie ihn verdoppeln. Um das zu erreichen, wollen sie in erneuerbare Energien und in neue fossile Kraftwerke investieren. Quelle: dpa
Und wer zahlt für all das?Am Ende immer die Verbraucher – und zwar vor allem die Privatkunden. Der Ausbau der regenerativen Energien wird über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanziert. Die meisten Stromanbieter führen derzeit je Kilowattstunde Strom rund 3,6 Cent Ökoaufschlag ab. Dieses Geld fließt an die Betreiber von Windrädern, Wasserkraftwerken, Photovoltaikanlagen, Biomasse- oder Geothermiekraftwerken. Ein durchschnittlicher Privathaushalt, der im Jahr 3500 Kilowattstunden Strom verbraucht, zahlt auf diese Art 126 Euro jährlich für die grüne Energie. Für die Industrie gelten Ausnahmen. Sie verbraucht zwar gut die Hälfte des Stroms in Deutschland, schultert aber weniger als die Hälfte der EEG-Kosten. Kosten entstehen nicht nur für den Bau von Windrädern & Co. Auch die Stromnetze müssen ausgebaut werden. Das finanzieren Privatverbraucher und Konzerne über die staatlich regulierten Netzentgelte. Das erhöht den Preis für die Kilowattstunde Strom um 5,75 Cent. Hier steuern Privatkunden ebenfalls mehr bei als die Industrie Quelle: dpa
Was machen die Betreiber mit den alten Atommeilern?Fest steht bisher vor allem, welche Energie im Jahr 2022 nicht mehr zur Verfügung steht: die Atomenergie. Die Meiler werden bis dahin abgeschaltet und danach demontiert. Erneuerbare Energien sollen bis 2022 für mindestens 35 Prozent des Stroms sorgen, der aus unseren Steckdosen kommt: Solarstrom, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft müssen dafür ausgebaut werden. Im vergangenen Jahr steuerten sie erst 20 Prozent bei. Damit verändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Stroms, sondern auch die Landschaft der Energieerzeuger: In zehn Jahren werden nicht mehr Großkraftwerke die meiste Energie erzeugen, sondern Hunderttausende Landwirte, Gewerbetreibende oder Privatleute – unter anderem mit Windrädern, Solardächern und Keller-Kraftwerken. Komplett grün wird die Energie aber nicht: Ohne Gas und Kohle geht es auch im Jahr 2022 nicht. Sie werden dann 48 Prozent statt heute 58 Prozent des Strombedarfs erzeugen. Quelle: dapd
Ist die Energiewende unumkehrbar?Aufschiebbar ist sie vielleicht, umkehrbar aber nicht mehr. Eon klagt zwar gegen den Ausstieg, RWE wird folgen, und Vattenfall plant, ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Damit wollen die Großen aber nicht die Entscheidung kippen. Auch sie wissen, dass das Thema Atom hierzulande gesellschaftlich erledigt ist. Ihnen geht es um Schadensersatz. Theoretisch könnte jede Bundesregierung den Abschaltbefehl zurücknehmen. Noch laufen neun Kernkraftwerke, deren Laufzeit verlängert werden könnte. Wenn der Ausbau der grünen Energie nicht schnell gelingt, ist eine weitere Fristverlängerung denkbar. Quelle: dapd
Kann ein Land sich komplett mit Ökostrom versorgen?Wind- und Solaranlagen haben einen großen Nachteil: Die Ausbeute hängt von der Witterung ab. Bläst der Wind und scheint die Sonne, können die Windräder und Solardächer schon heute einen Großteil des deutschen Strombedarfs decken. Bei Flaute, Sturm oder starker Bewölkung sinkt ihr Ertrag aber unmittelbar. Mittags, wenn die Sonne scheint, erzeugen Solaranlagen schon fast zu viel Strom, abends wird es dagegen, vor allem im Winter, eher eng. Bei der Windkraft ist das im Prinzip ähnlich. Alle deutschen Windkraftanlagen zusammen können maximal 28000 Megawatt liefern. Am 4. Februar 2011 zum Beispiel wehte der Wind, und tatsächlich wurden an diesem Tag fast 23000 Megawatt erreicht. Das entspricht dann der Leistung von 20 bis 25 großen Kraftwerken. Am 5. Juli herrschte hingegen Flaute, und der gesamte deutsche Windkraftpark lieferte nur noch etwa 90 Megawatt elektrische Leistung. Das reicht nicht einmal für eine Großstadt. Solche Schwankungen sind nicht nur schlecht für die Verbraucher, die rund um die Uhr Strom haben wollen, sondern auch für die Netzbetreiber: Deren Leitungen funktionieren nur bei stabiler Spannung im Netz. Quelle: Reuters

Wollen Sie auch Partner ins Boot holen?

Ohne die geht es nicht. Der Netzausbau und die damit verbundene Energiewende ist das größte Projekt seit der Wiedervereinigung. Das gilt ganz besonders für die Anbindung der Offshore-Windparks. Das können wir nur in einem Verbund stemmen.

Was stellen Sie sich konkret vor?

Das ist noch in der Diskussion.

Aber ein bisschen können Sie uns doch in Ihren Wunschkatalog blicken lassen.

Eine Möglichkeit ist, eine separate Gesellschaft für Offshore und Gleichstrom zu gründen, in der Partner zusammen arbeiten. Wir möchten das gern mit anderen Übertragungsnetzbetreibern machen, aber es sind auch andere Beteiligte denkbar, zum Beispiel Finanzinvestoren oder auch die KfW. Diese Gesellschaft hätte dann auch die gesetzliche Verpflichtung, die Netze zu bauen. In dieser Gesellschaft könnten wir einen großen Anteil übernehmen. Aber an einer Mehrheit sind wir nicht notwendigerweise interessiert.

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