Der Stromnetzbetreiber Tennet hat vor steigenden Kosten durch den schleppenden Leitungsausbau gewarnt. Wegen der schwankenden Einspeisung von Ökostrom aus Wind und Sonne müssten die Netzbetreiber immer häufiger eingreifen, da sonst die überlasteten Leitungen nicht im Gleichgewicht gehalten werden könnten, sagte der Chef von Tennet TSO, Urban Keussen. "Wir müssen verstärkt Notmaßnahmen ergreifen, um dem Anwachsen der Erneuerbaren Energie auf der einen Seite und dem zu langsamen Ausbau der Netzinfrastruktur auf der anderen Rechnung zu tragen." Mal müsse Strom von Reservekraftwerken zugekauft werden, wenn zu wenig Energie vorhanden sei. Ein anderes Mal würden Windräder gegen Bezahlung abgeschaltet, um zu viel Spannung im Netz zu vermeiden.
"Die Schere geht immer weiter auseinander", sagte der Manager. Allein bei Tennet hätten sich im vergangenen Jahr die Kosten für solche Eingriffe auf 700 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Der Netzbetreiber 50Hertz habe nach eigenen Angaben rund 300 Millionen Euro veranschlagt. Die Gesamtkosten der beiden großen Betreiber lägen damit bei rund einer Milliarde Euro. Diese Kosten werden auf die Stromkunden als Netzentgelte umgelegt. "Sie werden in den nächsten Jahren steigen, weil wir Investitionen in die Anbindung von Offshore-Windparks und in den Netzausbau an Land umlegen. Die Notmaßnahmen haben einen wachsenden Anteil daran", erläuterte Keussen.
Große Überlandleitung wohl später fertig
Tennet hatte 2010 das Höchstspannungsnetz von E.ON übernommen, das fast die Hälfte der Fläche Deutschlands abdeckt. Der niederländische Staatskonzern ist hierzulande der größte der vier Übertragungsnetzbetreiber, zu denen auch TransnetBW, 50Hertz und Amprion gehören.
Tennet will in den kommenden Jahren Milliardensummen in die deutschen Netze investieren. Dazu gehört unter anderem eine 650 Kilometer lange Trasse mit dem Namen "Suedlink" von Nord- nach Süddeutschland, die Tennet mit der EnBW-Tochter TransnetBW errichten will. Durch die Entscheidung der Bundesregierung, aus Rücksicht auf die Anwohner vor allem Erdkabel zu verlegen, werde sich der Prozess verzögern. "Das Gesetz zur Erdverkabelung schafft Akzeptanz für die neuen Übertragungsleitungen. Aber die notwendige Neuplanung bedeutet Zeitverzug." Es werde schwer, die bereits verstrichenen zwei, drei Jahre wieder aufzuholen. "Da könnte es schon Mitte des nächsten Jahrzehnts werden wenn alles gut geht." Er hoffe, dass die Behörden die Anträge zügig bearbeiten. Ursprünglich sollte die Leitung 2022 fertig sein.