Von einem „Marathonlauf mit Ziel Frankfurter Börse“ sprach Uniper-Konzernchef Klaus Schäfer an diesem Morgen. Wetterfest und solide sei Uniper für den anstehenden Börsengang im September aufgestellt. Doch wie schwer der Lauf für ihn und das neue Energieunternehmen ist, das zeigen die Halbjahreszahlen. Zwar stieg der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen in den ersten sechs Monaten um 50 Prozent auf rund eine Milliarde Euro. Doch zulegen konnte nur das Geschäft mit dem Energiehandel, das von günstigen Gasverträgen profitierte.
Im Kerngeschäft mit Strom kämpft die E.On-Tochter Uniper weiter mit großen Einbußen. Unter dem Strich musste die neue Konzerntochter wegen hoher Abschreibungen auf die Kohle- und Gaskraftwerke einen Nettoverlust von 3,9 Milliarden Euro ausweisen.
Erstmals präsentierte der 48-jährige Schäfer, früher Finanzchef beim Energieriesen E.On, die Zahlen der neuen Tochter. Seit Anfang Januar ist sie operativ. Der Kunstname „Uniper“ steht für Unique Performance („einzigartige Leistungsfähigkeit“), doch die Zukunft der Einheit ist zweifelhaft. Tatsächlich hat der Essener E.On-Konzern hier all jene Aktivitäten abseits der deutschen Atomenergie versammelt, für die in der Nach-Energiewende-Zeit kein Platz mehr ist.
Die wichtigsten Fragen zur E.On-Aufspaltung
Der Energieriese trennt seine konventionellen Gas-, Wasser- und Kohlekraftwerke sowie den Energiehandel ab vom Rest des Konzerns mit den Wind- und Sonnenenergieanlagen, den Stromnetzen sowie den modernen Energie-Dienstleistungsangeboten. Alte und neue Energie hätten sich so stark auseinanderentwickelt, dass beide Bereiche getrennt mehr Zukunft hätten, sagt E.On-Chef Johannes Teyssen. Das sei „Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Eon und Uniper“, schrieb er vor kurzem an die Aktionäre. Aus der alten E.On werden zwei Unternehmen: Der Mutterkonzern schrumpft auf 40.000 Mitarbeiter, 14.000 Beschäftigte arbeiten bei Uniper.
Operativ arbeiten E.On und Uniper schon seit Jahresbeginn komplett getrennt. Im nächsten Schritt nutzt Uniper Kreditzusagen mehrerer Banken über rund 2,5 Milliarden Euro, um alte Kredite der E.On-Mutter abzulösen und sich so auch finanziell auf eigene Füße zustellen. Wenn die Hauptversammlung zustimmt, werden beide Konzernteile dann auch rechtlich getrennt. E.On legt seinen Aktionären gut 53 Prozent der Uniper-Aktien in ihre Depots. Für jeweils 10 E.On-Papiere gibt es einen Uniper-Anteilsschein. Später will sich E.On über die Börse auch vom Rest der Papiere trennen. Läuft alles reibungslos, könnte Uniper schon im dritten Quartal 2016 erstmals eine eigene Bilanz vorlegen.
Es gibt viel Zustimmung für Teyssens Plan. Allerdings haben die Aktionäre angesichts der Krise in der Branche auch das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. „Wir begrüßen die Aufspaltung. Sie ist aus unserer Sicht alternativlos, um beide Unternehmensteile für die nächsten Jahre über Wasser zu halten“, sagt zum Beispiel der Fondsmanager Thomas Deser von Union Investment. Die Fondsgesellschaft zählt mit gut einem Prozent der E.On-Aktien zu den 20 größten Aktionären. Auch die Aktionärsvereinigung DSW will zustimmen – trotz Bedenken. „Unter der neuen Uniper-Flagge wird das Kohlekraftwerk auch nicht rentabler“, sagt DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer.
In der konventionellen Stromerzeugung vor allem mit Gaskraftwerken wird nichts mehr verdient. Die Gewinne schrumpfen immer weiter, weil subventionierter Ökostrom die Märkte flutet – zuletzt auch im ersten Quartal 2016. Wer soll vor diesem Hintergrund eigentlich künftig Aktien des Kraftwerksunternehmens Uniper kaufen, fragen die Aktionärsvertreter. Uniper hat ja selbst gleich zu Beginn ein Sparprogramm und den Verkauf von Firmenbeteiligungen angekündigt. Erst etwa ab 2018 erwartet Uniper wieder eine Belebung des Marktes für konventionelle Stromerzeugung.
Außerdem hat E.On auf Druck der Politik seine deutsche Atomsparte anders als geplant nicht der Erzeugungstochter Uniper zugeschlagen. Das ist unlogisch, denn für die Kernenergie des Konzerns in Schweden ist Uniper zuständig. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds, die immer beliebter werden, könnten E.On-Aktien wegen des Atomanteils meiden. „Ein schwerer Geburtsfehler“, sagt DSW-Mann Hechtfischer. Für 2016 haben beide Unternehmen Dividenden versprochen, aber die Analysten fürchten, dass sich das angesichts der schrumpfenden Erträge später ändern könnte.
Branchenweit müssen die Stromkunden mit weiteren Erhöhungen rechnen – allein schon, weil der teure Ausbau der Netze über den Strompreis mitfinanziert wird. Auch die EEG-Umlage dürfte weiter steigen. Angesichts der schlechten Ertragslage bei E.On ist dann kaum damit zu rechnen, dass der Konzern seine Strompreise für die Endverbraucher stabil hält. Allein 2015 habe der Energieriese seinen Kunden Strompreiserhöhungen zwischen drei und elf Prozent ins Haus geschickt, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Der Großkonzern gehöre wie RWE regelmäßig zu den teuersten Stromanbietern im Vergleich – woran sich auch durch die Abspaltung nichts ändern dürfte.
Schäfer ist Herr über weltweit mehr als 300 Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerke in Europa, Russland und Brasilien sowie einen Handel mit Rohstoffen.
Sonderlich zukunftsträchtig ist das alles nicht wie das aktuelle Ergebnis zeigt. Zu schaffen machten den Düsseldorfern die weiterhin niedrigen Großhandelspreise für Strom in Deutschland und in Skandinavien. Dazu kommt der Brand an einem russischen Kraftwerk und der schwache Rubel. In Deutschland, in Großbritannien und in den Niederlanden wird über den vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert, in Frankreich wird vielleicht schon bald eine Kohlesteuer eingeführt.
Trotzdem sollen zunächst 53 Prozent des Konstrukts Mitte September an die Börse gehen. Mit dem Erlös will sich E.On-Chef Johannes Teyssen seiner größten Finanzsorgen entledigen und fit für eine Zukunft als Lieferant von Strom aus erneuerbaren Energien werden. Die Drecksarbeit soll Schäfer machen.
Das ist ein äußerst wackliger Plan. Das Geschäft von Uniper steht wegen der stetig wachsenden Produktion von grüner Energie unter Druck. Strom in Gaskraftwerken lässt sich erst bei Großhandelspreisen ab 45 Euro pro Megawattstunde profitabel erzeugen, zuletzt zahlten Abnehmer weniger als 30 Euro. Schon im vergangenen Jahr brach das operative Ergebnis der Kohle- und Gaskraftwerke von 800 Millionen auf knapp 500 Millionen Euro ein. Das erste Halbjahr 2016 ist kein Deut besser im Stromgeschäft.
Trotzdem sind ausgerechnet die fossilen Kraftwerke Schäfers Zukunftshoffnung. Er setzt vor allem auf eine Renaissance von Gas. Seine Kalkulation geht so: Noch stammen 20 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms aus Atomkraftwerken. Wenn die ab 2022 vom Netz gehen, muss eine Reserve für den Fall her, dass Wind und Sonne nicht ausreichend Energie liefern. Und da Gasöfen weniger Kohlendioxid ausstoßen als Kohlemeiler, kommen dafür eben vor allem die Gaskraftwerke in Betracht. Die Nachfrage nach von ihnen erzeugtem Strom könnte steigen und mit ihr der Preis.
Für systemrelevant hält Uniper seine Gaskraftwerke
Systemrelevant nennt Schäfer seine Kraftwerke. Ein Begriff, der in der Finanzkrise für solche Banken aufkam, die eigentlich Pleite waren, aber trotzdem nicht dicht machten, aus Angst, ihre Schließung könnte das gesamte Finanzsystem destabilisieren. Der Staat hielt die angeschlagenen Institute über Rettungsfonds mit Milliarden über Wasser. Von einer ähnlichen Situation will Uniper profitieren. Rund 70 Prozent der Kraftwerke seien systemrelevant, heißt es bei Uniper. Und das bedeutet: Sie werden nicht abgeschaltet aus Sorge um die Sicherheit der Stromversorgung, wenn Windräder und Solaranlagen nicht genügend Strom produzieren. Uniper muss sie als Reserve bereithalten und erhält dafür eine Vergütung.
Finanziert wird die über die Stromrechnung der Verbraucher. Anfang des Jahres forderte Uniper in einer Klage vor dem Landgericht in Bayreuth mehr Geld für das Bereithalten seines Gaskraftwerkes in Irsching in Süddeutschland. Die Vergütung sei nicht angemessen, argumentiert Uniper. Branchenkreise räumen der Klage gute Chancen ein. Das Urteil wäre wegweisend für weitere konventionelle Kraftwerke, die als Reserve weiter betrieben werden müssen.
So könnte Uniper seine Kraftwerke über Wasser halten bis sie, wenn in knapp sieben Jahren die letzten Atommeiler abgeschaltet werden, tatsächlich wieder gebraucht werden könnten, sollte Strom danach knapp werden.
Das ist eine Geschichte mit ziemlich vielen Wenns. So richtig traut E.On ihr offensichtlich selbst nicht. Um Anleger von Uniper zu überzeugen, will Schäfer in diesem Jahr rund 200 Millionen Euro Dividende ausschütten. Bei einem von Analysten geschätzten Börsenwert zwischen 2,6 Milliarden Euro (Deutsche Bank) und 2,8 Milliarden Euro (Bankhaus Metzler) wäre das eine stattliche Rendite von gut sieben Prozent. E.On-Aktionäre erhalten für zehn Anteile am Mutterkonzern eine Uniper-Aktie für ihr Depot. Am ersten Handelstag wird Uniper wohl als Daxwert starten, dann aber wegen zu geringer Größe nicht in dem Börsenindex bleiben. Uniper hofft, mittelfristig im MDax zu landen.
Uniper kann sich eine Dividende eigentlich gar nicht leisten
Eine Dividende kann sich Uniper eigentlich gar nicht leisten. E.On hat seiner Tochter Schulden von 4,7 Milliarden Euro mit auf den Weg in die Selbstständigkeit gegeben. Dort steht ihr ein Großumbau bevor: Schäfer wird einen drastischen Sparkurs fahren, zahlreiche der aktuell 14 000 Stellen abbauen und Beteiligungen im Wert von mindestens zwei Milliarden Euro bis Ende 2017 verkaufen. Wenn er für diese keine zahlungswilligen Interessenten findet, drohen neue Abschreibungen.
Sparen will Schäfer auch bei den Investitionen. Bis 2018 sollen diese von aktuell rund einer Milliarde Euro auf 600 Millionen Euro sinken. „Das ist Instandhaltungsniveau für die bestehenden Kraftwerke“, sagt Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler in Frankfurt. „Kapazitätswachstum findet dann nicht mehr statt.“
Wo soll das auch herkommen? Bis 2050 soll der Anteil der in Deutschland aus erneuerbaren Quellen erzeugten Energie von derzeit 30 auf 80 Prozent steigen. Für das Geschäft von Uniper in heutiger Form ist damit kein Platz mehr. Vorher könnte sich der Konzern allerdings auch auf neue Energien konzentrieren. Und damit der früheren Mutter E.On Konkurrenz machen. Geld dafür hätte Uniper aber wohl nur, wenn es die versprochene Dividende von jährlich rund 200 Millionen Euro wieder einkassierte.