Urenco-Chef Engelbrecht "Politisch motivierte Bedenken"

Der Uran-Anreicherer Urenco soll privatisiert werden. Firmenchef Helmut Engelbrecht sieht darin kein Sicherheitsrisiko. Im Interview erklärt er zudem, warum er zu seiner Atomfabrik in Deutschland steht.

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Urenco-Anlage in Gronau: „Wir werden diese Kapazitäten nutzen, so lange sie uns zur Verfügung stehen.“ Quelle: dpa

Urenco ist mit einem Marktanteil von 30 Prozent hinter dem russischen Konkurrenten Tenex das zweitgrößte Unternehmen der Welt, das Brennelemente für Atomkraftwerke herstellt. Der britische und der niederländische Staat, denen je ein Drittel der Anteile gehört, wollen aussteigen – ebenso die beiden deutschen Energiekonzerne E.On und RWE, die je ein Sechstel der Anteile besitzen. Kritiker befürchten, dass durch den Verkauf der staatlichen Anteile an private Investoren Terroristen oder Schurkenstaaten leichter an hoch angereichertes Uran und damit an den Schlüssel zum Bau der Atombombe erhalten könnten.

Das Unternehmen mit Sitz im britischen Stoke Poges betreibt vier Anlagen, die natürliches Uran so weit mit seinen eigenen radioaktiven Bestandteilen anreichern, dass daraus spaltbares Uran entsteht: im westfälischen Gronau, im britischen Capenhurst, im niederländischen Almelo und in Eunice im US-Bundesstaat New Mexico. Die beiden wichtigsten Konkurrenten neben Marktführer Tenex sind der französische Staatsriese Areva und der US-Konzern USEC.

Der Wert von Urenco wird auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Dem Vernehmen nach wurden potenzielle Bieter aufgefordert, bis Ende 2014 ihr Interesse anzumelden. Über das Ergebnis sowie den Verkaufsprozess wahren alle Beteiligten größtes Stillschweigen.

BND prüft potenzielle Käufer

Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ bestätigt, dass es einen „Markttest“ zum geplanten Verkauf der Uranfabriken von Urenco gegeben habe. Allerdings habe sie „keine unmittelbaren Kenntnisse zu dessen Details“. Zu Kaufinteressenten dürften der kanadische Minenbetreiber und Uranreicherer Vameco sowie private Investorengesellschaften gehören. Auch ein Börsengang gilt nach Angaben der Bundesregierung als möglich.

Nach Auskunft des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium Rainer Baake sind Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz mit Blick auf möglicherweise vorliegende Erkenntnisse über potenzielle Anteilserwerber an den Sondierungen zum Verkauf beteiligt.

Helmuth Engelbrecht ist seit 2005 Chef von Urenco.

Urenco wurde 1970 von Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien gegründet. In dem Vertrag erklären die Staaten, dass Urenco kein hoch angereichertes atomwaffenfähiges Uran herstellen darf und dabei von einem Gemeinsamen Ausschuss der drei Regierungen überwacht wird. Die Bundesregierung will ihren Sitz in dem Gremium auch nach einem Verkauf behalten.

Wirtschaftlich ist das Unternehmen eine Goldgrube: Urenco steigerte 2014 den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro und den Nettogewinn um 20 Prozent auf 404,5 Millionen Euro. Vor Abzug von Steuern, Abschreibungen und Zinsen (Ebitda) blieben sagenhafte 1,07 Milliarden Euro Gewinn übrig, fast elf Prozent mehr als 2013. Der Auftragsbestand beträgt 16 Milliarden Euro und reicht damit laut Urenco-Angaben über das Jahr 2025 hinaus. Derzeit beliefert Urenco 50 Kunden in 19 verschiedenen Ländern und hat einen Marktanteil von weltweit rund 30 Prozent.

Zur Person

Herr Engelbrecht, ursprünglich sollte Urenco vor den Wahlen in Großbritannien privatisiert werden. Wie groß sind die Chancen, dass es nach der Wiederwahl der Konservativen in diesem Jahr noch dazu kommt?
Der Verkaufsprozess wird nach wie vor von allen Eignern gewünscht, also von der britischen und der niederländischen Regierung sowie von den deutschen Energiekonzernen RWE und E.On. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

In Deutschland gibt es große Bedenken gegen den Verkauf von Urenco, weil dadurch Unbefugte an den Stoff kommen könnten, aus dem man Atombomben baut.
Ich halte die Bedenken der Gegner für politisch motiviert und aus unternehmerischer Sicht für nicht begründet.

Die letzten Kernkraftwerke
AKW Grafenrheinfeld in Bayern Quelle: Creative Commons
Kernkraftwerk Gundremmingen Quelle: dpa/dpaweb
Kernkraftwerk Philippsburg Quelle: dpa
Kernkraftwerk Brokdorf Quelle: dpa
Kernkraftwerk Grohnde Quelle: dpa
Kernkraftwerk Neckarwestheim Quelle: dpa
Kernkraftwerk Isar II Quelle: dpa

Untergräbt der Ausstieg des Staates nicht die Aufsicht durch die internationale Atomenergiebehörde und das Verbot der Weiterverbreitung der Atomwaffentechnologie?
Der Vertrag von Almelo, den 1970 die deutsche, britische und niederländische Regierung unterschrieben haben, legt fest, dass alle drei sich im Hinblick auf die Sicherheit und die Non-Proliferation, also die Nicht-Weitergabe von Technologie, um das Geschäft von Urenco kümmern müssen. Das alles wird auch in Zukunft so bleiben.

"Regierungen haben keinen Einfluss auf Geschäfte"

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in einem Schreiben erklärt, dass er den neuen Eigentümern von Urenco nicht nur strategische und finanzielle Vorgaben machen, sondern auch in Firmenentscheidungen eingreifen und notfalls Vorstände entlassen können will. Insgesamt will er 13 Vorgaben machen. Ist damit die Privatisierung nicht tot?
Ich habe den Brief von Minister Gabriel gelesen und es gibt andere Briefe im Umfeld der niederländischen Regierung, die ähnliche Überlegungen äußern. Ich möchte das nicht kommentieren.

Die lange Suche nach einem Atommüllendlager

Beweist Gabriels Brief nicht, dass die Privatisierung von Urenco für ihn ein beachtliches Sicherheitsrisiko darstellt?
Ich glaube, dass Urenco das Gegenteil ist – denn durch unsere multinationale Zusammenarbeit sind wir ein Modell dafür, wie man global mit derart sensitiven Technologien umgehen sollte. Urenco wird von drei Regierungen kontrolliert sowie von der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom- und der Internationalen Atomenergiebehörde überwacht.

Wie stark mischt sich die Politik aktuell in ihre Geschäftsführung ein?
Wir berichten den drei Regierungen zweimal im Jahr, aber sie haben normalerweise keinen Einfluss auf unsere geschäftliche Strategie. Wenn diese aber Elemente enthalten sollte, die im Zusammenhang mit Technologiesicherheit oder der Nicht-Verbreitung Anlass zu Besorgnis geben sollte, dann haben die Regierungen das Recht, sich einzumischen.

So sieht es in Fukushima heute aus
Bilder aus dem zerstörten Fukushima-Reaktor Quelle: dpa
Bilder aus dem zerstörten Fukushima-Reaktor Quelle: dpa
Das Innere des zerstörten Fukushima-Reaktors Quelle: dpa
Sonnenaufgang in Fukushima Quelle: AP
Sturmschutzwand Quelle: dpa
Kumamachi-Grundschule in Okuma Quelle: REUTERS
In Namie, fünf Kilometer nördlich des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, legen Mitarbeiter der Post Blumen an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz nieder. Quelle: dpa

Wie oft passiert das?
Wenn wir einen neuen Kunden beliefern wollen, müssen wir vorher mit den Regierungen darüber reden, ob der akzeptabel ist. Alles, was mit angereichtem Uran und mit der Anreicherungstechnologie zu tun hat, ist Gegenstand der Überwachung und der Kontrolle durch die Regierungen.

Wie wirksam die Überwachung ist, zeigte sich in den 1970er Jahren, als der pakistanische Forscher Abdul Kadir Khan das Wissen aus der Tätigkeit bei Urenco genutzt haben soll, um seinem Heimatland den Bau von Atomwaffen zu ermöglichen.
Es ging damals um eine Technologie, die in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren in Russland entwickelt wurde. Wie sie funktioniert, ist heute im Internet nachlesbar.

Trotzdem fragt man sich, wie Sie sicherstellen, dass etwas Ähnliches nicht wieder passiert, wenn zum Beispiel ein Finanzinvestor Urenco übernimmt.
Die Urananreicherung ist eine komplexe Technologie, die nicht spontan entwickelt werden kann. Ihre Prinzipien sind zwar weltweit bekannt. Jeder weiß, wie eine Zentrifuge funktioniert, die den Anteil des radioaktiven Urans am natürlichen anreichert. Doch wenn Sie die Technologie zur kommerziellen Reife zu bringen wollen, kostet das erhebliche finanzielle Mittel und viel Zeit...

... was die Weitergabe der Technologie zum Bau der Atombombe aber grundsätzlich nicht verhindert.
Die Sorge ist unbegründet, denn die Verträge von Almelo machen klar, dass diese Technologie nur mit Regierungsgenehmigung anderen zur Verfügung gestellt werden kann.

"Unser Schicksal hängt an der Kernenergie"

Nach dem Atomausstieg gibt es in Deutschland die Forderung, das es hier auch keine Uran-Anreicherung mehr geben soll. Was bedeutet das für Urenco?
Deutschland hat beschlossen, auf die Kernenergie zur Produktion von Strom zu verzichten, aber nicht, aus der Kernenergie auszusteigen. Wir betreiben in Deutschland weiter nukleare Grundlagenforschung und nukleare Entwicklung für medizinische Zwecke. Und wir produzieren weiter Komponenten für die Nutzung der Kernenergie außerhalb Deutschlands. So bauen wir Brennelemente in Lingen im Emsland oder reichern Uran im westfälischen Gronau an.

Diese Länder setzen (noch) auf Atomenergie
Hokkaido Electric Power's Tomari nuclear power station at Tomari village in Japan's northern island of Hokkaido. Quelle: dpa
Kuehlturm von Block 2 (r.) und die Reaktoren Block 2 (l.) und Block 1 (M.) des Kernkraftwerk Isar Quelle: dapd
Mitglieder der Aktion "Bern ohne Atomkraftwerk" fahren am Dienstag, 2. August 2005, vor dem Bundeshaus in Bern, Schweiz, mit einem fiktiven Atommuelltransporter auf Quelle: AP
Arbeiter gehen am 15.04.2008 an der Baustelle des größte Atomkraftwerk der Welt in Olkiluoto/Finnland vorbei Quelle: dpa
Kernkraftwerk Sellafield in Nordwestengland Quelle: dapd
Aljona Kirssanowa, die bei einer früheren Wahl zur "Miss Atom" das Motto «Atomkraft macht sexy» auf die Spitze trieb. D Quelle: dpa
Warsaw's skyline is reflected in the icy Vistula river as sun sets Quelle: dapd

Wie lange werden Sie ihre Anlage in Gronau noch nutzen können, obwohl Deutschland sich von der Atomenergie verabschiedet?
Gronau ist Anfang 2009 noch mit einer Genehmigung durch eine rot-grüne Bundesregierung und eine rot-grüne Landesregierung ausgebaut worden. Wir werden diese Kapazitäten nutzen, so lange sie uns zur Verfügung stehen. Ich sehe keine rechtliche Grundlage, auf der Gronau gestoppt werden könnte.

Aktuell auf Kritik stößt Ihre neue Lagerhalle für 60.000 Tonnen angereichertes Uran in Gronau. Bleibt es bei der für 2015 geplanten Inbetriebnahme?
Das Lager ist genehmigt, gebaut und hat keinerlei Probleme. Einige interessierte Parteien wollen das aus politischen Gründen zu einem nuklearen Endlager hochstilisieren, aber das ist völlig überzogen. Hier lagern wir jedoch nur Tri-Uran-Oktoxid, das sogenannte U308. Das ist eine Uranverbindung, die man auch in der Natur findet...

... die trotzdem gesundheitsschädlich ist.
Wir haben ihr einen erheblichen Anteil ihrer radioaktiven Komponenten entzogen, bevor wir sie lagern.

Frankreich will den Anteil des Atomstroms reduzieren, Deutschland ist ausgestiegen, in Japan gibt es Streit um die Wiederanschaltung der Meiler. Wie zukunftssicher ist das Geschäft von Urenco angesichts dessen überhaupt noch?
Dass nach dem Unfall von Fukushima immer noch viele japanische Reaktoren nicht in Betrieb sind, ist nicht geschäftsfördernd für Urenco. Unser Schicksal steht und fällt mit der internationalen Nutzung der Kernenergie. Wie das Beispiel Deutschland zeigt, gibt es politische Bedenken. Doch die Prognosen gehen davon aus, dass die Kernenergie weiter stark wächst. Weltweit werden heute mehr als 30 Reaktoren gebaut.

Wo rechnen Sie sich die besten Chancen aus?
Überall wo Kernkraftwerke gebaut werden: etwa in China. Die Ukraine, die bisher ihren Brennstoff fast ausschließlich aus Russland bezog, hat sich jetzt hilfesuchend an westliche Lieferanten gewandt. Hier tun sich neue Möglichkeiten auf.

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