Wind- und Solarenergie Ökostrombranche vernachlässigt Menschenrechte

Windräder vor einer dunklen Wolke Quelle: dpa

Die Wind- und Solarenergie kurbelt die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen an. Für die Einhaltung der Menschenrechte interessiert sich die Ökostrombranche dabei nicht. Zu diesem Ergebnis kommt das Bischöfliche Hilfswerk Misereor in einer Studie. Grünes Wachstum sei nicht der makellose Königsweg aus der globalen Umweltkrise.

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Hersteller von Windrädern und Photovoltaikanlagen achten nicht auf die Einhaltung von Menschenrechten bei der Beschaffung ihrer Rohstoffe. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in Aachen. Unternehmen wie Enercon, Vestas oder Senvion hätten keinen Überblick, woher ihre Rohstoffe stammten und unter welchen Bedingungen diese abgebaut würden, stellt die Hilfsorganisation in ihrer Studie „Rohstoffe für die Energiewende“ fest.

Menschenrechtliche Risikoanalysen oder menschenrechtliche Folgenabschätzungen würden Unternehmen aus der Ökostrombranche nicht durchführen. „Unternehmen und Politik müssen verhindern, dass beim Abbau dieser Rohstoffe in Lateinamerika, Afrika und Asien die Menschenrechte verletzt und Umwelt zerstört wird“, fordert Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. „Gleichzeitig sind wir dringend aufgefordert, unseren hohen Verbrauch an Energie und Rostoffen zu senken“, so Spiegel.

Misereor hatte 21 Unternehmen aus der Ökostrombranche gebeten, Auskunft darüber zu geben, unter welchen menschenrechtlichen und ökologischen Bedingungen die in ihren Wind- und Solaranlagen verwendeten Rohstoffe abgebaut werden. Zusätzlich wurde abgefragt, aus welchen Ländern diese stammen, inwieweit sie ihrer menschenrechtlichen Verantwortung auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte mit Bezug auf die Lieferketten dieser Rohstoffe gerecht werden und welche Maßnahmen notwendig sind, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte hat auch die Bundesregierung deutsche Unternehmen aufgefordert, in ihren Lieferketten für die Achtung der Menschenrechte Sorge zu tragen.

Geantwortet haben allerdings nur neun Unternehmen. Keine Rückmeldung kam etwa vom Solarmodulhersteller Solarworld aus Bonn, Solarwatt aus Dresden, AEG Power Solution oder GE Renewable Energy. Auch der Ökostromanbieter EWS Schönau blieb Misereor eine Antwort schuldig. Allerdings verschickte Misereor die Fragebögen für ihre Umfrage schon 2016. Auf Nachfrage etwa bei Solarworld oder Solarwatt konnte man dort nicht mehr nachvollziehen, warum die Unternehmen auf die Umfrage des Hilfswerks nicht reagierten.

Ausgewertet hat Misereor die Angaben aller 21 Unternehmen zum Thema Rohstoffbeschaffung, Überwachung der Lieferketten und dem Einhalten von Menschenrechten dann anhand öffentlich zugänglicher Informationen von diesen Herstellern und Ökostromanbietern.


Wichtige Herkunftsländer ausgewählter Rohstoffe für den Bau von Windrädern

Hersteller von Windrädern und Solarmodulen neigten dazu, bei der Einhaltung der Menschenrechte auf die eigene geringe Reichweite zu verweisen oder die Verantwortung an andere Akteure zu delegieren, heißt es bei Misereor. „Tatsächlich tragen aber alle Akteure entlang einer Kette Verantwortung.“ Das Prinzip der „gebotenen menschenrechtlichen Sorgfalt“ (human Rights due diligence), werde von Unternehmen aus der Ökostrombranche bislang nicht oder nicht ausreichend oder gar nicht umgesetzt. „Für eine Energiebranche, die für saubere grüne Energie und Nachhaltigkeit steht, ist dies ein großes Manko“, sagt Misereor Hauptgeschäftsführer Spiegel.

Der Boom der erneuerbaren Energien hat auch einen problematischen Nebeneffekt: die erhöhte Nachfrage nach Metallen wie Kupfer, Aluminium, Chrom, Nickel. Diese sind ohnehin schon bei anderen Wirtschaftszweigen, wie der Automobilbranche oder der Elektroindustrie, begehrt. Die Nachfrage nach diesen Rohstoffen wird daher mit Voranschreiten der Energiewende kontinuierlich steigen. „Auch grünes Wachstum habe seine Schattenseiten und sei nicht der makellose Königsweg aus der globalen Umweltkrise, so Misereor. Deshalb müsste sich auch die Ökobranche intensiv um eine faire Beschaffung von Rohstoffen bemühen. Damit erneuerbare Energien auch wirklich ‚sauberen‘ Strom lieferten, müsse auch die Rohstoffbeschaffung frei von Menschenrechtsverletzungen sein.

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