Windenergie Aufwind für die Erneuerbaren?

Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz spricht während der Eröffnung der Messe WindEnergy Hamburg. Quelle: dpa

Auf der internationalen Windleitmesse WindEnergy trifft sich in Hamburg die Branche. Die Energiekrise setzt ihre Probleme in den Fokus und hilft, den Ausbau zu beschleunigen. Doch nicht alles lässt sich lösen.

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Mindestens fünf Mal unterbricht das Publikum Robert Habeck mit Applaus. Das hier ist Heimspiel für den Wirtschaftsminister. Erneuerbare? Alles Fans auf der größten Windenergiemesse in Hamburg, natürlich. Nie sei der Ausbau wichtiger gewesen als jetzt, betont Habeck, nur die Erneuerbaren könnten und würden uns unabhängig machen – auch im Hinblick auf das 1,5-Grad-Ziel.

Und Habeck teilt auch kräftig aus, gegen die Bundesländer, die jetzt ihren Job machen müssen, „das ist nicht die Zeit für business as usual“. Zwei Prozent der Landesfläche für Windräder ausweisen? Er wäre noch weiter gegangen. Die 10H-Regel in Bayern? Schwachsinn. Der Wirtschaftsminister klingt wie einer, der gut machen will, was die Politik in den letzten Jahren versaut hat – in der Erneuerbaren-Branche nennen sie die letzten Jahre liebevoll die Altmaier-Delle.

Doch ist das wirklich genug? Wo hapert es? Und sind jetzt tatsächlich nur die Bundesländer im Zugzwang und von der Bundespolitik alles super geregelt? Ein Eindruck beim Messerundgang.

Auf der WindEnergy in Hamburg ist jeder aus der Branche vertreten, der ein bisschen was auf sich hält. Denn hier werden Geschäfte gemacht. 1400 Aussteller aus aller Welt sind nach Angaben der Messe Hamburg vor Ort. Hersteller wie Vestas, Siemens Gamesa und Nordex genauso wie Projektierer wie wpd, PNE oder Alterric. Und natürlich Energieversorger wie Enbw, RWE oder E.On.

Der Tenor: Die Industrie steht bereit und will liefern, was die Politik an ehrgeizigen Zielen gesteckt hat. 115 Gigawatt Onshore-Windenergieleistung sollen das bis 2030 sein. Aktuell steht Deutschland bei knapp 56 Gigawatt. Und im Offshore-Bereich sind die Ziele nicht weniger ambitioniert: 30 Gigawatt an Leistung sollen hier bis 2030 installiert sein – aktuell sind es gut acht Gigawatt.

Die Energiekrise infolge des Kriegs in der Ukraine habe alles dringender und wichtiger gemacht, „wir werden gesehen und gebraucht“, sagen viele Branchenvertreter einstimmig.

Doch nicht alle von ihnen sind automatisch Gewinner, weil die Strompreise gerade so hoch sind. Hersteller von Windturbinen und Türmen, Zulieferer für allerlei Teile, sie sehen von den Übergewinnen: nichts. Stattdessen erleben sie eine Krise: Weil die Rohstoffpreise immer weiter steigen, sie aber teilweise Lieferverträge vor zwei Jahren abgeschlossen haben, müssen sie nun teuer kaufen, können die Preise aber nicht an die Projektierer weitergeben.

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Ein kleiner Hersteller von Onshore-Windrädern spricht von Preissteigerungen von teils 300 Prozent bei einzelnen Teilen. Hinzu kommen die angeschlagenen Lieferketten: Immer öfter können die Hersteller deshalb nicht rechtzeitig liefern, Strafzahlungen an die Projektierer seien die Folge.

„Die Übergewinnabschöpfung ist ein Problem“

Gewinner sind stattdessen sie: die Betreiber von Windparks. Ein bisschen beschämt sind einige schon, wenn man sie auf das Thema Zufallsgewinne anspricht. Klar, was gerade am Strommarkt passiere, sei teils irre. Dass da ein Teil abgeschöpft werden soll, unterstützen einige. Der Chef eines Windparkentwicklers und -betreibers gibt allerdings zu bedenken, dass er auch zugesichert hätte, alle Gewinne in neue Investitionen zu stecken – die wegen der gestiegenen Materialkosten auch teurer werden. Nehme man ihm nun einen Teil des Geldes, dann könne er das eben nicht investieren.



Andere werden da expliziert: Die Übergewinnabschöpfung sei ein Problem, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Betriebsrat beim Windkraftanlagenbauer Nordex, Bengt Bergt, in einem Panel zum Thema Ausbaupfade der Windenergie. Die Unternehmen hätten teils früh investiert und seien erst nach und nach profitabel geworden. „Und jetzt soll man ihnen ihre Gewinne wegnehmen?“

Abwanderung verhindern – kein Schicksal wie die Solarindustrie

Bei einem sind sich Industrie und Politik jedenfalls einig: „Die Produktion darf nicht weiter verschwinden, sondern in Europa bleiben“, sagt schon Habeck bei der Eröffnung. Zuletzt war ein gegenteiliger Trend zu beobachten: Erst im Juni hatte Nordex das einzige deutsche Werk für Rotorblätter in Rostock geschlossen – produziert wird jetzt vor allem in Indien. Doch Unabhängigkeit ist das Thema der Stunde, gerade jetzt, wo dem Westen seine Abhängigkeit von russischem Gas und Öl so stark vor Augen geführt wird.

Dann müssen wir für Produkte, die in Europa produziert werden, eben bereit sein, mehr zu zahlen, fasst es Luca Demichelli von der Europäischen Kommission zusammen. Der Energieminister des Vereinigten Königreichs Martin Callanan bringt es auf den Punkt: „Wenn der Westen jetzt nicht vorne ist, dann machen wir uns wieder abhängig.“

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Derweil wirbt der türkische Industrieminister für Investitionen in der Türkei. Und Habeck spricht davon, wie viele Arbeitsplätze in der Branche geschaffen werden: Insgesamt könnte es im Bereich der Offshore-Windindustrie in Deutschland 24.000 Arbeitsplätze geben – und im Onshore-Bereich sogar über 100.000. Wo die alle herkommen sollen? Das bereitet vielen aus der Branche schlaflose Nächte.

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