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Windkraft Prokon droht Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz

Mehr als eine Milliarde Euro haben Anleger dem Windanlagenfinanzierer Prokon zur Verfügung gestellt. Jetzt droht Prokon mit Insolvenz, falls die Anleger ihr Kapital trotz mieser Zahlen nicht im Unternehmen lassen.

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Strommasten und Stromleitungen Quelle: dpa

Die Mitarbeiter von Prokon haben durchaus kreative Argumente zur Hand, wenn sie ihren Anlegern erklären müssen, dass sie pro Jahr mehr Zinsen ausschütten, als sie verdienen: „Wenn das Steueraufkommen der Bundesrepublik nicht genügt“, schreibt ein Mitarbeiter, wie es seit Jahrzehnten üblich sei, dann würden im Grunde die Zinsen für deutsche Staatsanleihen nicht aus Gewinnen bezahlt, sondern mit Geld, das man neu aufnehme. „Warum vertraut man der Bundesrepublik sein Geld an, obwohl sie die Zinsen nur aus neuen Krediten zahlen kann? Weil angenommen wird, dass die Rückzahlungen nicht gefährdet sind.“

Dieses Prinzip soll auch für Prokon gelten. Der Ökospezialist aus Itzehoe hat bei 74 832 Anlegern knapp 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten eingesammelt, die er unter anderem in Windparks investiert. Die Zeichner erhielten hierfür in den vergangenen Jahren bis zu acht Prozent Zinsen, obwohl Prokon mit seinen Unternehmen operativ so viel gar nicht erwirtschaftet hat. Die WirtschaftsWoche hatte Anlegern deshalb davon abgeraten, in die Genussrechte des Unternehmens zu investieren.

Wie Prokon das macht, lässt die Mail des Vertriebsmitarbeiters erahnen: Er weist darauf hin, dass die langfristige Ertragserwartung dazu berechtige, „aktuell Zinsen aus frisch aufgenommenem Kapital zu bezahlen, wenn der operative Gewinn zurzeit dazu nicht ausreicht“.

Die größten Anlagenbauer
NordexNach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Siemens WindenergiesparteSiemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Quelle: dpa
SenvionDas Hamburger Unternehmen Senvion ( ehemals Repower) ist eine Tochter des indischen Windkraftkonzerns Suzlon. Wie Nordex ist es auch dem Hamburger Unternehmen gelungen, Marktanteile zu gewinnen. 2013 installierte Senvion Anlagen mit rund 484 Megawatt und nun einen Markanteil von insgesamt 13,5 Prozent. Im Onshore-Bereich sind es sogar 16,2 Prozent. Das sind drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben nun eine Gesamtleistung von 2,8 Gigawatt installiert. Im März 2014 hat Senvion die Schwelle von 10 Gigawatt weltweit installierter Leistung überschritten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen allerdings auch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. Quelle: dpa
VestasDer weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012. Quelle: ZB
EnerconDas vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas. Quelle: dpa

Im Klartext: Die Anleger müssen darauf hoffen, dass die mit ihrem Geld finanzierten Investitionen irgendwann mal so viel Geld abwerfen, dass nicht nur die dann laufend fälligen Zinsen, sondern auch die zuvor ausgeschütteten wieder hereingeholt werden.

Prokon lässt keinen Zweifel daran, dass das gelingt. Der konzernweite Verlust in Höhe von 171 Millionen Euro im vorvergangenen Jahr sei kein Grund zur Sorge, lässt Prokon seine Anleger wissen. Vielmehr sei es normal, dass ein Unternehmen in der Investitionsphase erst einmal Verluste mache. Damit hat Prokon auch völlig recht. Verluste in der Investitionsphase sind weder schlimm noch außergewöhnlich, sofern das von Anlegern eingesetzte Kapital zuzüglich Zinsen später tatsächlich eingefahren wird. Genau das ist aber keineswegs so sicher, wie Prokon behauptet.

Zum einen schüttet das Unternehmen schon seit Jahren mehr aus, als es operativ verdient, obwohl viele Windparks in Betrieb sind und laufend Geld reinkommt. 2013 wird sich das wohl nicht ändern: Prokon weist für die ersten zehn Monate ein Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen in Höhe von 33,5 Millionen Euro aus. Die Zinszahlungen an Anleger waren im selben Zeitraum mit 67 Millionen Euro doppelt so hoch. Das soll – behauptet Prokon – nicht so bleiben. 2020 plant das Unternehmen mit einem Gewinn in Höhe von 110 Millionen Euro und Ausgaben für Zinsen von 95,7 Millionen Euro. 2040 soll das Genussrechtskapital vollständig zurückgezahlt sein.

Das könnte bei der aktuellen Zinslast – je nach Tilgungsgeschwindigkeit – jedoch schwierig werden.

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