
Die Mitarbeiter von Prokon haben durchaus kreative Argumente zur Hand, wenn sie ihren Anlegern erklären müssen, dass sie pro Jahr mehr Zinsen ausschütten, als sie verdienen: „Wenn das Steueraufkommen der Bundesrepublik nicht genügt“, schreibt ein Mitarbeiter, wie es seit Jahrzehnten üblich sei, dann würden im Grunde die Zinsen für deutsche Staatsanleihen nicht aus Gewinnen bezahlt, sondern mit Geld, das man neu aufnehme. „Warum vertraut man der Bundesrepublik sein Geld an, obwohl sie die Zinsen nur aus neuen Krediten zahlen kann? Weil angenommen wird, dass die Rückzahlungen nicht gefährdet sind.“
Dieses Prinzip soll auch für Prokon gelten. Der Ökospezialist aus Itzehoe hat bei 74 832 Anlegern knapp 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten eingesammelt, die er unter anderem in Windparks investiert. Die Zeichner erhielten hierfür in den vergangenen Jahren bis zu acht Prozent Zinsen, obwohl Prokon mit seinen Unternehmen operativ so viel gar nicht erwirtschaftet hat. Die WirtschaftsWoche hatte Anlegern deshalb davon abgeraten, in die Genussrechte des Unternehmens zu investieren.
Wie Prokon das macht, lässt die Mail des Vertriebsmitarbeiters erahnen: Er weist darauf hin, dass die langfristige Ertragserwartung dazu berechtige, „aktuell Zinsen aus frisch aufgenommenem Kapital zu bezahlen, wenn der operative Gewinn zurzeit dazu nicht ausreicht“.





Im Klartext: Die Anleger müssen darauf hoffen, dass die mit ihrem Geld finanzierten Investitionen irgendwann mal so viel Geld abwerfen, dass nicht nur die dann laufend fälligen Zinsen, sondern auch die zuvor ausgeschütteten wieder hereingeholt werden.
Prokon lässt keinen Zweifel daran, dass das gelingt. Der konzernweite Verlust in Höhe von 171 Millionen Euro im vorvergangenen Jahr sei kein Grund zur Sorge, lässt Prokon seine Anleger wissen. Vielmehr sei es normal, dass ein Unternehmen in der Investitionsphase erst einmal Verluste mache. Damit hat Prokon auch völlig recht. Verluste in der Investitionsphase sind weder schlimm noch außergewöhnlich, sofern das von Anlegern eingesetzte Kapital zuzüglich Zinsen später tatsächlich eingefahren wird. Genau das ist aber keineswegs so sicher, wie Prokon behauptet.
Zum einen schüttet das Unternehmen schon seit Jahren mehr aus, als es operativ verdient, obwohl viele Windparks in Betrieb sind und laufend Geld reinkommt. 2013 wird sich das wohl nicht ändern: Prokon weist für die ersten zehn Monate ein Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen in Höhe von 33,5 Millionen Euro aus. Die Zinszahlungen an Anleger waren im selben Zeitraum mit 67 Millionen Euro doppelt so hoch. Das soll – behauptet Prokon – nicht so bleiben. 2020 plant das Unternehmen mit einem Gewinn in Höhe von 110 Millionen Euro und Ausgaben für Zinsen von 95,7 Millionen Euro. 2040 soll das Genussrechtskapital vollständig zurückgezahlt sein.
Das könnte bei der aktuellen Zinslast – je nach Tilgungsgeschwindigkeit – jedoch schwierig werden.