Energiepolitik "China ist neuer Windenergie-Weltmeister"

Der Chef der Asia-Pacific Management Consulting, Kuang Hua Lin, über wartungsanfällige chinesische Windräder, gepämperte Staatskonzerne und die Chancen deutscher Windanlegenhersteller.

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Kuang Hua Lin, Chef der Asia-Pacific Management Consulting

WirtschaftsWoche: Herr Lin, die installierte Windenergieleistung in Ihrem Heimatland China ist durch die Förderung der Regierung in den vergangenen fünf Jahren sprunghaft gestiegen. Wie ist der aktuelle Stand?

Mit einer neu installierten Leistung von knapp 16, 5 Gigawatt im vergangenen Jahr ist China weiterhin der am stärksten wachsende Windenergiemarkt weltweit. Mit einer installierten Gesamtkapazität von über 42 Gigawatt ist China an den USA mit rund 40 Gigawatt vorbeigezogen und ist damit neuer Windenergie-Weltmeister. Nimmt man die Planungen der Regierung in Peking bis zum Jahr 2020 als Grundlage - insgesamt 200 Gigawatt - dann benötigen die Chinesen nur noch etwa 12 Gigawatt zusätzliche Kapazität pro Jahr. Zur Zeit gibt es jedoch 82 Hersteller in China: 19 ausländische und 63 chinesische, davon 39 staatliche und 24 private Unternehmen, mit einer gesamten Fertigungskapazität von über 30 Gigawatt pro Jahr.

Also erhebliche Überkapazitäten, die die Preise in den Keller treiben?

Ja. Und diese Überkapazität führt dazu, dass vor allem chinesische Hersteller aus der zweiten Liga, die schlechtere Qualität herstellen, Preise unter ihren Herstellungskosten anbieten, um Aufträge überhaupt noch ergattern zu können. Die Einspeisungspreise in der öffentlichen Ausschreibung brachen zeitweise völlig zusammen, bis auf umgerechnet 4 Cent pro Kilowattstunde.

Und die chinesische Regierung schaut tatenlos zu?

Nein, sie hat gehandelt. Um zu verhindern, dass die staatlichen Anbieter, die praktisch über unbegrenzte Finanzierungsmittel verfügen, gute private Hersteller durch ihre Kampfpreise aus dem Markt drängen, hat die chinesische Regierung die bisher eigentlich ziemlich erfolgreichen und effizienten Ausschreibungsverfahren gestoppt und schreibt seit Juli 2009 einen festen Einspeisungspreis je nach Region oder Provinz zwischen umgerechnet fünf und sechs Cent je Kilowattstunde vor. Gleichzeitig kündigte die Zentralregierung an, dass bis zum Jahr 2015 von den insgesamt 82 Unternehmen nur noch maximal 15 übrig bleiben sollten, und die größten fünf Anbieter sollen dann mindestens 60 Prozent der Marktanteile auf sich vereinen.

Das heißt, Peking wird in den kommenden fünf Jahren eine Marktbereinigung durch Zwangs-Übernahmen und -Schließung erzwingen?

Das gilt auf jeden Fall für die mehr als drei Dutzend staatlichen Unternehmen. Das mag für deutsche Ohren ungewöhnlich klingen. Aber ja, genau so ist es vorgesehen. Erfahrungsgemäß wird Peking die besten chinesischen Anbieter wie etwa Goldwind, die es heute schon qualitativ mit europäischen Produkten aufnehmen können, zu einem so genannten National Champion ausbauen, der in Zukunft auch verstärkt seine Produkte exportiert.

Was genau ist ein National Champion?

Ein National Champion ist der Markt- und Technologieführer des Landes. Wie etwa das Unternehmen Haier bei Kühlschränken oder Waschmaschinen. China ist jedoch WTO-Mitglied und muss deren Vorschriften einhalten. Das heißt, staatliche Subventionen wird es nicht geben. Staatliche Forschungsergebnisse könnten jedoch an die Unternehmen weitergeleitet werden, und staatliche Banken könnten den Unternehmen bevorzugt Kredite gewähren. Im Gegenzug schaffte Peking aber im Jahr 2010 die Local-Content-Vorschrift, die seit 2005 in China für Windräder galt, ersatzlos ab. Die besagte, dass mindestens 70 Prozent der Windturbinenkomponenten oder des Wertes in China produziert oder geschaffen sein mussten. Aus diesem Grund überlegen zur Zeit einige ausländische Anbieter, ihre Werke in China, die wegen dieser Vorschrift gegründet wurden, wieder zu schließen.

Welche zum Beispiel?

Solche Überlegungen und Planspiele sind streng vertraulich. Das könnte sonst bei den Mitarbeitern zu Panik führen. Aber die Logik liegt auf der Hand. Windparks haben lange Planungsphasen, also spielen da vier bis sechs Wochen längere Lieferzeiten aus dem Ausland keine große Rolle. Zuzdem ist China längst kein Billiglohnland mehr.

Haben deutsche Firmen da überhaupt noch eine Chance?

Auch wenn chinesische Hersteller rund 80 Prozent des Marktes in China beherrschen und Peking neue National Champions aufbauen will, heißt das noch nicht, dass ausländische Unternehmen chancenlos sind. Ganz im Gegenteil: Die Kunden in China machen gerade jetzt ihre ersten Erfahrungen mit billigen chinesischen Produkte – und diese Erfahrungen sind alles andere als erfreulich. Die Windkraftanlagen sind störungsanfällig und qualitativ nicht besonders hochwertig. Die Verfügbarkeit, also die Zeit, in der die Anlage technisch funktionsfähig, chinesischer Windkraftanlagen, ist im Schnitt sieben Prozent niedriger als die Anlagen, die von internationalen Herstellern in China produziert worden sind. Darüber hinaus werden in Offshore-Windkraftanlagen wesentlich größere Windturbinen benötigt, die die Chinesen noch gar nicht bauen können. Der Markt und das Potential für ausländische Hersteller ist also vorhanden.

Wie sehen denn die Planungen von Offshore-Windparks in China aus?

Die Motivation für solche Windparks in China ist eine ganz andere als etwa in Deutschland. China ist groß und Windparkbetreiber müssen für große industriell betriebene Parks nicht unbedingt auf das offene Meer ausweichen. Zudem bekommen chinesische Windparkbetreiber das benötigte Land kostenlos. Es gibt drei wichtige Fördermaßnahmen für Windparks in China: Den Einspeisetarif, das kostenlose Land und die Halbierung der Mehrwertsteuer von 17 auf 8,5 Prozent für Windstrom. Hinzu kommt, dass es bisher auch keinen Mangel an geeigneten Standorten und keine Beschwerden über Lärm, Vogelschutz, Störung der Landschaft oder ähnliches gibt. Also wozu ein Offshore-Windpark mit wesentlich höheren Kosten?

Ist das als grundsätzlich Absage an die Offshore-Windkraft in China zu verstehen?

Nein, das ist es nicht. Das Problem beziehungsweise die Motivation für Offshore-Standorte liegt darin, dass die geeigneten Landstriche für Windparks, die im Norden oder Nordwesten Chinas liegen, zu weit davon entfernt sind, wo der Strom auch gebraucht wird: nämlich in den Großstädten an der östlichen Küste Chinas. Es gibt bisher keine Lösung für den teuren Transport.

Und wie verhält sich die Regierung?

Von Peking gibt es weder eine Planung noch Vorgaben, ob und wie viel Offshore-Windparks gebaut werden sollten. Die Zentren der chinesischen Offshore-Windparks sind Shanghai und die benachbarten Jiangsu- und Zhejiang-Provinzen. Die Jiangsu-Provinz allein plant bis zum Jahr 2020 Offshore-Windparks mit Kapazitäten von 7 Gigawatt bauen zu lassen. Das ist in etwa die Leistung von sechs großen Kernkraftwerken. Insgesamt wollen die Küstenprovinzen Chinas bis 2020 Kapazitäten von 32,8 Gigawatt im Offshore-Bereich errichtet haben.

Ist das die Chance für deutsche Windturbinenhersteller?

In der Tat. Offshore-Windparks sind besonders interessant für ausländische Anbieter, weil größere Turbinen gebraucht werden, die die chinesischen Hersteller noch nicht produzieren können. Auch die Stärke der ausländischen Produkte, die hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit, kommen hier voll zur Geltung. Denn im herkömmlichen Windpark kann jeder Betreiber ein paar Ingenieure für 200 Euro im Monat beschäftigen, die den ganzen Tag an den billigen und störungsanfälligen chinesischen Turbinen herumschrauben. Im Offshore-Bereich geht das nicht mehr. Hier braucht man wartungsfreie Turbinen, da jede Reparatur teuer und aufwändig sein wird.

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