
WirtschaftsWoche: Herr Villis, Sie wollen in Deutschland expandieren. Nun verlieren Sie den mehrheitlich staatlichen französischen Energiekonzern EdF als finanzstarken Großaktionär. Was heißt das für das künftige Wachstum von EnBW?
Villis: In den letzten Jahren haben wir unsere Position in Deutschland bereits ausgebaut, durch den Einstieg beim norddeutschen Regionalversorger EWE, den Erwerb zahlreicher Kraftwerke und den Bau des ersten kommerziellen Offshore-Windparks. An unserer grundsätzlichen Strategie, national und auch international zu wachsen, halten wir fest. In dem Umfang, wie wir es noch bis vor Kurzem vorgehabt haben, können wir jedoch nicht weitermachen. Dies liegt an den erheblichen Belastungen, die auf uns zukommen. Auch mit der EdF war die Investitionsfreude deshalb inzwischen schon etwas gebremst...
...doch nicht weil die Bundesregierung die Laufzeiten der vier Atommeiler von EnBW verlängert hat.
Unter dem Strich schon. Die Kernbrennstoffsteuer oder der sich durch die Laufzeitenverlängerung ergebene Zwang, erhebliche Vorauszahlungen an den staatlichen Fonds zur Förderung regenerativer Energien zu leisten, schränken die Möglichkeiten zu Investitionen ein und haben möglicherweise auch die EdF abgeschreckt, in Deutschland zu investieren.
Das sind keine erfreulichen Ausblicke für das kommende Jahr.
Das würde ich so nicht sehen. Wir nehmen die Herausforderungen an und werden sie meistern. Wir bauen die erneuerbaren Energien massiv aus, und Investitionen in neue Kraftwerke geben uns einen sehr positiven Ausblick in die Zukunft. Das sieht auch der Kapitalmarkt so. Da machen wir weiter, und das ist gut.
Warum ist EdF überhaupt ausgestiegen? Gab es Streit mit den anderen, den kommunalen EnBW-Eigentümern?
Diese Frage richtet sich an die Aktionäre, nicht an mich.
Sie gehören aber dem erweiterten EdF-Vorstand an, als einziger Deutscher.
Die Sache stellt sich für mich so dar: In den vergangenen Monaten wurde klar, dass EdF die EnBW noch mehr Richtung industrielle Partnerschaft bewegen wollte, einen noch engeren Schulterschluss suchte. Das ist letztendlich wohl nicht gelungen, weil unsere kommunalen Anteilseigner ganz klar signalisiert haben, dass sie lieber auf Augenhöhe, als gleichberechtigte Partner der EdF gegenübertreten wollen.
Was hätte das für eine industrielle Partnerschaft sein sollen, gegen die sich die Kommunen in Baden-Württemberg gewehrt haben?
Die EdF überlegte zum Beispiel die Handelsabteilungen von EdF und EnBW zu konzentrieren. Auch die Einkaufsabteilungen sollten enger zusammenarbeiten. Als Chef der EnBW darf ich aber keine Kernkompetenzen des Unternehmens aus der Hand geben. Dazu bin ich schlicht nicht befugt.
Kam die Entscheidung der Franzosen, bei EnBW auszusteigen, für Sie überraschend?
In der Sache und im Ergebnis nicht, zeitlich ja. Dass es noch vor Weihnachten passiert, damit hatte ich eher nicht gerechnet. Wir hatten und haben ja ganz hoffnungsvolle Großprojekte zusammen mit der EdF: zum Beispiel im Gasgeschäft, wo wir unter anderem einen gemeinsamen Gasspeicher in Norddeutschland entwickeln. Auch im Bereich der Kernkraft pflegen EnBW und EdF einen engen Know-how- und Wissensaustausch.
Ist es damit nun vorbei?
Partnerschaften sind doch nicht von Aktienanteilen abhängig. Nach meiner Überzeugung können wir industrieller Partner sein, ohne dass EdF Investor bei uns ist. Auch in Zukunft werden hier und da industrielle Kooperationen mit den französischen Freunden möglich und aus meiner Sicht auch sinnvoll sein. Wir blicken gemeinsam auf eine zehnjährige Partnerschaft mit den Franzosen zurück.Warum soll nun eigentlich von heute auf morgen alles zu Ende sein?
Wie wird die Trennung vonstatten gehen?
Ich werde voraussichtlich im Januar aus dem EdF-Executive-Board ausscheiden. Die anderen Sachen werden wir in den kommenden Tagen besprechen.
Mit Christian Buchel hat EdF einen Manager bei Ihnen, der noch ein ganzes Jahr Einblick in die interne Planung von EnBW hat. Haben Sie nun einen Konkurrenten direkt im eigenen Haus?
Mein Kollege Buchel ist kein EdF-Mann, er ist EnBW-Vorstand, und ich habe keine Zweifel, dass er als EnBW-Vorstand völlig loyal zum Unternehmen steht. Die Zeiten, in denen eine Staatsangehörigkeit oder der Geburtsort Zugehörigkeiten definiert, sollten in einem gemeinsamen und aufgeklärten Europa endgültig vorbei sein. Davon abgesehen, haben Sie aber recht, in Zukunft wird es auch ein Konkurrenzverhältnis zur EdF geben.