
Er sprach stets leise und trat mit der Gewissheit eines Heiligen auf: Lars Göran Josefsson, Noch-Chef des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, konnte so defensiv wirken wie ein Kräutertee trinkender Atomkraftwerksgegner aus dem Wendland bei Gorleben.
Doch er ist das Gegenteil. Ein nüchterner Physiker, der seine beruflichen Sporen in der Rüstungsindustrie verdient hat. Jetzt ist der 59-jährige Schwede, der ein Patent über ein speziell von ihm entwickelte Radartechnik verfügt, bei der schwedischen Regierung in Ungnade gefallen. Die Gesamtstrategie passt nicht mehr zu den Vorstellungen der schwedischen Wirtschaftsministerin Maud Olofsson. Und so gab heute der Energiekonzern bekannt, in den kommenden Wochen einen neuen Konzernchef zu präsentieren.
Vattenfall (schwedisch für Wasserfall) hatte sich Ende der neunziger Jahre in die deutsche Energiewirtschaft eingekauft, seit 1997 ist der fließend deutsch sprechende Josefsson Vorstandschef. Fast die gesamte frühere DDR-Energiewirtschaft mit ihren ausgedehnten Braunkohlefeldern fiel an die Schweden. Auch die Stadtwerke von Berlin (Bewag) und Hamburg (HEW) kaufte Vattenfall. Damit waren die Schweden in Deutschland auf einen Schlag der drittgrößte Energiekonzern - nach E.On und RWE und noch vor der baden-württembergischen EnBW.
Vattenfall betrieb mit diesen Zukäufen auch zwei Atomkraftwerke: Brunsbüttel und Krümmel. Die beiden Meiler, besonders Krümmel bei Hamburg, gerieten immer wieder in Schussfeld der öffentlichen Kritik, als Störfälle mit zum Teil spektulären Rauchentwicklungen bekannt wurden. Als der Trafo in Krümmel brannte und nach monatelanger Abschaltung des Reaktors wiederum fehlerhafte Brennelemente in Krümmel vorgefunden wurden, zweifelten nicht nur atomkritische Geister an der Zuverlässigkeit des Vattenfall-Managements. Auch E.On-Chef Wulf Bernotat, E.On hält Anteile an Krümmel, forderte Vattenfall zur Abgabe seiner Betreiberlizenz für Kernkraftwerke in Deutschland auf. Das hatte es zuvor noch nie gegeben.
Die Probleme mit den deutschen Meilern sind beileibe nicht der einzige Grund für die Ablösung Josefssons. Auch Zwischenfälle in den schwedischen Atommeilern, zum Beispiel in Ringhals, haben die schwedische Politik aufgerüttelt. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Sicherheitsmanagement bei Vattenfall. War Josefsson am Ende zu selbstgewiss? Haben bei dem Radaringenieur sämtliche Frühwarnsysteme ausgesetzt?
Insgesamt wirft die schwedische Politik, der Staat hält Vattenfall zu hundert Prozent, der Vattenfall-Strategie zu einseitige Konzentration auf Kernkraft- und Braunkohlekraftwerke vor. Erneuerbare Energien sind demnach bei Vattenfall zu kurz gekommen. Auch der anstehende Verkauf des Vattenfall-Stromnetzes, ganz ohne Not - bei E.On zwang eine EU-Entscheidung zur Abgabe an Tennet - hat in Schweden für Verwunderung gesorgt. Das deutsche Netz ist schwedisches Staatsvermögen. Das will man nicht, so wie Josefsson es tat, mal eben an ein Konsortium rund um Allianz und Deutsche Bank verscherbeln. Gut möglich, dass der Deal nach der Demission von Josefsson wieder abgesagt wird und Vattenfall den Weg von RWE geht, das die Netzgesellschaft Amprion im eigenen Reich hält.