Energiewende Deutschlands Solarbranche stürzt ab

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Eine Photovoltaikanlage Quelle: dpa

Für die Gemeinde Schipkau mit ihren 7200 Einwohner verteilt auf sechs Dörfer – Meuro ist das zweitkleinste mit 750 Bewohnern –, sind die Einnahmen aus den Solarparks überlebenswichtig. Vor der Wende lebten hier noch über 10 000 Menschen, malochten im Braunkohletagebau. Doch die meisten Gruben sind stillgelegt, die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 15 Prozent. Größter Arbeitgeber ist ein Seniorenstift. Neue Jobs bringen die Sonnenparks zwar kaum, spülen aber Gewerbesteuer in die Gemeindekassen.

150 Jahre lang wurde in der Lausitz Braunkohle abgebaut, in den vergangenen Jahrzehnten fraßen Tagebaubagger Krater in die Landschaft. Einst hatte dort auch Klaus Prietzel geschuftet, als Schlosser. Heute ist der braun gebrannte 44-Jährige Bürgermeister der Gemeinde Schipkau – und ein Fan der Sonnenenergie. Das Dach des Carports vor dem Gemeindeamt hat er mit Solarmodulen pflastern lassen, ebenso Dächer von Kitas und Grundschulen.

Schipkau ist eines von vielen Beispielen für die Energiewende im Osten. Grund für den Boom: Länder wie Brandenburg haben viel Platz. Es ist das flächenreichste Land im Osten und außerhalb der Städte dünn besiedelt. Nur wenige Menschen stören sich hier an Wind- und Solarparks. Und es gibt neben den Abraumhalden sehr viele ehemalige Militärgelände mit Truppenübungsplätzen, Flughäfen oder Munitionsdepots. Diese unzerstückelten Areale wurden teilweise für symbolische Preise verkauft oder verpachtet und bieten Investoren aufgrund der Größe Kostenvorteile.

So schön das alles klingt – einen Haken hat die Sache womöglich. Wo Solarstrom anfällt, muss er auch abtransportiert werden. Nach dem EEG sind die Versorger verpflichtet, den aus Sonne, Wind oder Biomasse erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen. Dazu ist in der Regel ein kostspieliger Netzausbau nötig, der sich auf die Strompreise niederschlagen könnte.

In Meuro gebe es die Probleme nicht, sagt Martin Konzag, Bauamtsleiter der Gemeinde Schipkau. "Unser regionaler Energieversorger stöhnt zwar, aber noch gibt es keine Engpässe." Zwei von vier Sektoren des Solarparks sind bereits fertig und seit Mitte Juli am Netz. Schließlich sei in Meuro vor dem Fall der Mauer der Strom für die ganze ehemalige DDR produziert worden. "Wir haben hier ziemlich überdimensionierte Leitungen", sagt Konzag.

Gemeindekassen klingeln

Stefan Buscher, Manager beim zuständigen Netzbetreiber Envia Netz, bestätigt: "Es gibt kein Ableitungsproblem in Meuro." Für den ostdeutschen Netzspezialisten gehören Anschlüsse für Solar- und Windparks zum Alltag. Dennoch muss auch in Brandenburg das Netz generell kräftig nachgebessert werden. Envia Netz mit Sitz in Halle steckt 2011 rund 22 Millionen Euro allein in die Modernisierung im Landkreis Oberspreewald-Lausitz. Insgesamt 375 Millionen Euro investiert die 100-prozentige Tochter des Versorgers Envia Mitteldeutsche Energie, der wiederum mehrheitlich der Essener RWE gehört. Der fällige Netzausbau und seine Finanzierung könnten sogar zum Killer-Faktor für erneuerbare Energien werden. Das gilt vielleicht nicht in Meuro, aber in anderen Städten und Gemeinden wie Prenzlau.

Die Kleinstadt in der Uckermark will ihre Energieversorgung bis 2020 auf erneuerbare Quellen und heimische Energieträger umstellen. Doch dafür reichen die Netze in der Region nicht aus. Die Kosten des Ausbaus werden jedoch nur dort auf die Strompreise umgewälzt, wo er stattfindet. Die Bewohner werden de facto für die Vorreiterrolle bei der Energiewende bestraft.

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