Ermittlungen wegen Vertriebskartell Deutsche Telekom unter Verdacht

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Bis 2008, so die vom Vorstand abgesegnete Vertriebsoffensive, soll das magentafarbene T alle Einkaufsstraßen und Shoppingcenter erobern. 1000 T-Punkte, 1000 neue Fachhändler – sogenannte T-Partner – und 1000 zusätzliche Verkaufsstellen in Kooperation mit anderen Distributoren sollen dafür sorgen, dass kein Kunde mehr an der Telekom vorbeikommt.

Für Obermann ist dies die Erfüllung eines Traums. Omnipräsenz auf der Straße – das bringe Kunden und Marktanteile, erklärt er mehrfach auf internen Sitzungen. „Jeder Kunde muss einen Telekom-Shop in wenigen Minuten erreichen können.“

Der Plan enthält jedoch eine große Unbekannte. Hält Debitel, mit 13 Millionen Kunden der größte netzunabhängige Mobilfunkdienstleister und damit auch einer der größten T-Mobile-Konkurrenten, an seiner Neutralität fest, bleibt die Verkaufsoffensive der Telekom auf halber Strecke stecken.

Debitel beliefert für den Massenvertrieb so wichtige Absatzkanäle wie die Elektronik-Großhändler Saturn und Media Markt sowie die Warenhäuser Kaufhof und Karstadt. Mehrmals klopft der Obermann-Vertraute Humm bei der Media-Saturn-Holding an, um mit den Vorständen über ein Vertriebsbündnis mit der Telekom zu diskutieren. Doch die lassen ihn abblitzen.

Wegbereiter für Fusion

Umso beherzter greift die Telekom zu, als sich eine andere Chance eröffnet. Debitel will den vor allem in Ostdeutschland starken Shop-Filialisten dug übernehmen – und braucht dafür die Zustimmung des Ex-Monopolisten. Entsprechende Klauseln hatte die Telekom in die Verträge mit dug aufgenommen. Die Telekom hatte den dug-Gründern Lars Dittrich und Alexander Grella Zuschüsse in Höhe von 55.000 Euro pro Shop gezahlt, damit sie innerhalb weniger Jahre den größten Handyfilialisten zwischen der Ostsee und dem Erzgebirge aufbauen. Ostdeutschland war fest in der Hand von Vodafone, da wollten Obermann, Höttges und Humm mit dug ein Gegengewicht schaffen.

Für Obermann steht viel auf dem Spiel. Geht dug an Debitel, verliert er auch die Kontrolle über 400 Shops, die bisher überwiegend Telekom-Produkte verkaufen. In diesem Fall hätte die Telekom ein vertraglich zugesichertes Veto-Recht gezogen. Doch dies ist nicht nötig. Debitel knüpft die Übernahme von dug an die Zusage, auch in ihren anderen Shops und Vertriebskanälen künftig stärker die Original-Angebote der Telekom zu verkaufen.

Mit der Übernahme von dug bekommt Debitel eine Doppelrolle, die die Telekom im Laufe des Jahres 2007 immer stärker ausnutzt. Einerseits bleibt Debitel einer der größten Konkurrenten, der zu Großhandelskonditionen bei der Telekom einkauft und daraus eigene Angebote schnürt und unter der Marke debitel verkauft. Zugleich steigt Debitel mit den dug-Filialen auch zu einem der größten Vertriebspartner der Telekom auf, der deren Original-Angebote auch in seinen Shops verkauft.

Durch Werbekostenzuschüsse, Akquisitionsprämien und Bonus-Zahlungen für das Erreichen vorher festgelegter Absatzziele bestimmt nun die Telekom, welche Produkte Debitel den Kunden zuerst anbietet und welche erst bei mehrmaligen Nachfragen auf den Ladentisch kommen.

Gedrehte Kunden

Bei den Konkurrenten bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen. Regelmäßig schickt Vodafone Testkäufer in die dug-Shops – und die kommen jedes Mal mit der gleichen Botschaft zurück: „Die Kunden werden gedreht“, melden die Mitarbeiter. Soll heißen: Auch wer mit der festen Absicht, einen Vodafone-Vertrag abschließen zu wollen, einen dug-Shop betrat, ging später als T-Mobile-Kunde wieder heraus. „Eigentlich waren die dug-Shops verkappte Filialen der Telekom“, sagt ein Insider, der für dug und die Deutsche Telekom arbeitete.

Aus der Liaison wird eine harmonische Dreiecksbeziehung, die alle Beteiligten glücklich macht. Die Telekom kann einen wichtigen Vertriebskanal unter ihre Kontrolle bringen. Die angeschlagene Debitel findet mithilfe der üppigen Provisionen für die stark steigenden Telekom-Abschlüsse auf einen kaum noch für möglich gehaltenen Wachstumspfad zurück. Und der Finanzinvestor Permira, Mehrheitseigner von Debitel, kann seine Braut zum profitablen Verkauf herausputzen.

Mehrmals trifft sich in dieser Zeit T-Mobile-Chef Humm mit Permira-Partnern – darunter auch Thomas Jetter. Die beiden tauschen auch unter vier Augen Ideen aus, die von Vorteil für beide Seiten sind. In den Gesprächen deuten Permira-Manager mehrmals an, dass sie Debitel-Anteile bereits 2008 abstoßen wollen. Um die erhofften Verkaufserlöse in Höhe von rund 500 Millionen Euro erzielen zu können, muss Debitel also bereits 2007 in die schwarzen Zahlen zurückkehren.

Der Kraftakt kann nur gelingen, wenn die Telekom mit Debitel noch enger zusammenrückt und Debitel ein hervorragendes Schlussquartal vorlegt. Mit ihren Pendants bei Debitel fixiert die Telekom deshalb am 25. Oktober die Details einer überaus einträglichen Jahresendrallye. Die „konsolidierte Sichtweise unserer Gespräche“ schreibt ein T-Mobile-Manager am 1. November 2007 in einer E-Mail an seinen Kollegen bei Debitel: „Die Deutsche Telekom ist bereit, im Sinne unserer strategischen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dug/Debitel Sie im Jahresendgeschäft 2007 zu unterstützen.“

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