Erwin Müller Der König der Drugstores

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Kaum ist er zurück aus Amerika, brennt im August 1969 das Karlsruher Wertkauf-Zentrum ab. Auch Müller-Interieur wird vernichtet. Die Bank kündigt Erwin Müller sämtliche mittel- und langfristigen Geschäftskredite. Müller steht vor der Insolvenz – und entwickelt in jenen Tagen offenbar seine Abneigung gegen jegliche Arten von Bankdarlehen. Er verabschiedet sich aus dem Friseurgeschäft, um künftig auf größere Drogeriemärkte zu setzen. Erste Filialen stattet er in den siebziger Jahren mit Handarbeits- und Schallplattenabteilungen aus. Müller wächst stetig. Als er 1984 in Aschaffenburg und Villingen die ersten Kleinkaufhäuser eröffnet, nennen ihn Medien schon „vielfachen Umsatzmillionär“. Müller selbst beschreibt seinen Werdegang im Internet – in aller Bescheidenheit – als „die schwäbische Variante der typischen Erfolgsstory amerikanischen Zuschnitts“. Heute präsentieren sich viele Müller-Filialen in der Anmutung hochwertiger Boutiquen. Glasvitrinen statt Regal-Irrgärten, gut ausgeleuchtet und mit einem breiten, vor allem im Parfümeriebereich mitunter edlen Angebot. Genau so wie sich die Berater von McKinsey den Drogisten der Zukunft im Verdrängungswettbewerb der Branche vorstellen: Verkaufsflächen von bis zu 4 000 Quadratmetern je Filiale, in denen gut geschultes Fachpersonal die Kundschaft berät, noch dazu in 1a-Innenstadtlagen – wie etwa in Reutlingen, 30 Kilometer südlich von Stuttgart. Dort ist Müller nicht nur mit einer Filiale präsent, sondern er hat sich gleich auch als Bauherr verewigt und der Kleinstadt inmitten der properen Fußgängerzone eine gläserne Einkaufsgalerie geschenkt, die seinen Namen trägt. Als Mieter leisten Benetton und Esprit ihren Obulus, im Untergeschoss lockt ein auch in Schwaben neudeutsch genannter „Foodcourt“ hungrige Kunden. Im Moment sieht es so aus, als folge Müllers Expansion vor allem guten Gelegenheiten auf dem Immobilienmarkt. „Kann er ein interessantes Grundstück oder Objekt bekommen, greift er zu, geht neuerdings auch als Bauherr ins Risiko, und das unabhängig davon, ob die Erschließung der betreffenden Region zu seinen vordringlichen Zielen gehört“, sagt ein Firmenkenner. Erwin Müller hat noch lange nicht genug. Sein Plan: Mit seinen hochwertigen Geschäften setzt er sich wirksam gegen Wettbewerber wie Schlecker ab, der nach wie vor neue, oft düster wirkende Filialen fernab aller Fußgängerzonen eröffnet. Und dann ist da die enorme Auswahl. Erwin Müllers Sortiment umfasst rund 170 000 Artikel – mehr als doppelt so viele wie bei der Konkurrenz. So spricht er auch Kunden an, die sonst womöglich in den ebenfalls sehr ansehnlichen DM-Filialen einkaufen würden oder beim Fachhändler um die Ecke. Die Geschäftspartner sind vom Konzept derart überzeugt, dass die Musikindustrie Müller 2004 mit dem „Echo“ auszeichnete für den besten Handelspartner der Branche.

Lesen Sie weiter auf Seite 5: Berüchtigte morgendliche Besprechungen

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