Esprit-Chef Heinz Krogner im Interview "Das ist ein Haufen Holz"

Heinz Krogner, starker Mann der Modemarke Esprit, über gebremste Expansionspläne, den Umbau der Konzernspitze und den Fehler, Pullis in 20 Farben zu produzieren.

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Die Esprit-Chefs Heinz Krogner Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Krogner, lange hat man wenig von Esprit gehört, jetzt sorgen Sie für reichlich Wirbel: Erst kündigt Ihr Markenchef Thomas Grote, der eine Zeit lang als Ihr Kronprinz und Nachfolger galt, jetzt ziehen Sie sich als Vorstandschef zurück – steckt Esprit in der Krise?

Krogner: Den Plan, mich als Vorstandsvorsitzender zurückzuziehen, hatte ich schon lange, ich hatte mich auch schon zu einem großen Teil aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Klar ist aber auch: Esprit steckt nicht in einer bedrohlichen Situation. Zwischen aktuell 15 oder 17 Prozent Gewinn nach Steuern, die wir in der Vergangenheit stets erzielt haben, und einem Verlust liegen Welten. Erst wenn unser Umsatz um mehr als 35 Prozent sänke, würde es kritisch. Aber davon sind wir meilenweit entfernt. Viele Aktionäre anderer Häuser wären dankbar, wenn ich ihnen zehn Prozent Rendite abliefern würde. Das interessiert mich aber nicht. Mich interessiert nur, dass ich von dieser Größenordnung so wenig wie nötig abweichen will. Unsere Benchmark ist die eigene Vergangenheit.

Sie wollen trotz der weltweiten Krise weiter zweistellige Renditen erreichen?

Ja klar, wir dürfen nicht einstellig werden – das ist doch eine Frage der inneren Einstellung. Eine Firma muss auf Kurs bleiben, denn nur starke Firmen haben starke Mitarbeiter. Schwächelt ein Unternehmen, sind die guten Mitarbeiter weg, und die schwächeren fühlen sich wohl. Das können wir uns nicht erlauben.

Trotzdem bekommt auch Esprit die Krise zu spüren – sinkt nach dem Gewinn im ersten Halbjahr jetzt auch der Umsatz?

Ja, die Krise macht sich bei uns mindestens auf zwei Seiten bemerkbar: Wir arbeiten beim Verkauf ja zum einen mit Partnern zusammen, die im Franchisesystem eigene Shops betreiben. Bislang haben wir jedes Jahr im Schnitt an jedem Arbeitstag einen solchen Laden aufgemacht, 250 Geschäfte, alle zwischen 300 und 1000 Quadratmeter groß. In kleineren Städten machen wir das mit Partnern, in großen wie in Paris auf den Champs-Élysées machen wir das selber.

In dem Tempo können Sie nicht weitermachen?

Nein, in diesem Jahr machen wir nur noch 170 Läden auf, weil die Franchisenehmer keine Finanzierung von den Banken bekommen. Das heißt, 80 geplante Neueröffnungen fallen aus – das ist ein Haufen Holz. Und nach vorn raus wird es noch dünner, weil die Partner, die eigentlich Schlange stehen, um mit uns zusammenzuarbeiten, kein Geld von der Bank bekommen.

Und die zweite Seite?

Der zweite Punkt ist, dass wir die Krise auch bei unserem zweiten Vertriebskanal, den Warenhäusern, spüren. Die meisten Einzelhändler haben Probleme, ihre Warenbestellungen von den Banken finanziert zu bekommen. Hinzu kommt, dass auch die Kreditversicherer bei den Limits radikal kürzen. Einer unserer größten Kunden in Europa hatte ein Limit von zehn Millionen Euro – jetzt hat er noch drei Millionen. Als Lieferant muss ich mir Sorgen machen, dass er die Ware nicht bezahlen kann. Also liefere ich nicht.

Unterm Strich sinkt also bei Esprit neben dem Einzelhandels- auch der Großhandelsumsatz?

Ja, das ist durchaus möglich. Dabei können wir den Händlern nicht einmal böse sein. Solange sie Ware auf Lager haben, haben sie ja noch Lebenskraft. Aber wenn die Bestände verkauft sind, haben sie nichts mehr. Deshalb wird der Tag des Umschwungs kommen, an dem sie wieder beginnen zu bestellen. Aber das dauert noch. Dagegen kann man nichts machen, das müssen wir aussitzen.

Aber Sie machen doch zwölf Kollektionen im Jahr, die Mode ändert sich. Zwingt das Händler denn nicht förmlich dazu, aktuelle Ware nachzubestellen?

Ja, es wird ja auch verkauft, wenn auch nicht auf hohem Niveau. Und viele Teile kann der Händler aus seinem eigenen Lager auffüllen, ehe er neue Ware bestellt. Die Leute kaufen wegen der Krise weniger, da haben Sie schnell zehn Prozent weniger Umsatz.

Bieten Sie den Kunden vielleicht schlicht die falschen Produkte?

Das ist ein weiterer wichtiger Punkt: Die Kunden werden fast erschlagen von der Auswahl – das ist viel zu viel, das überfordert die meisten. Die Kollektionen sind zu breit geworden. Dabei ist das gar nicht nötig. Wenn Sie heute zehn Frauen der gleichen Zielgruppe 20 Pullover hinlegen, mit der Bitte, sich unabhängig voneinander die fünf schönsten herauszusuchen, dann haben Sie am Schluss garantiert 70 Prozent Übereinstimmung.

Weniger Auswahl ist besser?

Ja, und das gilt auch für die Entwürfe. Wir reduzieren deshalb die Kollektionen. Das gibt mehr Klarheit und führt gleichzeitig dazu, dass die einzelnen Aufträge an unsere Zulieferer natürlich größer werden und wir pro Stück weniger dafür zahlen. Was wir hier sparen, geben wir dann bei den Einstiegspreisen an unsere Kunden weiter – die Qualität wird gesteigert bei gleichbleibenden Preisen. Die Devise heißt deshalb: Weg mit der Ware, die sich langsam verkauft, wir wollen richtige Straßenfeger, sprich: Blockbuster. Natürlich machen wir deshalb keinen Einheitsbrei, wir bieten weiter verschiedene Stile, aber eben nicht mehr so viele Varianten.

Damit steigt aber auch Ihr Flop-Risiko?

Wenn ich einen Flop nicht von einem Hit unterscheiden kann, sollte ich besser meinen Job drangeben und die Branche wechseln. Und außerdem: Für irgendwas bezahlen wir ja auch unsere Mitarbeiter.

Esprit ist jahrelang gewachsen, Sie haben den Umsatz innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt, den Gewinn mehr als verdreifacht, jetzt sinkt erstmals der Gewinn – hat der Erfolg Esprit träge gemacht?

Ja, als wir 2003 hier in dieses Gebäude in Ratingen eingezogen sind, hatten wir 650 Mitarbeiter. Heute haben wir 1100 – warum eigentlich? Wir sind zwar gewachsen, aber wir haben nichts hinzuaddiert, wir haben nur unsere Stückzahlen erhöht. Das ist bei uns nicht anders als in anderen Unternehmen – erst wird ein Problem erkannt, und statt es zu lösen, wird ein Mitarbeiter eingestellt, der das Problem besser verwaltet. Und der braucht noch eine Sekretärin und die eine Assistentin und die einen Fahrer.

Feuern Sie jetzt die Fahrer?

Nein, wir haben jetzt erst einmal beschlossen, von Ausnahmen abgesehen, keine weiteren Leute einzustellen. Gleichzeitig stellen wir unsere generelle Expansionsstrategie infrage.

Ziehen Sie sich aus Ländern zurück?

Es gibt sicher Länder wie zum Beispiel Portugal, in denen wir Läden haben, die keinen Sinn ergeben. Zähle ich alles zusammen, komme ich auf fünf bis sieben Länder, aus denen wir rausgehen können, ohne Esprit zu schaden.

Wie soll das gehen?

Mit wenigen Läden erreicht man in einem Land keine Relevanz – dazu müsste man so sensationell preiswert sein, dass alle Kunden dort hinpilgern. Wir haben allerdings ein anderes Prinzip, das der Verlässlichkeit, der Qualität, wir legen es nicht darauf an, eine Preis-Sensation zu kreieren, wenn wir irgendwo hingehen. Damit unterscheiden wir uns von unseren Wettbewerbern. Wir setzen auf langfristige Partnerschaften.

Verabschieden Sie sich mit diesen Plänen nicht von Wachstum?

Nein, wir müssen unser Wachstum künftig in den großen, etablierten sowie in neuen Märkten holen, die wir vom kommenden Jahr an viel intensiver bearbeiten werden. Wir wollen uns mindestens zwei Märkte sehr genau vornehmen. Hier denken wir zum Beispiel an England, weil wir dort schon recht weit sind. Andererseits steckt das Land tief in der Krise. In der Diskussion sind noch Spanien und Italien und in Übersee Kanada oder die USA.

Wann wird Ihre neue Strategie in den Läden sichtbar sein?

So etwas dauert erfahrungsgemäß neun Monate. Ich bin jetzt seit Oktober wieder im Tagesgeschäft – im Herbst sehen Sie das neue Esprit.

Warum sind Sie nach Ihrem schrittweisen Rückzug in den vergangenen anderthalb Jahren jetzt überhaupt wieder zurückgekehrt?

Als die Krise spürbar wurde und die Händler nicht mehr so orderten, haben wir gesagt: Esprit braucht das alte Talent noch einmal, zumindest für eine bestimmte Zeit. Thomas Grote, der Präsident der Marke Esprit, ist sehr gut im Vertrieb. Deshalb hatten wir uns geeinigt, dass ich mich in dieser kritischen Zeit wieder um die Ware kümmere und er den Vertrieb führt. Vorher hat er beides gemacht, und das war in dieser kritischen Phase schlicht zu viel.

Und warum geht Grote jetzt – weil er nun doch nicht Ihr Nachfolger als Vorstandschef wird?

Dazu und zu den persönlichen Beweggründen von Thomas Grote kann ich Ihnen nichts sagen, da müssten Sie ihn schon selber fragen. Aber die aktuelle Größe und das kontinuierliche Wachstum von Esprit erfordern einfach eine neue Managementstruktur. Hierbei steht für mich der langfristige Erfolg des Unternehmens im Mittelpunkt.

Sie haben jetzt das Drehbuch für die kommenden Monate aufgestellt und wollen in Kürze Ihren Nachfolger als Vorstandsvorsitzenden bekannt geben – der setzt diese Strategie dann um?

Zum 1. Juli 2009 wird ein neuer CEO die Führung der Gruppe übernehmen, mit dem Schwerpunkt auf die Marke Esprit, zeitgleich trete ich dann von meiner Rolle als CEO zurück. Anschließend werde ich die Rolle des Executive Chairman einnehmen, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen. Im Anschluss daran werde ich als Chairman weiter die Geschicke des Unternehmens mitlenken.

Was haben Sie vor?

Aus Esprit soll eine Holding mit mehreren Marken unter einem Dach werden, das haben wir im Aufsichtsrat so entschieden.

Wen wollen Sie hinzukaufen – welche Marken haben Sie im Sinn?

Marken, die schlafen, die noch nicht so groß sind und bei denen kein Eigentümer im Haus ist, der das letzte Wort haben will. Eins ist klar: Eine sehr gut laufende Firma hinzuzukaufen ergibt keinen Sinn. Was wir kaufen, muss riesiges Entwicklungspotenzial haben.

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