
WirtschaftsWoche: Herr Paulsen, mit auf Hochglanz polierten Compliance-Programmen erwecken deutsche Konzerne den Anschein, korruptionsfreie Zonen zu sein. Gleichzeitig feiern sie Erfolge in Ländern wie Russland, das auf einem sehr schlechten 154. Platz im Korruptionsranking von Transparency International steht. Sehen Sie den Widerspruch?
Paulsen: Ja, den Widerspruch nehme ich wahr.
Können Sie ihn auflösen?
Teilweise. Man muss differenzieren: Erstens sind unterschiedliche Branchen auch unterschiedlich anfällig. Zweitens ist es auch in Ländern mit schwieriger Rechtskultur durchaus möglich, einen korrekten Weg zu gehen: Man muss nur pfiffig und phantasievoll sein und durch die Qualität und Besonderheit von Produkten und Leistungen überzeugen. Das geht durchaus, wie der Fall Siemens zeigt: Der Konzern hat nach den bekannten Vorfällen sein Verhalten grundsätzlich geändert, und ich habe nicht gehört, dass Siemens dadurch jetzt weniger Umsatz macht.
Der Unternehmer Eginhard Vietz nennt den Kampf gegen Schmiergeld „reine Heuchelei“. In vielen Ländern könne man keine sauberen Geschäfte machen.
Vielleicht hat Herr Vietz damit über sein Unternehmen die Wahrheit gesagt. Aber so stimmt das nicht. Wenn man konsequent ist, kommt man an Korruption vorbei – auch in Russland.
Wie?
Zum einen ist eine konsequente Antikorruptionspolitik im Unternehmen nötig. Die Mitarbeiter benötigen klare Leitlinien, an denen sie sich orientieren können und die ihnen – ohne dass Nachteile damit verbunden sind – erlauben, Geschäfte abzulehnen, die nur durch Korruption erreichbar sind. Außerdem können sich Unternehmen mit ihren Wettbewerbern und Geschäftspartnern über Vorgehensweisen verständigen und so Inseln der Integrität bilden. Es gibt auch in Russland solche Initiativen.
Bei welchen Ländern werden Sie vorsichtig, wenn Hochtief Aufträge akquiriert?
Wir sind in den Ländern, die im Korruptions-Index von Transparency International in der unteren Hälfte rangieren, noch vorsichtiger als üblich. Ein Auftrag etwa aus den Niederlanden wird auf mögliche korruptive Praktiken anders untersucht als einer aus Rumänien. Wir unterscheiden aber auch nach der Art der Nachunternehmer: Auftragsvergaben an Berater werden beispielsweise grundsätzlich genauer „gescreent“. So darf eine Vereinbarung mit einem Berater nur unter Zuziehung der Rechtsabteilung abgeschlossen werden.
Wie oft führen Ihre Prüfungen zu einem Stopp von Geschäftsabschlüssen?
Die Fälle, in denen wir ein Veto einlegen, sind in den letzten Jahren weniger geworden. Aber es gibt sie nach wie vor.