Fachtagung Warum das Wasserstoffauto das Klima nicht rettet

2015 werden die ersten Autos mit Brennstoffzellenantrieb in Serie gehen, verkündete Daimler auf der Welt-Wasserstoffkonferenz optimistisch. Lange galt das Element als der Energiespender für morgen, weil es sich emissionsfrei verbrennen oder in elektrischen Strom umwandeln lässt. Doch Experten sind skeptisch: Wie zukunftsträchtig ist das Wasserstoffauto wirklich?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mercedes-B-Klasse mit Wasserstoffantrieb:

DÜSSELDORF. F-Cell - das klingt verheißungsvoll. Die Abkürzung steht für fuel cell, englisch für Brennstoffzelle. Darin kommt es zwischen dem getankten Wasserstoff und dem Sauerstoff der angesaugten Luft zu einer chemischen Reaktion. Das Ergebnis: Strom für den Elektromotor. Als Abgas entsteht emissionsfreier Wasserdampf. Das Tanken dauert nur drei Minuten und reicht für knapp 400 Kilometer.

So weit, so verheißungsvoll.

Millionen wurden in den letzen Jahren in die Forschung und Entwicklung der wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen investiert, offensichtlich mit Erfolg. "Es ist keine Frage mehr, ob die Brennstoffzelle eine tragfähige Alternative zum Verbrennungsmotor wird, sondern nur noch wann", sagte Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, zum Auftakt der Weltwasserstoffkonferenz in Essen: "Die Technologie ist bereits marktreif."

Nach Zetsches Angaben kann das Auto mit emissionsfreiem Antrieb bereits ab 2015 in Großserie gehen. Derzeit bietet zum Beispiel Daimler die B-Klasse in einer Kleinserie auf Leasingbasis mit dieser Technik an. Daimler werde in den nächsten Jahren versuchen, den Preis in der Großserie auf den von bisherigen Hybridfahrzeugen zu bringen, sagte Entwicklungsmanager Christian Mohrdieck. In Hamburg beispielweise sind wasserstoffbetriebene Linienbusse bereits im Einsatz.

Automobilexperte Stefan Bratzel hat bei so viel Optimismus allerdings seine Zweifel: "Das ist eine Sache der Prioritätensetzung. Die großen Autobauer investieren in die Forschung von Elektro- und Hybridautos. Das ist nicht nur wesentlich kostengünstiger als Wasserstoffautos, aber es wird auch der Trend der nächsten Jahre sein."

Nach dreißigjähriger Forschung am Wasserstoffauto ist BMW Ende 2009 ausgestiegen, es wurde dem Autobauern zu teuer. "Nur wenn der wasserstoffbetriebene Motor kostengünstig dem Dieselmotor vergleichbar ist, lohnt sich der finanzielle Aufwand", so Bratzel. Doch von dem Ziel sei man noch entfernt.

Denn eine wichtige Hürde bei der Markteinführung ist das teure Platin: In jeder Brennstoffzelle stecken gut 60 Gramm des teuren Edelmetalls. Das entspricht circa 3000 Euro pro Zelle. "Die größte Herausforderung ist es, ein Substitut für das teure Platin zu finden", so Experte Bratzel. Daimler forscht gerade daran, den Platinanteil in den Zellen zu senken. Das ist auch nötig, denn würden alle Autos und Lkw mit Brennstoffzellen heutiger Bauart ausgerüstet, wären sämtliche Platinressourcen, die noch im Boden schlummern, mit einem Mal aufgebraucht.

Nicht nur Autoexperten, auch Umweltverbände sehen die Einführung des Wasserstoffautos skeptisch. "Es wird so getan, als lösten Wasserstoffautos das Klimaproblem. Das ist aber nicht so", sagt Wolfgang Lohbeck von Greenpeace. Vielmehr sei der Wasserstoff "ein Placebo für die Umwelt", da die Energie um den Wasserstoff zu erzeugen unverhältnismäßig groß sei.

Zumeist wird Wasserstoff aus Erdgas gewonnen: Bei hoher Temperatur und hohem Druck wird in einem speziellen Verfahren Wasserstoff, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid aufgespalten. Dem Klima sei so nicht geholfen, so Lohbeck. Denn das CO2, das bei der Verbrennung des Wasserstoffs eingespart werde, entstehe dabei bei der Herstellung des Wasserstoffs.

"Die Wasserstoff-Technologie ist nicht, wie oft behauptet wird, nachhaltig, die Energiebilanz ist miserabel", so Lohbeck. Selbst wenn das kohlenstofffreie Gas per Elektrolyse aus Offshore-Windanlagen erzeugt werde, sei es fraglich, warum die saubere Energie nicht direkt dafür verwendet wird, Elektroautos anzutreiben.

Ein weiteres Problem: die fehlende Tankstellen-Infrastruktur. In Ballungszentren wie Berlin gibt es schon Tankstellen, an denen man Wasserstoff zapfen kann. Doch das sind Ausnahmen, und reine Wasserstoff-Tankstellen noch ferne Zukunftsmusik. An der Tankstelle der Zukunft könne man neben herkömmlichen Benzin und Diesel auch Wasserstoff tanken oder sein Elektroauto aufladen, so Hans-Christian Gützkow, Geschäftsführer der TOTAL Deutschland GmbH.

Doch ob es soweit kommt, ist mehr als fraglich. "Die Autobauer sehen in den Elektroautos die Zukunft. Da fließen die meisten Forschungsgelder hin", so Autoexperte Bratzel. Doch von der Vision des Wasserstoffzeitalters wird man sich so schnell nicht verabschieden. Immerhin hat allein Daimler seit 1994 in die Entwicklung des Wasserstoffautos rund eine Mrd. Euro investiert.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%