"Fehler im System" Wut über Emittenten und Onlinebroker

Wer das liest, ist angeschmiert: „Derzeit werden von einigen Emittenten keine Kurse an die Börse Stuttgart übermittelt. Daher werden teilweise keine Geld-/Briefkurse gestellt. Für Fragen steht Ihnen unser Customer Care Center gerne zur Verfügung...“

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Wer den 2000er Crash mitgemacht hat, kennt das schon: Immer wenn es an der Börse richtig knallt, schalten die Optionsschein-Anbieter ihre Rechner ab, brechen die Systeme der Online-Broker zusammen. Klammheimlich säbelt dann der Hausmeister an einem Kabel, und bumm, leider Systemausfall.

Ihre Puts verzehnfachen sich? Schön für Sie, aber leider haben wir technische Probleme und können die Teile nicht zurücknehmen. Ihre Calls verlieren an Wert? Schade, schade, aber abkaufen können wir sie zurzeit nicht.

Bei der Deutschen Bank, erzählte gerade ein Mitarbeiter, gebe es praktisch keine Knockout-Kaufoptionsscheine, die mittlerweile nicht ausgeknockt wurden und deshalb wertlos verfielen.

Klar, die Banken behaupten immer, sie hätten selbst nichts davon, wenn ein Anleger eine Wette gegen sie verliere, weil sie ja alle Transaktionen absicherten. So ganz kauft ihnen das aber kein Anleger ab.

Die Ursachen des Problems liegen viel tiefer: Banken haben Unmengen von Papieren aufgelegt, die auf viel zu engen Märkten basieren. Wollen alle Optionsscheinanbieter gleichzeitig rein oder raus, brechen die Kurse zusammen. Also wird lieber gleich abgeschaltet.

Wenn es aber wirklich technische Probleme sein sollten, die Banken daran hindern, Kurse zu stellen, wäre dies genau so schlimm. Emittenten verdienen mit Zertifikaten und Optionsscheinen zig Millionen, da sollte es möglich sein, die Systeme so hoch auszulegen, dass sie auch das Dreifache des üblichen Tagesvolumens bewältigen können. Und es sollte drin sein, auf die Auflegung von Scheinen zu verzichten, die Leistungen versprechen, die im Zweifelsfall nicht gewährt werden können.

Ein ähnlich frustrierendes Spiel wie bei Optionsscheinen und Zertifikaten erleben Anleger heute bei Online-Brokern. Bei der Direktanlagebank etwa lief heute das drei- bis fünffache  Ordervolumen ein - die Angaben der Mitarbeiter dazu variierten, es war halt so schrecklich viel. Das Onlinesystem war total überlastet, funktionierte seit heute früh nicht. Telefonorders waren zwar möglich, aber normale Kunden landeten in der Endlosschleife oder es hieß gleich "Versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.“

Bei vielen anderen Brokern sieht es nicht besser aus. Und das, obwohl Systemausfälle immer wieder vorkamen und die Broker immer wieder Besserung gelobten. Die Wahrheit ist: Für Crashtage genügend Rechnerkapazitäten und Leute vorzuhalten, ist den Herrschaften schlicht zu teuer.

Sicher werden demnächst wieder Anlegeranwälte mit Klagen drohen, die Finanzaufsicht BaFin wird mit dem Säbel rasseln und Drohungen gegen die Broker ausstoßen. Wer aber Schadensersatz einklagen will, begibt sich auf einen verdammt langen, mühsamen Weg mit nur geringen Erfolgsaussichten.

Traurig, aber offenbar nicht zu ändern. Die Fehler gehören zum System. Wer sie nicht erdulden will, sollte die Bank wechseln. „Lieber bei einer soliden Sparkasse ein Konto mir höheren Gebühren haben, als den ganzen Online-Mist", sagt ein Kollege immer. Und lieber solide Aktien und Goldbarren, als jeden Zertifikate-Unsinn mitmachen.

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