Finanzkrise Grüne Botschaft: Design muss nachhaltig sein

In der Krise suchen Kunden Produkte, die Halt versprechen. Nachhaltigkeit ist für Designer oberstes Gebot.

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Walter-Knoll-Chef Benz: Was lange hält und lange gefällt, schafft wenig Müll Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche

"Bitte setzen Sie sich.“ Markus Benz nimmt einen avantgardistisch gestalteten Drehsessel, dreht ihn zum Betrachter. „Das hier ist ein Klassiker und damit auch ein Musterbeispiel für nachhaltiges Design“, sagt Benz, Chef des Edelmöbelbauers Walter Knoll aus Herrenberg bei Stuttgart.

Tatsächlich haben die schwäbischen Möbelhersteller die sogenannte FK Schale schon seit mehr als 40 Jahren im Programm. Benz’ Logik: Was lange hält und lange gefällt, schafft wenig Müll und führt automatisch zu einem sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Dabei war der FK-Sesssel anfangs noch mit Glasfasergewebe und Polyesteranteilen bespannt und damit schwer zu entsorgen. Heute verwendet Walter Knoll nur noch wiederverwertbare Kunststoffe. „Umweltschädliche Produkte kommen bei uns erst gar nicht auf das Firmengelände“, sagt Benz.

Minimalistisch nennt Benz, der der gleichnamigen Dynastie des bekannten Sofabauers aus dem badischen Nagold entstammt, die Gestaltungsprinzipien bei Walter Knoll. Barockes Design ist für ihn schon Verschwendung.

Mit Nachhaltigkeit den Umsatz steigern

Walter Knoll gehörte mit dieser Politik zu den Vorreitern, gilt vielen als elitär. Doch nach den Spaßjahren, in denen üppige Entwürfe dominierten, wollen die Verbraucher wieder fettarme Kost. Schlank sollen die Möbel und auch die Autos ausschauen – ohne dass die grüne Botschaft zu aufdringlich wird. Die Prinzipien des Bauhauses wie Nüchternheit, Leichtigkeit und der Verzicht auf überflüssige Ornamentik und Zierrat kommen wieder auf breiter Front in Mode. Walter Knoll profitiert davon. In diesem Jahr erhält der schwäbische Möbelmacher gleich vier Auszeichnungen des international renommierten Designpreises Red Dot.

„Die Entwürfe werden immer grüner“, sagt Peter Zec, Chef des Design Zentrums Nordrhein Westfalen, das jährlich den Red Dot vergibt. Inzwischen wage kaum noch ein Kandidat Bewerbungen für den Red Dot einzureichen, ohne einen Hinweis auf die Nachhaltigkeit des Produktdesigns. „Ökodesign gibt es schon seit Langem“, sagt Zec, „aber früher ging man ideologisch an die Sache, heute ist Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil fast jedes Designkonzeptes.“

Besonders gelungene Ökodesigns unter den Red-Dot-Preisträgern in diesem Jahr: der Staubsauger DC24 von Dyson, der – wie üblich bei dem britischen Tüftler – keinen Staubsaugerbeutel braucht und nur5,4 Kilogramm wiegt. Oder das Macbook Air von Apple, ganz ohne Quecksilber und Arsen, ein Leichtgewicht von 1,36 Kilogramm. Der Rahmen besteht aus einem Stück, das aus einem Aluminiumblock gefräst wird und deshalb Material spart. Oder die Leuchte LED1 Tunto des finnischen Designers Mikko Kärkkäinen: ein filigranes Objekt aus Holz, in seiner Leichtigkeit passend zu den winzigen LED-Lampen.

Inzwischen wissen die Unternehmen, dass sich mit Ökodesign Geld verdienen lässt. „Unser Umsatz hat sich seit Mitte der Neunzigerjahre versiebenfacht“, sagt Waltter-Knoll-Chef Benz, „und das hat auch mit unserer Orientierung an Nachhaltigkeit zu tun, die sich im Design ausdrückt.“

Auch in anderen Branchen sickert der Gedanke an eine intakte Zukunft durch. So registriert die Chefin des Kölner Ökodesignberaters Econcept, Ursula Tischner, ein zunehmendes Interesse bei Großkonzernen aus der Automobil- oder Luftfahrtindustrie. „Die hätten sich vor wenigen Jahren nie bei uns gemeldet.“ Der Druck kommt von den Kunden. Rund 40 Prozent der Verbraucher bevorzugen umweltfreundliche Alternativen zu konventionellen Produkten, stellte eine im Mai veröffentlichte Untersuchung des Bremer Consulters Brands & Values fest.

Umgekehrt gilt: Wer den Ökotrend verschläft, wird vom Markt abgestraft. Diese Lektion lernen gerade die Automobilhersteller schmerzlich. In den vergangenen zehn Jahren hatten vor allem Premiummarken wie Daimler, Porsche oder BMW und die amerikanischen Hersteller auf große oder sportliche Autos mit hohem Spritverbrauch gesetzt. Während der Boomzeit verdienten die Hersteller vor allem mit großen Geländewagen. Die Automobilfirmen haben inzwischen begriffen, dass die Zeit für Neues gekommen ist. Vor allem der Elektroantrieb gibt der Automobilgestaltung neue Anstöße.

„Der Elektroantrieb ermöglicht eine völlig neue Formensprache“, schwärmt Peter Naumann, Professor für Industrie- und Automobildesign an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Ganze Systeme wie Auspuff, Getriebe, Kardanwelle fallen weg. Der Antrieb, bislang ein monolithischer Klotz, befindet sich bei manchen Entwürfen dezentral in den Rädern. „Verbrennungsmotor ist alte Ökonomie, Elektromotor ist neue Ökonomie“, resümiert Naumann. Doch bis sich die Straßen mit Elektroautos bevölkern, dürften noch ein paar Jahre vergehen.

Alle Automobilunternehmen arbeiten an neuen Designs – mit und ohne Elektromotor. Ford geht mit der Studie Iosis Max, einem flachen Van mit Verbrennungsmotor, bei dem die Designer vor allem am Gewicht sparen wollen, neue Wege. BMW arbeitet am Projekt I, dessen Fahrzeuge mit zwei oder drei Rädern denkbar sind. Und Volkswagen werkelt an der Studie Up!, einem Kleinwagen mit einer abgespeckten Formensprache ohne Kühlergrill.

Volkswagen-Design-Chef Klaus Bischoff spricht von „unserem Weg zur Einfachheit“ und von der „Bereitschaft, Bescheidenheit als attraktive Tugend ins Design einzubeziehen“. Das sind neue Töne in der Branche.

"Grünes Design macht nur Sinn, wenn es von einer breiten Masse akzeptiert wird"

Noch sind die Automobiler in einer Zwischenphase: Das Neue ist noch nicht geboren, das Alte bereits überholt. So soll die aktuelle Auszeichnung des Passat CC mit dem Red Dot bei Volkswagen gemischte Gefühle hervorgerufen haben. „Eine große Ehre für unser Team – der Wagen ist schön, aber für uns Geschichte“, sagt ein Volkswagen-Designer, „wir arbeiten heute an ganz anderen Konzepten.“

Attraktiv sind die Autos mit den neuen Techniken noch nicht. Die ersten Hybridautos wie der Prius von Toyota oder der Honda Insight wirken hausbacken. Doch ohne Emotionalität können die Konzerne neue Technik nicht auf den Straßen durchsetzen. „Grünes Design macht nur Sinn, wenn es von einer breiten Masse akzeptiert wird“, sagt Bischof.

Die Baracke könnte auf einem Militärgelände stehen oder auch in einem Flüchtlingslager. Grau und unscheinbar duckt sich der Holzbau zwischen den Fabrikhallen. Doch Udo Ermert liebt diesen Holzbau: „Wir brauchen für die kreativen Prozesse einen eigenen, vom Tagesgeschäft abgekoppelten Bereich.“ Den Chefdesigner des Heizungsbauers Vaillant im rheinischen Remscheid und seinen Mitstreiter, den Designer Steffen Fleischer, plagt vor allem die Frage: „Wie macht man einen Heizkessel sexy?“

Gleichzeitig muss er die grüne Botschaft des Unternehmens herüberbringen. Denn für Vaillant ist Nachhaltigkeit alles andere als ein Nebenthema. „40 Prozent des Energieverbrauchs gehen in die Beheizung von Wohn- und Bürogebäuden“, sagt Vaillant-Geschäftsführer Ralf-Otto Limbach, „die Heizung rangiert als Energiefresser noch vor dem Verkehr oder der Industrie.“ Für Vaillant ist das Energiesparen einer der stärksten Hebel im Marketing. Eine Familie in einer Wohnung von 120 Quadratmeter Größe kann 500 Euro sparen, wenn sie mit modernen Heizungen um 30 Prozent den Verbrauch senkt – selbst bei niedrigen Preisen für Öl und Gas.

Vaillant-Designer Ermert und Fleischer: Wie macht man Heizkessel sexy? Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

Im innersten Bereich der Baracke, im Kreativraum, hängen sie an der Wand – Konzeptstudien für Wandgeräte. Sie werden abgedeckt, wenn Besuch kommt. „Unsere Erlkönige“, sagt Ermert, dessen Team in diesem Jahr gleich drei Auszeichnungen beim Red Dot kassierte, in Anspielung auf die geheimen Designstudien der Autobauer. Auf dem großen Tisch liegen Bedienungsleisten für Heizungen. „Sehen Sie hier“ sagt Ermert und nimmt eine Schaltkasten in die Hand, „so haben wir das noch vor zwei Jahren gemacht.“

Die lackierten Köpfe und Schalter auf der Leiste glänzen silbrig. „Heute lackieren wir nicht mehr“, sagt Ermert. Der Lack erschwere die Trennung bei der Entsorgung des Gerätes. Vorgabe der Geschäftsleitung an die Designer: Bedienungsleisten ebenso wie die kompletten Heizgeräte müssen sich problemlos zerlegen und in den Rohstoffkreislauf bringen lassen.

Wichtiger noch für die Designer ist die leichte Bedienung. „Das Optimum an Energieeinsparung können nur die Nutzer selbst herauskitzeln“, sagt Ermert. Nur die kennen ihre Alltagsabläufe und Vorlieben bis ins Detail. Die Standardeinstellung schaltet beispielsweise um sieben Uhr morgens die Heizung an und um zehn abends wieder ab. Abwesenheiten etwa berücksichtigt sie nicht. „Standardeinstellung bedeutet aber in der Regel verschwendetes Geld“, sagt Ermert. Nur wenn der Kunde das Gerät leicht ab- und anschalten kann, wird er es tun.

Verbraucher wollen Top-Qualität und gutes Gewissen

Komplizierte Bedienungselemente halten die Nutzer davon ab. Der Vaillant-Designer zeigt einen Heizkessel aus den frühen Neunzigerjahren mit einer Unzahl an Manometern und Einstellknöpfen: „Das war etwas für Technikfreaks, aber nicht für Otto Normalverbraucher.“ Selbst um den Widerstand der Drehknöpfe kümmert sich Ermerts Team. Während die alte Variante sich holprig drehte, ist heute ein leichtes Einrasten zu spüren. „Das gibt dem Nutzer Halt und motiviert ihn, weil es angenehm ist, sich mit der Bedienplatte zu beschäftigen“, sagt Ermert. Auf den Griffflächen wechseln harte und rutschfeste weiche Materialien ab und ermöglichen so einen sicheren Griff.

Im Nachbarraum stehen Studien von Warmwasserspeichern, die im Frühstadium der Entwicklung sind. Noch wirken die Styropor-Klötze wie unbehauene Säulen. Ermert glaubt, dass schon bald große Energiespeicher notwendig werden, um Verbrauchsspitzen auszugleichen. Der Ökodesigner will die Speicher aus den Kellern holen: „Warum stellen wir sie nicht in den Kern einer Wendeltreppe – am besten gleich über mehrere Stockwerke.“ Dennoch: Neben den vielen Entwürfen, in denen nachhaltiges Design integrierter Bestandteil ist, findet sich noch viel Ökodesign im Schlabberstil. Lange Zeit galten Birkenstocksandalen als Öko-Schluffen – bis die Schickeria in Sankt Moritz und Saint Tropez die Naturschleicher adelte.

Doch gerade für viele hochpreisige Anbieter sind die Menschen, die als LOHAs gelten (Lifestyle of Health and Sustainability) eine zunehmend wichtige Zielgruppe. „Diese Verbraucher wollen Top-Qualität und gleichzeitig ein gutes Gewissen“, sagt Ursula Tischner von Econcept. Rund 50 Millionen Amerikaner – fast ausschließlich Besserverdiener – zählt der US-Soziologe und Marktforscher Paul H. Ray zu dem neuen Typ des Verbrauchers, der Konsumfreude mit Nachhaltigkeit verbindet und sich entschieden vom Ökofreak alten Stils absetzt. „Solche Leute geben sich nicht mit Schafswoll-Ästhetik zufrieden“, sagt Tischner.

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