Finanzkrise Web 2.0: Der Wettlauf ums Überleben hat begonnen

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Second Life Screenshot: Quelle: AP

Im Second Life etwa, der hochgejubelten Parallelwelt im Internet, in der sich jedermann ein zweites Leben zulegen kann, sind die Träume längst ausgeträumt. Zahlreiche Unternehmen haben ihre virtuellen Filialen aus Besuchermangel geschlossen, jetzt zogen auch die Nachrichtenagentur Reuters und der Verlag Axel Springer ihre Journalisten von der virtuellen Berichterstattung ab. 

Selbst Google spürt die Veränderungen. Der scheinbar unverwundbare Suchmaschinengigant hat die Verträge mit mehreren Tausend freien Mitarbeitern nicht verlängert. Seine Aktionäre drängen Google-Chef Eric Schmidt immer nachdrücklicher, die Kosten zu senken. Damit fällt der Riese als Aufkäufer und Fluchtburg für unprofitable Web-2.0-Unternehmen vorläufig aus.

Dennoch unterscheidet sich heute die Aussicht, dass in der Internet-Wirtschaft erneut eine Blase platzt, vom ersten großen Crash vor etwa acht Jahren. Im Gegensatz » zur damaligen New Economy lässt sich heute ein Internet-Unternehmen schon mit 50 000 Dollar starten. Dadurch entstanden viele kleine Bläschen, die nun zu platzen drohen. 

Gleichwohl sind die Firmenwerte teilweise schon wieder aufgebläht. Wie viel Luft in so manchem-Web 2.0-Laden steckt, zeigt sich immer dann, wenn große Bieter um ihn buhlen. Für 1,65 Milliarden Dollar übernahm Google im Oktober 2006 nach einem Bieterwettstreit mit Yahoo das unprofitable Videoportal YouTube. Der US-Softwareriese Microsoft wiederum beteiligte sich im September vergangenen Jahres für 240 Millionen Dollar an Facebook, was damals einem Gesamtwert der Plattform von rund 15 Milliarden Dollar entsprach.

Es wird also eng für die Web-2.0-Firmen, und dafür sind auch die Risikokapitalgeber verantwortlich. Nachdem das Geld reichlich sprudelte und viele Nachahmer finanzierte, wird der Hahn nun abrupt zugedreht. Nach Erkenntnissen der Marktforscher von Dow Jones Venture Source sanken die Investitionen in Web-2.0-Unternehmen im dritten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 50 Prozent.

Unlängst verschreckte der Wagniskapitalgeber Sequoia Capital aus dem Silicon Valley – berühmt durch Wetten auf Yahoo und Google – die von ihm finanzierten Internet-Gründer mit einer gruseligen Präsentation. Deren Botschaft: harte Zeiten, Kosten sparen, Leute feuern. „Das ist, als ob ein Drogendealer plötzlich vor seinen Drogen warnt“, spottet Kara Swisher, Kolumnistin des „Wall Street Journal“. Facebook, der aktuelle Liebling der Internet-Branche, muss sich nahezu täglich gegen Gerüchte verteidigen, dass seine Barreserven bedrohlich schwinden.

Anders als zur Jahrtausendwende liegt das Epizentrum des sich abzeichnenden Web-2.0-Bebens diesmal nicht im Silicon Valley. Unerreicht sind die 104 Milliarden Dollar, die Wagnisfinanzierer im Jahr 2000 in High-Tech-Unternehmen steckten. Nur ein Drittel dieser Summe investierten US-Wagnisfinanzierer im vergangenen Jahr in Nordamerika. 

Am meisten trifft die Web-2.0-Gemeinde jedoch, dass viele Firmen die Werbe-Budgets zusammenstreichen – und so die wichtigste und meist einzige Einnahmequelle gefährden. Nun rächt sich, dass Bezahlmodelle für Inhalte jahrelang vernachlässigt wurden. Trotz aller Schwüre nach der ersten dot.com-Blase ist das Internet bis heute nicht von seiner einseitig werbefinanzierten Gratiskultur weggekommen.

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