Finanzkrise Web 2.0: Der Wettlauf ums Überleben hat begonnen

Nach dem großen Crash vor acht Jahren bemühen sich die Internet-Firmen der zweiten Generation verzweifelt, aus ihren Nutzern Profit zu schlagen. Doch das wird nur wenigen gelingen. Der Wettlauf ums Überleben im Web 2.0 hat begonnen.

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Web 2.0 Seifenblase

Marc Andreessen plagten düstere Vorahnungen. Geschwind sammelte der 37-jährige Internet-Pionier im April dieses Jahres noch 60 Millionen Dollar Wagniskapital für seine neue Firma Ning ein. Die Finanzspritze ergibt, umgelegt auf die bisherigen Investitionen, einen Unternehmenswert von 500 Millionen Dollar: Ein Traumbetrag für ein Startup, das seit vier Jahren Verluste schreibt. Ning bietet Werkzeuge an, mit denen Nutzer Internet-Portale aufbauen können, die mit so großen Kontaktbörsen wie Facebook und Myspace konkurrieren.

Andreessen ist ein erfahrener Mann. Mitte der Neunzigerjahre entwickelte er mit seiner damaligen Firma Netscape den Internet-Browser Navigator und zündete damit eine Web-Revolution, die in eine riesige Spekulationsblase führte und deren Platzen im Frühjahr 2000 Hunderte von Internet-Firmen in die Pleite riss. Andreessen weiß, was plötzlicher Geldmangel bedeutet. „Da ist es gut, konservativ mit solchen Dingen zu sein“, sagt er heute. Fast eine Million Dollar pro Mitarbeiter brachte seine Sammelaktion im April. „Damit haben wir reichlich Feuerkraft“, sagt der Amerikaner martialisch, „um den kommenden nuklearen Winter zu überleben.“

Als „nuklearen Winter“ bezeichnet Andreessen die große Kälte, die er und seine Freunde aus der High-Tech-Branche gegenwärtig heraufziehen sehen – schneller als gedacht und härter als erwartet. Vor acht Jahren gaben reihenweise Internet-Firmen der ersten Generation auf, weil sie vergeblich auf das große Geschäft mit Software gesetzt hatten, etwa für den elektronischen Handel und für Web-Sites. Lycos, auch dank seines schwarzen Werbe-Labradors einst das beliebteste Portal Europas, hat die Hoffnungen erst jetzt aufgegeben. Der vom Bertelsmann-Erben Christoph Mohn geführte Europa-Ableger macht dicht.

Ein ähnliches Schicksal droht auch vielen Internet-Firmen der zweiten Generation, dem sogenannten Web 2.0. Allein in den USA betreiben inzwischen schätzungsweise 400 Unternehmen sogenannte soziale Netzwerke. Die sind im Grunde eine Sammlung digitaler Visitenkarten, mit denen sich Nutzer im Internet präsentieren und Freunde, Bekannte oder Geschäftspartner um sich scharen. Doch kaum eine der beliebten Seiten verdient Geld. 

Nun wächst die Gefahr, dass viele Anbieter das kommende Jahr nicht überstehen werden. Gekappte Werbe- und Technikbudgets, verängstigte Konsumenten, vorsichtig gewordene Wagnisfinanzierer und bebende Börsen sorgen allmählich für Panik und verdeutlichen schlaglichtartig das größte Problem der Web-2.0-Firmen: Wie können sie aus dem regen Zuspruch ihrer Internet-Seiten so viele Einnahmen erzielen, dass daraus Profit wird? Denn: Je mehr Wettbewerber sich im Web 2.0 tummeln, desto weiter rückt die Gewinnschwelle. Viele Nachahmer, die auf ähnliche Popularität wie die globalen Anführer Facebook oder Myspace hoffen, zerbröseln den Markt – und den Werbekuchen gleich mit. „Die Bereinigung ist überfällig“, sagt schon jetzt Verleger Tim O’Reilly, der einst den Begriff Web 2.0 prägte und mit Büchern und Konferenzen davon profitierte.

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