Finanzvertrieb Druck auf OVB-Vermittler wächst

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Unversöhnliche Machtblöcke

Wem das Wasser bis zum Hals steht, der kann leicht in Versuchung kommen, Klienten aus laufenden Versicherungen herauszulotsen, damit sie eine neue Police bei ihm abschließen – und der Vermittler die Provision kassiert. Krankenversicherer etwa berichten über eine Vielzahl Fälle, bei denen die Verbraucher oft Tausende Euro an Finanzreserven verlieren, die sie im bisherigen Unternehmen für das Alter zurückgestellt haben. Zumindest in Teilen des OVB-Reichs ist diese Praxis bekannt: „Die Mitarbeiter müssen das zum Schaden der Kunden machen, weil sie sonst nicht leben können“, berichtet eine Exführungskraft. Die OVB weist dies zurück. Ihre Vermittler würden Beratungen umfangreicher protokollieren als gesetzlich vorgeschrieben.

Die berichteten Missstände stehen im krassen Gegensatz zur Initiative von Verbraucherministerin Ilse Aigner für mehr Qualität und Transparenz bei der Finanzberatung: „Eine Provision oder Vergütung ist nichts Verwerfliches, doch darf sie nicht das Hauptmotiv für eine bestimmte Empfehlung sein. Die Interessen des Kunden müssen im Mittelpunkt der Beratung stehen“, fordert sie.

„Wir registrieren derzeit einen eklatanten Anstieg von Beschwerden über fondsgebundene Versicherungen, die häufig von Strukturvertrieben verkauft werden“, sagt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Der Haken bei den „alten Hasen“

Ein Indiz dafür, dass die Beratung alles andere als objektiv ist, liefern interne OVB-Provisionslisten, die der WirtschaftsWoche vorliegen: Sie zeigen, dass fast ausschließlich Produkte der Hauptanteilseigner an den Mann und die Frau gebracht werden sollen, also von der Bâloise-Tochter Deutscher Ring, Signal Iduna und Generali. Nur vereinzelt tauchen andere Versicherer in den Honoraraufstellungen auf. Große Namen wie Allianz, R+V, Zurich oder Hamburg-Mannheimer sind als Anbieter nicht vorgesehen.

Exberater berichten zudem über gehäufte Falschberatungen auf der Jagd nach Provisionen: Demnach vermittelten OVB-Leute etwa Immobilien mit falschen Angaben an Anleger, aber auch an die eigenen Mitarbeiter und an Familienangehörige. Wichtige Merkmale wie etwa versprochene Denkmalabschreibungen hätten sich als Luftnummer entpuppt.

„Ich bin selbst geschockt über mich: Keiner ist vor der Gier gefeit“, sagt der ausgestiegene Vermittler Torsten Neh*. Seine Konsequenz: „Ich werde nie wieder im Finanzdienstleistungsbereich arbeiten.“

Um nicht noch mehr Geschäft zu verlieren, will die OVB ihre Berater offenbar um jeden Preis bei der Stange halten. So versprach das Unternehmen seinen Beratern Ende 2008, dass die hauseigene Ausbildung zum Certified Financial Consultant den bis Jahresende erforder-lichen IHK-Sachkundetest für Vermittler überflüssig mache. Doch die Zertifikate wurden nicht anerkannt und die Prüfung nur den „alten Hasen“ erlassen, die vor August 2000 tätig waren.

Um aus der Falle zu entkommen, hat die OVB offenbar zeitweise versucht, auch Vermittler als „alte Hasen“ zu deklarieren, die erst seit 2003 als Finanzberater unterwegs waren. Walter Porz*, von 2003 bis Anfang 2009 für die OVB tätig: „Ich hatte schon meine Anerkennung als geprüfter Vermittler im Briefkasten, bevor ich meinen Kurs bei der IHK in Erfurt abgeschlossen hatte.“ Bei der IHK vor Ort sah er sich die Zugehörigkeitsbescheinigung an, die die OVB dort für ihn eingereicht hatte. Demnach war er schon seit 2000 aktiv. Beide Schreiben liegen der WirtschaftsWoche vor.

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