Formel 1 Ausstieg BMW fährt nicht mehr in der Königsklasse

Völlig überraschend kündigte BMW seinen Rückzug aus der Formel 1 ein. Offizielle Begründung ist eine strategische Neuausrichtung, die PS-Wettkämpfe passen nicht mehr zum neuen Öko-Trend. Doch es gibt noch weitere Gründe.

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Unklare Zukunft: BMW-Fahrer Quelle: REUTERS

BMW-Pilot Nick Heidfeld traf die Nachricht vom Ausstieg wie aus heiterem Himmel, Motorsportdirektor Mario Theissen stand die Enttäuschung nach dem Formel-1-Aus ins Gesicht geschrieben. „Ich persönlich und alle Teammitglieder sind enttäuscht. Sportlich gesehen wären wir gerne weitergefahren und hätten gerne dieses ambitionierte Projekt weitergeführt“, sagte Theissen am Mittwoch in der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Hochhaus des Automobilkonzerns in München.

Mit einem Paukenschlag wurde die Vollbremsung vollzogen. BMW sagt der Königsklasse nach den noch ausstehenden sieben Rennen der laufenden Saison „Servus“. Offizielle Begründung ist eine „strategische Neuausrichtung unseres Unternehmens“, so BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer.

BMW muss mit seinen Ressourcen haushalten

Zwei bis drei Kilo Benzin pro gefahrener Runde. Das entspricht einem Verbrauch von rund 40 bis 60 Litern auf 100 Kilometern. Der Benzinkonsum von Formel 1-Wagen verträgt sich nicht mehr mit der jüngsten Spritspar-Philosophie von BMW. Das Image der Marke soll grüner werden, nachhaltiger, sauberer. Motoren mit der Lautstärke eines startenden Düsenjets, hoher Reifenverschleiß und Bleifuß passen da nicht ins Bild.

Doch der Ausstieg zeigt auch, wie dringend der Münchner Autokonzern in Zeiten drastisch sinkender Absatzzahlen mit seinen Ressourcen haushalten muss.

Wie der Rest der Branche wurde auch BMW im vergangenen Jahr mit voller Wucht von der internationalen Absatzkrise erwischt. Im Herbst rauschten die Verkaufszahlen mit atemberaubender Geschwindigkeit in den Keller. In der Folge stürzte bei BMW auch der Jahresgewinn um 90 Prozent ab.

Im ersten Quartal 2009 fiel sogar ein Verlust von 152 Millionen Euro an. Damit standen die Bayern aber immer noch deutlich besser da als Konkurrent Daimler aus Stuttgart, der im zweiten Quartal einen Milliardenverlust erlitt.

BMW enttäuscht in der Formel 1

BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer hatte das Unternehmen bereits seit Herbst 2007 auf harte Zeiten eingeschworen und drastische Einsparungen durchgesetzt. Konzernweit wurden seitdem rund 8000 volle Arbeitsplätze gestrichen. Durch den Ausstieg aus der Formel 1 sind jetzt nochmals gut 700 Stellen bedroht. Auch für das laufende Jahr hat BMW bislang wenig Hoffnung auf eine Besserung der Lage gemacht. Der Absatz soll unter der Vorjahresmarke von 1,4 Millionen Fahrzeugen liegen. Ob es für einen Gewinn reicht, ist noch unklar.

Ausgaben im dreistelligen Millionenbereich für den Rennsport - die Rede ist von 200 bis 300 Millionen Euro - schienen da kaum noch zu rechtfertigen sein. „Natürlich ist uns diese Entscheidung schwer gefallen“, sagte Reithofer am Mittwoch bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz. Eine Premiummarke werde aber immer stärker über Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit definiert. „Unser Engagement in der Formel 1 entspricht dabei nicht mehr unserer Hauptzielrichtung.“

Doch der Rückzug dürfte auch sportliche Gründe haben. Statt in diesem Jahr um die WM zu kämpfen, fährt BMW als derzeit Drittletzter der Teamwertung mit mickrigen acht Punkten deutlich hinter. Bei seinem Vier-Jahres-Plan ist BMW ins Stocken geraten. Heidfeld und sein polnischer Kollege Robert Kubica liegen im Fahrer-Klassement auf den Rängen 13 und 15.

BMW-Firmenzentrale Quelle: AP

Heidfelds Vorgänger Ralf Schumacher stellte fest: „Ich hätte nicht mit so einer Entscheidung gerechnet. BMW hatte das Ziel ausgegeben, den WM-Titel zu holen. Der Erfolg blieb aus und so kann man die Entscheidung insgesamt nachvollziehen.“

Ein riesiges Aufatmen ging fast zur gleichen Zeit durch das Lager von Toyota. Der in Köln-Marsdorf ansässige Rennstall erhielt am Mittwochmorgen die Zusage aus Japan, weiterhin in der Formel 1 mitfahren zu dürfen, erklärte die Teamsprecherin Fernanda Villas-Bôas. Seit langem war spekuliert worden, dass nach Honda Ende vergangenen Jahres auch der zweite japanische Automobilkonzern die Königsklasse aus finanziellen Gründen verlassen könne. Durch Kostenreduzierungen werde man das Engagement beibehalten, teilte die Toyota-Zentrale dem Team in einer internen Mail nun aber mit.

Auch aus Stuttgart kamen beruhigende Worte. Daimler will derzeit nicht dem Beispiel von BMW folgen und plant keinen Ausstieg aus der Formel 1. Man wäge permanent Kosten und Nutzen des Engagements gegeneinander ab und verfolge eine strikte Kostenkontrolle, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche in einer Telefonkonferenz am Mittwoch in Stuttgart.

Branche rätselt über Auto der Zukunft

Dass die Bayern die Entscheidung mitten in der Saison bekanntgaben, dürfte vor allem mit dem neuen Concorde Agreement, der Verfassung in der Formel 1, zusammenhängen. Nach langen Querelen um die Zukunft der Formel 1 wird noch in dieser Woche mit der Unterzeichnung des Dokuments gerechnet. Darin sollen sich die Teams unter anderem bis 2012 zur Formel 1 verpflichten. Das war BMW offensichtlich zu lang.

Dazu kommt die generelle Zeitenwende, die derzeit die Branche erfasst. Auch die Bayerischen Motoren Werke, müssen sich in den nächsten Jahren neu erfinden. Das Unternehmen hat bereits deutlich mehr als eine Milliarde Euro in die Entwicklung sparsamerer Motoren gesteckt und ist auf diesem Gebiet auch unbestritten sehr weit. Der klassische Verbrennungsmotor wird mehr und mehr an Bedeutung verlieren

Die Branche rätselt derzeit, wie die Zukunft des Automobils aussehen soll. Wer im Rennen bleiben will, muss auf vielen Gebieten forschen, angefangen von Hybridmotoren über neue Batterietechnik bis hin zur Brennstoffzelle. Doch das verschlingt Unsummen.

Geld für neue Antriebstechnik

Autoriesen wie Toyota oder Volkswagen können diese Beträge nicht nur leichter aufbringen, sondern auch leichter wieder hereinholen, weil neue Technologien in entsprechend hoher Stückzahl verbaut werden können. Ein im Konzert der Großen kleinerer Hersteller wie BMW hat deutlich größere Probleme, die Kosten wieder einzuspielen. BMW muss daher das Geld zusammenhalten und sich genau überlegen, in welche Bereiche investiert wird.

Für die Formel 1 war da kein Platz mehr. Das dort eingesparte Geld soll nun in die Entwicklung neuer Antriebstechniken fließen. „Das ist eine strategisch richtige, wertvolle Entscheidung“, lobt Autoexperte Dudenhöffer. „Letztlich bezahlt ja auch der Kunde das Engagement mit. Und neue Kunden bringt die Formel 1 nach meiner Einschätzung nicht.“

Auch die Börse weinte den Rennwagen keine Träne nach. Der Aktienkurs von BMW stieg am Mittwoch zeitweilig um fast vier Prozent auf 31,54 Euro.

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