Franz Fehrenbach im Interview "Beim Klimaschutz gibt es kein Bremsen"

Seite 3/3

Bei den Patentanmeldungen haben Sie kürzlich Siemens überholt. Hilft Ihnen, dass Ihre Münchner Kollegen erst einmal die Folgen des Schmiergeldskandals verkraften müssen?

Siemens ist und bleibt ein sehr innovativer Konzern. Es stimmt aber, dass wir Siemens erstmals bei der Zahl der Patente überholt haben. Mit 14 Patentanmeldungen pro Arbeitstag sind wir jetzt die Nummer eins in Deutschland.

Die Innovationskraft werden Sie mehr denn je brauchen, denn offenbar steht die gesamte bisherige Antriebstechnik in der Autoindustrie zur Disposition. Teilen Sie die Einschätzung von VW-Chef Martin Winterkorn, dass die Zukunft dem Elektroauto gehört?

Es wird mit Sicherheit keine abrupte Ablösung des Verbrennungsmotors geben. Zunächst wird der Verbrennungsmotor noch sparsamer gemacht werden, danach werden wir einen schrittweisen Übergang zum Elektroantrieb sehen. Das bedeutet, dass wir gleichzeitig verschiedene Wege gehen müssen. Wir müssen den Otto-Motor und den Diesel-Motor weiter optimieren, aber auch den Hybridantrieb und den reinen Elektroantrieb weiterentwickeln.

Die Schlacht um den künftigen Antrieb der Autos ist wohl der spannendste Wettlauf, der zurzeit in der Industrie läuft. Welche Chancen sehen Sie für den Wasserstoffantrieb im Auto?

In den reifen Märkten wie Europa oder den USA wird sich der Wasserstoffantrieb aus meiner Sicht nicht durchsetzen. Der Aufwand ist in Industrieländern einfach zu groß. Es müsste die gesamte Infrastruktur für Wasserstoff aufgebaut werden, von der Herstellung bis zur Wasserstofftankstelle. Ich wüsste nicht, wer in Vorleistung gehen würde, um eine solche Infrastruktur zu errichten.

Das heißt, die Milliarden, die Autohersteller wie Daimler oder BMW bisher schon in den Wasserstoffantrieb gesteckt haben, sind endgültig verloren?

Nein, in Schwellenländern könnte die Technik eine Chance haben. Wir sehen dort wahre Völkerwanderungen hinein in Städte und Ballungsräume. Allein in China drängen rund 250 Millionen Menschen in die Städte an den Küsten. Wenn diese neuen Mega-Städte am Reißbrett entworfen werden, könnte dort von vornherein auch eine komplette Wasserstoffwirtschaft errichtet werden. Dann könnte es dort durchaus wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenfahrzeuge geben. Auch für dieses Szenario muss Bosch technologisch gerüstet sein. Wir arbeiten also an vielen Antriebstechniken parallel. Was sich letztlich durchsetzt, weiß niemand. Insgesamt sieht es aber so aus, als sei der reine Elektroantrieb die Hauptrichtung.

Wird Bosch auch in das Geschäft mit Tankstellen für Elektroautos einsteigen oder überlassen Sie dieses Feld den Autoherstellern und den Energieversorgern?

Wir konzentrieren uns stark auf die technischen Fragen beim Fahrzeug, sehen uns aber auch sehr genau die Infrastruktur und damit verbundene Geschäftsmodelle an.

In den USA und in Europa schwächelt der Autoabsatz. Können Sie Ihre Prognose vom Mai für das laufende Jahr noch aufrechterhalten?

Europa hat sich 2008 bisher ganz gut geschlagen. Für die weitere Entwicklung haben wir aber eher gedämpfte Erwartungen. Es wird schwieriger werden in Europa, das ist keine Frage. Der steigende Absatz in Asien und Russland konnte die Schwäche in den USA bislang ausgleichen. Es ist aber die Frage, wie lange das anhält. Das Ziel, den Konzernumsatz im laufenden Jahr um nominal fünf Prozent zu steigern, werden wir leider nicht erreichen.

Ein Hoffnungsschimmer könnte der wachsende Markt der Billigautos sein. Auch hier ist Bosch mit von der Partie: Ihre Technik steckt nicht nur in deutschen Luxuskarossen, sondern auch im indischen Billigauto Tata Nano für umgerechnet 1.700 Euro. Verschleudern Sie Ihre Technik in Indien?

Eine Einspritzanlage des Nano ist nicht vergleichbar mit einer Technik, die in Europa bei einem Kleinwagen zum Einsatz kommt. Wir verschenken also keine Technologie, die wir für die hiesigen Märkte entwickelt haben. Die Lösungen sind speziell für die Schwellenländer entwickelt worden – von einem internationalen Entwicklungsteam gebildet aus Deutschen, Indern und Chinesen.

Werden Sie die Zusammenarbeit mit Herstellern von Billigautos ausbauen?

Definitiv. Wir haben uns vor gut drei Jahren ganz bewusst entschieden, den Spagat zu wagen zwischen hochinnovativen Produkten für Premiumfahrzeuge und einfacheren Produkten für Niedrigpreisfahrzeuge, die im Übrigen auch Innovationen sind. Tata wird nicht unser einziger Partner in diesem Bereich bleiben. Es gibt bereits konkrete Projekte mit anderen Herstellern.

Mit großen, bekannten Playern oder mit lokalen Herstellern in den Schwellenländern?

Es geht um bekannte Unternehmen.

Amerikanische Zulieferer können von solchen Aufträgen wohl nur träumen. Viele von ihnen stehen kurz vor der Insolvenz. Erwarten Sie eine große Konsolidierungswelle?

Ob es eine große Welle wird, sei dahingestellt. Aber es wird eine Konsolidierung geben, davon sind wir überzeugt.

Werden Continental und Schaeffler durch den Zusammenschluss gefährlicher für Bosch? Es entsteht immerhin ein Unternehmen mit über 35 Milliarden Euro Umsatz.

Bei Schaeffler und Continental gibt es kaum Überschneidungen der Tätigkeitsfelder. Deshalb wird der Zusammenschluss den Marktanteil der beiden Unternehmen in den einzelnen Bereichen nicht erhöhen. Der Zusammenschluss bedeutet eine Stärkung der deutschen Automobilindustrie im globalen Wettbewerb. In beiden Fällen handelt es sich um gut geführte Unternehmen, die bereits heute unsere Wettbewerber sind. Eine neue Wettbewerbssituation entsteht daher für Bosch nicht.

Wird Bosch sich trotzdem verstärkt nach Übernahmekandidaten umsehen?

Wir werden uns in allen Geschäftsbereichen Unternehmen anschauen, die zum Verkauf stehen. Die wichtigste Frage wird sein, ob wir ein gewisses Know-how, eine bestimmte Technologie zukaufen können. Im Kraftfahrzeugbereich und anderen großen Geschäftsbereichen sind unsere Möglichkeiten natürlich begrenzt, weil wir dort bereits über hohe Anteile in den meisten Märkten verfügen. Da würden wir schnell kartellrechtliche Probleme bekommen. Anders sieht es in den neuen Geschäftsfeldern wie der Energieerzeugung aus. Dort stehen Akquisitionen auf dem Prüfstand. Wir schauen uns aber auch sehr genau die Unternehmenskultur an: Passt diese nicht zu unserer, verzichten wir lieber.

Um welche Unternehmen geht es?

Dazu Genaueres erst, wenn es soweit ist. Bei allem was wir tun, geht es uns jedoch nicht um Größe, dies ist kein Wert an sich, sondern immer in erster Linie um Inno-vationskraft und technologische Leckerbissen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%