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Fritz Vahrenholt im Interview "Städte ohne Strom"

Der RWE-Vorstand für erneuerbare Energien warnt vor einem Stromkollaps und der Vertreibung der Industrie aus Deutschland durch die hastige Grünstrom-Wende.

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Fritz Vahrenholt Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Vahrenholt, auf einmal wollen alle Parteien die schnelle Energiewende. Da muss Ihnen als Chef der RWE-Grünstromsparte doch das Herz aufgehen?

Vahrenholt: Nicht ganz. Ich befürchte vielmehr, dass die Pläne die Möglichkeiten der Erneuerbaren bei Weitem übersteigen. Da werden jetzt riesige, unerfüllbare Erwartungen geweckt, und am Ende könnte sich die Enttäuschung massiv gegen die Erneuerbaren wenden.

Trauen Sie Wind, Sonne und Biomasse so wenig zu?

Sie sind die Zukunft, und ich will sie ausbauen. Aber das braucht Zeit. Heute sind sie noch nicht konkurrenzfähig zu konventionellen Energien. Wind ist doppelt, Fotovoltaik mindestens fünf Mal so teuer. Die Zeche für einen übereilten Ausbau zahlen letztlich Bürger und Industrie.

Aber die grünen Techniken werden doch ständig billiger.

Ich kenne das Kostensenkungspotenzial der Erneuerbaren sehr gut. Daher kann ich mir vorstellen, dass an Land produzierter Windstrom von heute sieben bis neun auf fünf bis sieben Cent je Kilowattstunde herunterkommt und Wind vom Meer eines Tages 10 statt 15 Cent kostet. Aber das wird schwierig genug und kann noch Jahre dauern.

Hersteller wie Siemens stellen für Strom vom Meer Erzeugungskosten von rund 4,5 Cent in Aussicht.

Als Einkäufer von Windturbinen überrascht mich das. In den Verhandlungen mit den Anlagenbauern habe ich solche Prognosen nicht gehört. Ich halte sie auch, zumindest unter den Windverhältnissen in Nord- und Ostsee, für fraglich. Wir werden in unseren neuesten Windparks vor der britischen Küste – übrigens mit modernster Technik von Siemens – auf Produktionskosten von so eben 15 Cent je Kilowattstunde kommen.

Zumindest die Bürger scheinen bereit zu sein, etwas mehr zu zahlen, wenn sie dadurch die Klimarisiken der Kohle und die Strahlungsgefahr der Atomenergie vermeiden können.

Dabei wird leider immer vergessen, dass zwei Drittel des Stroms Industrie und Gewerbe abnehmen. Jeder Cent, den sie mehr zahlen müssen, schmälert ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Können Sie die Kostensteigerungen nicht über mehr Energieeffizienz auffangen?

Das ist ein wichtiger Weg. Dem sind aber in den Prozessen der Grundstoffindustrie Grenzen gesetzt. Es kann ja am Ende nicht so sein, dass wir 30 Prozent weniger Elektrizität verbrauchen, weil Kupfer-, Aluminium- und Siliziumproduzenten ebenso wie Teile der chemischen Industrie und des Maschinenbaus in Deutschland nicht mehr existieren können. Schießen die Strompreise in die Höhe, können wir hier übrigens auch keine Getriebe und Rotoren für Windanlagen mehr herstellen.

Jetzt malen Sie ein Horrorgemälde.

Jetzt schon führt das Moratorium mit der Stilllegung von sieben Kernkraftwerken dazu, dass Bayern nicht mehr sicher mit Strom aus Deutschland zu versorgen ist. Die Börsenpreise für Strom haben einen Sprung von 10 bis 20 Prozent gemacht. Wenn jetzt überlegt wird, auch die restlichen zehn Kernkraftwerke in kurzer Zeit vom Netz zu nehmen, würde ich mir als internationaler Investor genau überlegen, ob ich einen energieintensiven Betrieb noch in Deutschland ansiedle.

Der Süden Deutschlands soll künftig verstärkt mit Windstrom von den Küsten versorgt werden.

Bisher ist aber noch fast kein Kilometer Leitung gebaut worden, um ihn dorthin zu transportieren. Wenn da nicht schleunigst etwas passiert und wir dennoch sofort aus der Kernkraft aussteigen, dann müssen in Bayern Industriebetriebe wegen Strommangels zeitweise abgeschaltet werden, mitunter sogar ganze Städte. Die Wahrheit muss man den Menschen sagen.

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