Fusion mit Unicredit HypoVereinsbank kommt nicht zur Ruhe

Heute hält die HypoVereinsbank ihre voraussichtlich letzte Hauptversammlung nach der Übernahme durch die italienische Unicredit ab. Aufgebrachte Arbeitnehmer, wütende Aktionäre und endlose Prozesse bei der HypoVereinsbank zeigen die immensen Probleme von Fusionen im Bankensektor.

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UniCredit-Chef Alessandro Quelle: dpa-dpaweb

Zur 850-Jahr-Feier der Stadt München gibt sich die HypoVereinsbank (HVB) ganz harmonisch und heimatverbunden. Eigens zum Jubiläum hat sie eine Sonderedition von zehn EC-Karten aufgelegt, die die bayrische Landeshauptstadt von ihrer Glanzseite zeigen. Die Frauenkirche erstrahlt vor abendlichem Alpenpanorama, die Residenz leuchtet festlich und sogar ein Snowboarder hat sich an die Isar verirrt. Rund 18 500 solcher Karten hat die Bank bisher unters Volk gebracht, besonders beliebt ist ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Grüße vom Oktoberfest“.

Doch so münchnerisch, wie es den Anschein hat, ist die HVB nicht mehr. Im Oktober wurde ihr alter blauer Schriftzug durch ein neues Logo mit roter Kugel und stilisierter Eins ersetzt. Auch nach außen ist nun klar erkennbar, dass die Mailänder Großbank UniCredit Herr im Haus ist. Der einheitliche Markenauftritt soll den Kunden zeigen, dass sie von einer wahrhaft europäischen Bank betreut werden und ihnen auch im Ausland Orientierung bieten.

Vor drei Jahren hat UniCredit die Mehrheit an dem bayrischen Geldhaus übernommen. Seitdem kommt die Bank nicht zur Ruhe. Das immer wieder proklamierte Ziel, die erste wirklich europäische Bank zu schaffen, ist noch nicht erreicht. Das Selbstbewusstsein einiger Banker ist lädiert, weil sie Deutschlands ehemals zweitgrößtes Kreditinstitut zum bloßen Vertriebsarm degradiert sehen. Neue Ankündigungen von Stellenstreichungen aus Italien drücken die Stimmung. So hat sich die Übernahme der HVB auch zum Lehrstück über die Probleme bei der Fusion von Großbanken entwickelt, wie sie derzeit in Deutschland wieder auf der Tagesordnung stehen.

Ein sichtbarer Ausdruck der Querelen ist die heutige Hauptversammlung der HVB. Es soll die letzte in der Geschichte der Bank sein. Das Treffen hat die HVB einberufen, weil die verbliebene Aktionäre mit allen Mitteln gegen die Bank vorgehen. Sie stemmen sich gerichtlich gegen ihren Zwangsausschluss, den sogenannten Squeeze-out, weil sie die ihnen angebotene Abfindung für zu niedrig halten. Einige Hedgefonds wollen sich ebenfalls nicht abspeisen lassen und haben auch Klage eingereicht.

Anwalt Heidel legt nach

Wie im vergangenen Jahr dürfte es im Kongresszentrum der Münchner Messe deshalb turbulent werden. Noch einmal werden die Aktionäre die Chance nutzen, ihre Vorwürfe an das Management in aller Breite vorzutragen. Vorsichtshalber hat die HVB, die mit einer niedrigen vierstelligen Besucherzahl rechnet, gleich zwei Tage für die Veranstaltung eingeplant.

Grund der diversen Prozesse ist vor allem eine Transaktion aus dem Jahr 2006. Damals verkaufte die HVB ihre vor allem im Osteuropageschäft erfolgreiche Bank Austria für 12,5 Milliarden Euro an die neue Konzernmutter in Mailand. Das war viel zu wenig, finden die Aktionäre heute wie damals. Das Geschäft sei zudem unter erheblichem Druck aus Mailand zustande gekommen.

Aktionäre um den Bonner Rechtsanwalt Thomas Heidel fordern deshalb die Rückübertragung der Bank Austria auf die HVB oder Schadensersatz in zweistelliger Milliardenhöhe. Die Hedgefonds haben UniCredit ebenfalls auf Schadensersatz verklagt, sie verlangen 17 Milliarden Euro. Den Beschluss der Hauptversammlung, in dem die dem Verkauf zugestimmt hatte, erklärte das Landgericht München Anfang des Jahres wegen formaler Fehler für ungültig. Die HVB ist in Berufung gegangen. Am Dienstag soll der Verkauf nun noch einmal bestätigt werden. Dank der überwältigenden Stimmrechtsmehrheit von UniCredit dürfte das eine reine Formsache sein.

In den vergangenen Monaten tauchten immer neue Vorwürfe auf: Jahresabschlüsse sollen nichtig sein, Bewertungsgutachten großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden in Gegengutachten schwere handwerkliche Fehler unterstellt. Die Aktionäre sollen von UniCredit bereits bei der Übernahme getäuscht worden sein, weil die Grundlagenvereinbarung über das Zusammengehen, das sogenannte Business Combination Agreement, angeblich ein „versteckter Beherrschungsvertrag“ war. Es gab sogar schon Strafanzeigen wegen Untreue gegen den UniCredit-Chef Alessandro Profumo und HVB-Chef Wolfgang Sprißler. Eine Eingabe bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin hatte das Ziel, sämtliche Rechte von UniCredit aus den HVB-Aktien zu suspendieren, weil die Aktionäre über die wahren Absichten getäuscht worden sein sollen.

Erst vor wenigen Tagen legte Anwalt Heidel noch einmal nach. Er fordert nun noch einmal drei Milliarden Euro zusätzlichen Schadensersatz von UniCredit, weil das Anfang 2007 auf die HVB übertragene Investmentbanking überbewertet gewesen sein soll. UniCredit und HVB weisen sämtliche Vorwürfe zurück.

Zehn Prozent der Beschäftigten sollen wegfallen

Heidel hat sich eine Sonderstellung erstritten, die es zuvor nur einmal beim Telekomunternehmen MobilCom gab. Als „besonderer Vertreter“ der Aktionäre darf er seit dem vergangenen Herbst innerhalb des Unternehmens ermitteln, interne Korrespondenz prüfen und Mitarbeiter befragen. „Nach einigen Anlaufschwierigkeiten läuft das inzwischen gut“, sagt er. Zutage förderte er etwa die E-Mail des Vorstands Stefan Schmittmann vom Sommer 2006, in der dieser erklärte, dass sich für die geplante Transaktion kaum eine Begründung finden lasse. Vor allem das Argument, dass die HVB im Austausch das konzernweite Investmentbanking erhalten solle, schien ihm wenig plausibel. Die HVB hat hierzu argumentiert, dass sich Schmittmann durch ein Gutachten überzeugen ließ. Dem Verkauf stimmte er jedenfalls zu. Wie die Verfahren letztlich ausgehen, ist offen. Bisher hat das Münchner Landgericht mal für die eine, mal für die andere Seite entschieden. Zur Frage des Kaufpreises gibt es bisher keinen Beschluss. In einem separaten Spruchverfahren wird sich das Gericht damit beschäftigen. Ein Vergleich ist bislang nicht in Sicht. Theoretisch können beide Seiten das Verfahren noch Jahre in die Länge ziehen. Auch gegen die Beschlüsse vom kommenden Dienstag könnten die Aktionäre wieder klagen. Zudem unterstellen die Klägeranwälte, dass UniCredit auf Zeit spielen will. „Aber wir haben noch einige Pfeile im Köcher, um das Verfahren in unserem Sinn zu beschleunigen“, droht einer von ihnen. Ob der juristische Dauerstreit vermeidbar gewesen wäre, ist fraglich. Schon bei anderen Übernahmen ist es zu vergleichbaren Auseinandersetzungen gekommen, wenn auch selten mit dieser Intensität.

Nicht nur die langwierigen Verfahren sorgen für Unruhe. Erst kürzlich kündigte Profumo bei der Vorstellung seines Konzepts für die nächsten drei Jahre an, in Westeuropa bis zum Jahr 2011 insgesamt 9000 Stellen zu streichen. Wie sich der Arbeitsplatzabbau auf Deutschland, Österreich und Italien verteilt und in welchen Bereichen die Jobs wegfallen, ist noch unklar. Die konkreten Vorgaben für die HVB sollen frühestens Ende August bekannt gegeben werden. Zwischen 2000 und 2500 Stellen werden wohl wegfallen — das sind etwa zehn Prozent der Beschäftigten. Schon im Juni war bekannt geworden, dass die HVB 250 Stellen nach Polen und weitere 300 Jobs an externe Dienstleister auslagert.

HVB-Chef Wolfgang Sprißler: Quelle: dpa-dpaweb

Der Betriebsrat reagiert mit seltener Schärfe auf die Pläne aus der Zentrale. „UniCredit hat anscheinend vor, den Mitarbeitern den Krieg zu erklären“, schrieb er schon im Juni an die Belegschaft. Die HVB werde „ausgeweidet“, Auslagerungen nach Polen seien eine „neue Qualität des Irrsinns“, soziale Verantwortung gegenüber Mitarbeitern scheine „es nicht mehr zu geben“. Entsprechend empört fragen die Arbeitnehmervertreter, ob „im Vorstand wirklich das Chaos herrscht, das wir hier wahrnehmen“.

„Das Konzept von UniCredit besteht offenbar ausschließlich in einem fantasielosen Sparprogramm“, sagt ein Betriebsratsmitglied. Die Stimmung in vielen Bereichen sei „äußerst schlecht“, die Mitarbeiter fühlten sich „hin- und hergeschoben“. Und viele fürchteten, dass noch mehr schlechte Nachrichten nachkämen. „Die verkündeten Auslagerungen sind vermutlich nur der Anfang“, sagt das Betriebsratsmitglied.

Die Führung um den Ex-McKinsey-Berater Profumo zieht ihre Strategie unbeirrt durch. Die besteht darin, die effizienten Arbeitsabläufe bei UniCredit auf die übernommenen Gesellschaften zu übertragen. Alles wird an der Mailänder Skala gemessen, Profumos Konzept sieht vor, auf Dauer die meisten zentralen Funktionen ohne Kundenkontakt in miteinander vernetzten Kompetenzzentren zu bündeln.

Dabei profitiert UniCredit von der starken Position im Heimatmarkt, wo die Bank vor allem im Privatkundengeschäft sehr erfolgreich ist. Das Geldhaus, das erst 1998 aus dem Zusammenschluss mehrerer Regionalbanken und Sparkassen entstand, ist so zu einem der schlagkräftigsten Institute Europas geworden. Osteuropa steht dabei schon lange im Fokus, schon vor der Übernahme der HVB zählte UniCredit zu den Marktführern. In diesen Regionen sind vielfach noch zweistellige Wachstumsraten möglich, für Westeuropa erwartet Profumo dagegen in den kommenden Jahren nur ein Plus von 1,7 Prozent.

Sparen als Teil der Philosophie

Alles in allem steht die HVB heute stabil, wenn auch nicht berauschend da. Im vergangenen Jahr machte sie mehr als zwei Milliarden Euro Gewinn und erreichte eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von 25 Prozent. Doch im ersten Quartal 2008 musste die Bank einen Verlust von 282 Millionen Euro melden. Die Finanzkrise ging auch an der HVB nicht vorüber. Der Bereich Markets & Investmentbanking machte vor Steuern 640 Millionen Euro minus. Auch in vielen anderen Bereichen gingen die Erträge zurück. Positiv wirkte sich vor allem die Kostendisziplin aus. Die Verwaltungsaufwendungen gingen im Vergleich zum Vorjahr um fast neun Prozent zurück.

Sparen ist tatsächlich ein wesentlicher Teil der HVB-Philosophie. So sank das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag allein im vergangenen Jahr um 8 auf nun 54 Prozent. Ohne Einschnitte funktioniert so etwas nicht. Die Zahl der Mitarbeiter ging schon im vergangenen Jahr um fast 1000 auf knapp 25.000 zurück. Dem Investmentbanking zum Beispiel hat Profumo persönlich zudem radikale Einsparungen in der IT verordnet, berichtet ein Insider. Danach sollen die Kosten für Computer und Rechenleistung allein in diesem Jahr um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag sinken. Da dies im laufenden Betrieb kaum zu machen ist, sei das Entwicklungsbudget zusammengestrichen worden. „Inzwischen sieht es so aus, als könnte das ambitionierte Ziel erreicht werden“, sagt der Insider. Das läge aber nur an der allgemeinen Abkühlung gerade in diesem Bereich.

Das Investmentbanking zählt neben dem Geschäft mit Firmen und mit vermögenden Privatkunden zu den Hoffnungen der Bank. Für den Ausbau der Sparte hat sie ordentlich Geld lockergemacht. So wurden nach Angaben eines Insiders in den vergangenen Monaten allein 30 Experten für Firmenübernahmen bei der Konkurrenz abgeworben. Im Wertpapierhandel sieht es zurzeit allerdings mau aus. Dennoch soll die Stimmung gut sein. „Wir fühlen uns als Angreifer“, sagt ein Top-Manager.

Den großen Wurf erwartet niemand

Dadurch, dass mit dem Ex-Goldman-Sachs-Partner Theodor Weimer im kommenden Jahr ein Investmentbanker an die Spitze der HVB rückt, wird dessen Position sicher nicht schwächer. Die Personalie hat Spekulationen Auftrieb gegeben, die Bank könne sich mittelfristig von ihrem Privatkundengeschäft trennen. Das sei „absoluter Quatsch“, sagt einer, der eng mit Weimer zusammenarbeitet. In fast 15 Jahren als Unternehmensberater habe Weimer alle Bereiche des Bankgeschäfts kennengelernt. Auch Profumo hat sich in der vergangenen Woche zu dem Geschäftszweig bekannt. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gab er das Ziel einer Rendite von 20 Prozent für den Bereich aus.

Davon ist die Bank noch weit entfernt. Über Jahre hinweg bescherten die Sparer und Kreditnehmer der HVB Verluste. Erst seit Kurzem schreibt die Sparte schwarze Zahlen. Das liegt vor allem an der gesteigerten Effizienz. Während die Konkurrenten große Zuwächse bei der Kundenzahl melden, stagniert diese bei der HVB bei etwa drei Millionen. Wachstum soll es nicht in der Breite, sondern vor allem bei bestimmten Zielgruppen, etwa bei Ärzten, geben.

Einen großen Wurf erwartet derzeit niemand von der Bank. Bei der aktuellen Konsolidierung im deutschen Geldgewerbe spielt sie keine Rolle. An mangelndem Geld liegt das nicht, der Verkauf der Bank Austria hat nicht nur viel Ärger gebracht, sondern auch sechs Milliarden Euro für Akquisitionen in die Kasse gespült. Doch was damit geschieht, wird nicht in München entschieden. Sondern in Mailand.

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