Gänsebratenspitze für die Stromnetze

An Weihnachten wird der Stromverbrauch wieder sprunghaft ansteigen. Die Mobilfunkanbieter bereiten sich vor auf die Welle der Neujahrswünsche per SMS.

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DÜSSELDORF. Alle Jahre wieder: Am Vormittag des ersten Weihnachtsfeiertages sind die deutschen Energiekonzerne gefordert. Wie jedes Jahr, wenn der Festtagsbraten in die Backröhre kommt, wird der Stromverbrauch sprunghaft ansteigen. Der Ausschlag ist so markant, dass die Branche dem Phänomen einen anschaulichen Namen gegeben hat – „Gänsebratenspitze“.

„Zwischen 9 und 11.30 Uhr steigt der Stromverbrauch am ersten Feiertag in kurzer Zeit sehr steil an und fällt dann wieder ab“, erläutert Joachim Vanzetta, der bei der RWE AG die Systemsteuerung leitet. Offenbar laufe in allen Familien der Tag nach dem gleichen Schema ab: Die Deutschen stehen spät auf und genießen am Mittag einen festlichen Braten im Kreise ihrer Lieben. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist die Spitze schon nicht mehr so hoch: „Offenbar machen da viele einen Ausflug oder gehen auswärts essen.“

Rund 30 % betrage das Plus am ersten Weihnachtstag, sagt Vanzetta. Die Netzbetreiber müssen in kurzer Zeit ihre Kraftwerke unter Dampf setzen, um die Spannung im Netz halten zu können. Im vergangenen Jahr habe die Gänsebratenspitze allein im Netzgebiet von RWE der Leistung von fünf bis sechs Kernkraftwerksblöcken entsprochen, sagt Vanzetta. Für die Energiekonzerne sei das aber Routine. Der Anstieg sei zwar recht steil, und im Winter liege der Verbrauch der Haushalte wegen des kalten und trüben Wetters ohnehin recht hoch. Verglichen mit einem Werktag, an dem auch die Industriebetriebe am Netz sind, sei die Belastung an Weihnachten aber dennoch gut abzufangen.

Der Heiligabend verläuft für die Energieversorger ebenfalls ungewöhnlich: Vanzetta spricht von der „Heiligabend-zur-Kirchgeh-Senke“. Zwischen 19.30 und 22.00 Uhr fällt der Verbrauch um rund 10 % ab. Für gewöhnlich steigt er abends an, weil die Heizungen angeworfen werden, die Lichter angehen und der Fernseher eingeschaltet wird. „Man sieht, dass an Heiligabend eben doch sehr viele in die Kirche gehen“, sagt Vanzetta. Im vergangenen Jahr fiel der Verbrauch im RWE-Gebiet im Volumen von zwei Kraftwerksblöcken ab – das entspricht ungefähr dem Bedarf einer Drei-Millionen-Stadt.

Was für die Stromkonzerne Weihnachten ist, ist für die Mobilfunkbetreiber Silvester: „Alles Gute für 2004“, „Happy New Year“, „Einen guten Rutsch und gute Wünsche an alle“ – selbst Handybesitzer, die ihr Mobiltelefon sonst eher spärlich nutzen, werden kurz nach Mitternacht wieder eifrig Glückwünsche per Kurzmitteilung verschicken oder engere Freunde direkt anrufen. Die Folge: Zahlreiche Anrufe scheitern am überlasteten Netz, und so manche SMS kommt erst am späten Neujahrsabend beim Empfänger an.

„Punktuell kann es um Mitternacht zu Überlasten kommen, dann werden SMS-Nachrichten mit Verzögerung abgeschickt“, bestätigt eine Sprecherin von T-Mobile. Das sei aber nicht als Ausfall zu bezeichnen, sondern eher mit einer Autobahn vergleichbar, „auf der es durch erhöhtes Verkehrsaufkommen zu zäh fließendem Verkehr kommt“.

Am vergangenen Jahreswechsel lag die Zahl der SMS beispielsweise bei T-Mobile und Vodafone im zweistelligen Millionenbereich. Zum Vergleich: Über Vodafone wurden im Gesamtjahr 2002 ungefähr eine Milliarde SMS verschickt. „Um das zu verdeutlichen: Durchschnittlich hat fast jeder Bundesbürger zum letzten Jahreswechsel eine SMS verschickt“, sagt die T-Mobile-Sprecherin. Die Zahl der Telefonate habe noch deutlich höher gelegen. Bei O2 und E-Plus wird die Zahl der Neujahrs-Anrufe und -SMS nicht erfasst, aber auch hier rechnen die Betreiber mit einem traditionell hohen Aufkommen. Um die zu erwartenden SMS-Grüße zu bewältigen, beugt T-Mobile vor: An so genannten „Hot-Spots“, beispielsweise am Brandenburger Tor, rüstet der Netzbetreiber seine Kanäle zusätzlich auf.

In diesem Jahr müssen die Betreiber auch noch den ersten Boom bei Fotonachrichten stemmen. T-Mobile beispielsweise hat in Deutschland etwa zwei Millionen Kunden, die Multimedia-Messages (MMS) verschicken können, nach der Weihnachtsbescherung rechnen die Mobilfunker damit, dass noch mehr MMS-Geräte in Umlauf sind. O2 hat deswegen aufgerüstet, wie ein Sprecher sagte. Erst vor wenigen Wochen hat der Mobilfunkbetreiber die Kapazitäten für SMS und MMS weiter ausgebaut.

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