Gastbeitrag „Meint sie es wirklich ernst mit ihrer Karriere?“

Darauf warten, entdeckt zu werden? Kein Erfolgsrezept, findet Ursula Soritsch-Renier. Die IT-Chefin von Sulzer weiß: Man ist immer nur so erfolgreich wie die Resultate, die man geliefert hat – egal ob Frau oder Mann.

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Ursula Soritsch-Renier: Sulzer, Leiterin der IT. Ihr Posten ist eine Ebene unterhalb des Vorstands angesiedelt. Die Österreicherin hat sich in zwei Männerdomänen durchgesetzt: in der IT und im Maschinenbau.

Winterthur Ich sitze abends bei einer Veranstaltung für IT-Chefs, um die allerneuesten Informationstechnologien präsentiert zu bekommen. Es gibt vier Tische mit je acht Personen: 31 Männer und eine Frau - mich. Eine Ausnahme? Absolut nicht! Zwar tauchen hin und wieder andere Kolleginnen auf, in der Regel ist man aber doch oft allein in Diskussionen mit der obersten Führungsebene oder Gleichgesinnten in der IT-Branche.

An diesem Abend hätte ich eigentlich gerne ab und zu mal mein Smartphone gecheckt oder wenigstens für einen kurzen Moment die Augen geschlossen. Nur: Als Frau fällt man in einer solchen Runde total auf und zu jedem Zeitpunkt heftet sich mindestens ein Blick auf mich. Die Männer denken: „Was tut sie hier?“, oder: „Was macht sie, um hier mitmischen zu dürfen?“ Frau wird beobachtet. Ein kurzes Nickerchen, das sich manche männliche Kollegen in Besprechungen kurz mal erlauben, gibt es bei mir nicht. Ist das aber nun ein Nachteil? Nein. Denn durch mein „Herausstechen“ erhalte ich genau die Aufmerksamkeit, die notwendig ist, um gehört, wiedererkannt und integriert zu werden.

Die Frage, die ich hier beantworten möchte, ist, ob es als Frau in Männerdomänen schwieriger oder leichter ist, weiterzukommen. Lassen Sie mich dafür ein paar Beispiele aus meiner Vergangenheit erzählen. Meine erster Job nach dem Studium war bei einem multinationalen Elektronikkonzern. Ein fantastisches Arbeitsumfeld. Ich war jung, Akademikerin, arbeitete in der IT und hatte die Aufgabe, in der Produktion die Produktionskontrollsysteme neu aufzusetzen. Da beinahe die gesamte IT-Abteilung ausgelagert war, bekam ich die Chance, mich diesem Projekt zu widmen. Eine Mammutaufgabe.

Einsatzgebiet: die Produktion. Dort wurde in vier Schichten rund um die Uhr gearbeitet – eine eingeschworene Männerszene. An meiner Seite: der Qualitätsmanager der Abteilung. Wir hatten schnell gegenseitigen Respekt für die Fachkenntnisse und Erfahrungen des anderen und haben gemeinsam die beste Lösung erarbeitet. Wir schafften es, am Wochenende vor Projektende arbeitete ich 40 Stunden durch, mit vier Stunden Schlaf. Es war unglaublich, unser Projekt ein Riesenerfolg.

Damals – Ende der 90er-Jahre – gab es allerdings eine Besonderheit, die mit meinem Geschlecht zu tun hatte. War ich zwischen 22 und 6 Uhr in der Werkshalle unterwegs, wurde ich stets von einem Mann eskortiert. Der Grund: das damalige Nachtarbeitsverbot für Frauen. Eine bizarre Situation...


Was macht Mann mit einer Frau?

Grundsätzlich würde ich sagen, dass man als Frau in einer Männerdomäne den Vorteil hat, anders zu sein und dadurch einen Überraschungseffekt erzielt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Phase danach muss man sich mit soliden Resultaten verdienen und sich durch tatkräftiges Anpacken schlussendlich den Respekt erringen, der es ermöglicht, im Team als vollständig anerkanntes Mitglied weiterarbeiten zu können.

Auch wenn ich gerne ein Frau bin, in einer männerdominierten Geschäftswelt ist das „Frausein“ doch manchmal eine Herausforderung. In der Nachwuchsförderung einer Firma ist es immer noch oft so, dass derjenige gefördert und unterstützt wird, der einen ähnlichen Führungsstil wie der Chef hat. Da ist es leichter, Vertrauen zu fassen. Der Entscheider erkennt sich vielleicht wieder in dem Nachwuchskandidaten und kann ihn daher mit Überzeugung unterstützen. Leider „klont“ sich eine Organisation aber so und sperrt die Diversifizierung von Führungsstilen aus.

Ein paar Mal stand ich vor der Situation, dass mir das „Anderssein“ im Weg stand. Das fängt schon damit an, dass man sich mit einem Mann nicht mal eben ein Büro teilen kann, weil natürlich sonst schnell die Gerüchteküche brodelt. Schwierig ist es auch auf Geschäftsreisen: Oft war ich abends allein unterwegs, da die Herren, die ich besuchte, nicht wussten was sie mit mir anfangen sollten.

Einmal war ich in Singapur und der lokale Geschäftspartner kam im Vertrauen zu mir und sagte, dass er am Abend mit mir Essen und dann in den Nacht-Zoo gehen möchte. Ich dürfte dies aber nicht weitererzählen, damit seine Frau davon nichts höre. Ich selbst habe das Glück einen wunderbaren Ehemann zu haben, der Verständnis für meine Karriere hat, so dass sich Familie und Job ohne Probleme vereinbaren lassen.

Als Frau polarisiert man. Obwohl es viele Männer gibt, die Karrierefrauen positiv gegenüberstehen und diese auch aktiv fördern, habe ich auf meinem bisherigen Berufsweg erfahren müssen, dass nicht wenige Frauen den Weg nach oben skeptisch betrachten. Man muss sich doppelt behaupten, um nicht als schwächer oder jemand, den man gut dominieren und steuern kann, eingestuft zu werden. Alleine die Skepsis, die ich während meiner Schwangerschaft erfahren habe, war deutlich zu spüren. „Meint sie es wirklich ernst mit ihrer Karriere? Oder bleibt sie dann zuhause?“ Diese Bedenken aus dem Weg zu räumen, hat bis mehr als ein Jahr nach der Geburt gedauert.

Ein anderes Beispiel erlebte ich in Las Vegas. Ich war dort als Experte einer bestimmten Fernsehtechnologie am Stand meiner Firma. Eines Tages kam jemand auf mich zu und sagte: „Hey booth babe, can you tell me with whom I am supposed to talk about ...“ Nun, er wollte Auskunft über die Technologie, für die ich die Expertin war. Sie können sich vorstellen, wie peinlich ihm die ganze Sache danach war und er verschwand nach einem kurzem Gespräch mit hochrotem Kopf.

Was für mich interessant war – er hat eigentlich nur sein Bild im Kopf, sein Vorurteil gegenüber Frauen in Worte gefasst. Bei einer solchen Einstellung des Gegenübers – und ich hatte viele von diesen Momenten – muss man sich doppelt, nämlich fachlich und durch Einsatz, beweisen. Eine Herausforderung, die nicht immer leicht war, die ich jedoch eigentlich immer gerne angenommen habe, um „Mann“ das Gegenteil zu beweisen.


Warum Karriere in einer Männerdomäne?

Technologie hat mich schon immer fasziniert. Wie wird Informationstechnologie eingesetzt, um die Arbeit zu erleichtern, um Prozesse zu vereinfachen und Informationen auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen? Technologie ist ein vielschichtiges „Etwas“, das wir zu unserem Nutzen machen können. In diesem Zusammenhang ist für mich „Frau und Technologie“ ein besonders spannendes Thema. Das technische Wissen vorausgesetzt, geht es vor allem um die Schnittstelle zwischen Technologie und Mensch, also darum, die richtigen Personen zusammenzubringen, um Technologie einsetzbar zu machen. Hier spielen Empathie und Kommunikation die Schlüsselrollen. Frauen haben oft gute Fähigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen und können daher oft gut kommunizieren. Und eine gute Kommunikation entscheidet schlussendlich häufig über Erfolg oder Misserfolg.

Ein anderes Beispiel dazu: Ich war Leiterin eines globalen Projektes, das die gesamte Belegschaft von mehr als 100.000 Mitarbeitern des Konzerns betreffen würde. Eines Nachmittages schrieb ich kurzerhand eine E-Mail direkt an unseren CEO und Präsidenten des Weltkonzerns, um anzufragen, ob es nicht möglich wäre, dass ich mit meiner Filmkamera bei ihm vorbei komme und eine Message aufnehme. Damit wollte ich zeigen, wie wichtig dieses Projekt und die Zusammenarbeit aller dafür ist.

Innerhalb von zwei Stunden hatte ich eine positive Antwort des CEOs erhalten, aber auch ein paar irritierte Chefs dazwischen. Warum? Weil ich jegliche Hierarchie übersprungen hatte. Nun hat dies eigentlich nichts damit zu tun, ob ich das als Frau oder Mann mache und ich empfehle es absolut nicht, Hierarchien zu überspringen. Das kann auch mit guter Absicht schief gehen und Schaden anrichten. Aber: Ich empfehle, Dinge „out of the box“ zu tun und auch so zu handeln.

Oft wird von der Bescheidenheit der Frauen gesprochen und wahrscheinlich ist das auch so. Wichtig ist es aber, hier aktiv gegenzusteuern und Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Nach der erfolgreichen Einführung des Projektes in der Produktion, über das ich zuvor gesprochen habe, kam der oberste Chef aus der Zentrale zu Besuch. Natürlich stand ich nicht auf seiner Besucherliste. Trotzdem habe ich beinahe den ganzen Tag dort ausgeharrt, bis ich die Möglichkeit bekommen habe, mein erfolgreiches Projekt selbst vorzustellen. Ich wollte nicht, dass jemand anders das Projekt „verkauft“. Ich wollte den Erfolg, für den ich hart gearbeitet hatte, auch selbst einheimsen. Bescheidenheit und darauf warten, entdeckt zu werden, sehe ich nicht unbedingt als Erfolgsrezept an. Und grundsätzlich ist man immer nur so erfolgreich wie die letzten Resultate, die man geliefert hat – egal ob man Frau oder Mann ist.


Nutzen Sie den Überraschungseffekt

Vor einem Jahr habe ich die Position als Chief Information Officer in einem industriellen Maschinenbaukonzern angetreten. Beide Domänen sind nicht unbedingt bekannt für ihren Frauenanteil. In diesem Fall hatte ich sicherlich zunächst auch einen Überraschungseffekt auf meiner Seite. Die IT in der Firma stand vor großen Herausforderungen und ich war innerhalb von zweieinhalb Jahren der dritte CIO – da waren die Leute natürlich skeptisch. Ich war aber bereit, zuzuhören und Schritt für Schritt anzupacken, ich wollte einfach Fortschritte erzielen, die nur durch enge Zusammenarbeit vieler Parteien möglich sind.

Es war und bleibt ein hartes Stück Arbeit, aber wir sind auf gutem Weg. Ich bekam die Zeit, um mich fürs Erste zu beweisen. Mein Team ist neu strukturiert, Stabilisationsprojekte liefern Resultate und die Transparenz ist deutlich erhöht. Wir arbeiten eng mit unseren Business Partnern, um die Zukunft der Firma zu gestalten. Und wer will nicht Teil eines Erfolges sein?

Abschließend will ich noch einen wichtigen Punkt ansprechen: Und dabei ist es egal, ob man Mann oder Frau ist – man muss wissen, was man will. Ich spreche oft mit anderen, die mir erzählen, dass sie gerne Karriere machen würden, aber ohne jegliche klare Vorstellung. Es ist wichtig klar zu formulieren, was man machen will und wohin man will. Ich selbst beschloss zum Beispiel zu einem bestimmten Zeitpunkt, dass ich nun ausreichend Erfahrung gesammelt habe, um CIO zu werden. Diesen Wunsch habe ich ausdrücklich kommuniziert. Das macht es konkret und erlaubt anderen, einem zu helfen. Dabei sind Netzwerke ein wichtiges Element. Ich selbst bin in ein paar IT-Netzwerken wie auch in frauenorientierten, wie beispielsweise „Generation CEO“, das ins Leben gerufen wurde, um speziell Frauen auf ihrem Weg nach oben sichtbar zu machen und tatkräftig zu unterstützen. Die Grundidee: Netzwerke können informieren, unterstützen und einen vor allem durch Verbindungen nach vorne bringen.

Das ist ein Teil der Sache: Als Mentor wird man oft gefragt, wie man in seiner Karriere vorankomme. Nun, ich glaube daran, dass man erreicht, was man erreichen möchte. Und: Bleibe dabei immer du selbst! Ich bin Frau geblieben. Ich kommuniziere wahrscheinlich ein bisschen anders als meine männlichen Kollegen und trage nicht immer nur graue oder schwarze Anzüge und interessiere mich wie fast jede andere Frau für Schuhe. Denn man kann sich nicht auf Dauer verstellen und vor allem nicht, wenn man überzeugend sein möchte. Ich glaube an das, was ich mache, ich stehe dahinter und mein Team spürt das. Es ist wichtig, dass dein Team mit dir durch dick und dünn geht, denn das ist ein wichtiger Erfolgsbestandteil und ich glaube, dass man das nur erreichen kann, wenn man zu sich selbst steht.

Was bedeutet es nun für eine Frau, den Weg nach oben in eine Männerdomäne zu gehen? Nun, ich denke, dass es zugleich schwieriger wie auch einfacher ist. Schwieriger, weil man anders ist und es daher manchmal nicht leicht ist, unterstützt zu werden und die Chance zu bekommen, zu zeigen, was man kann. Einfacher, weil man als Frau beinahe immer einen Überraschungseffekt erzielt, wenn man in einer Männerdomäne mit Argumentation und Zielstrebigkeit vorgeht. Es geht darum, beides abzuwägen und in den richtigen Momenten bewusst für sich einzusetzen. Schlussendlich ist Diversität ein Erfolgsrezept, dem sich heutzutage keine Firma entziehen kann.

Die Autorin: Ursula Soritsch-Renier ist CIO bei Sulzer, einem international tätigen Maschinenbauunternehmen aus der Schweiz; die Alpenrepublik ist bereits das sechste Land, in dem sie lebt. Soritsch-Renier war seit 2009 bei Novartis Vaccines and Diagnostics als Global Head IT Strategy, und vorher drei Jahre lang Director Information Management bei Philips Healthcare. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Niederländisch und Französisch. Ihr Sohn ist in Belgien geboren, ihr Mann Amerikaner.

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