Gazprom "Das Gas reicht"

In einem seiner seltenen Interviews spricht Gazproms Deutschland-Chef Hans-Joachim Gornig über Imageprobleme, Zukäufe in Europa und die Liberalisierung des Energiemarkts.

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Hans-Joachim Gornig, Deutschland-Chef von Gazprom Quelle: dpa

Herr Gornig, sprechen wir über das Image von Gazprom in Deutschland. Können Sie Ihre Zeitungslektüre noch genießen?

Warum nicht? Kritische Artikel gehören zum Geschäft. Auch die Vertreter anderer Energieunternehmen müssen damit leben, dass sie ab und an schlechte Presse bekommen.

Gazprom kommt besonders schlecht weg. Oft wird Ihr Mutterkonzern als „Waffe des Kreml“ bezeichnet. Woher kommt dieser Ruf?

Die Skepsis gegenüber Russland hat historische Wurzeln. Vor einigen Monaten haben wir eine Ausstellung organisiert, die russlandkritische Karikaturen aus den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zeigen. Vorbehalte gab es also schon immer. Was Gazprom betrifft, so scheinen viele Menschen und insbesondere Journalisten nicht verstanden zu haben, dass wir eine ganz normale Firma sind, die nach Marktprinzipien arbeitet. Wir bemühen uns, das Bild zu ändern.

Sponsern Sie deshalb den Bundesliga-Club Schalke 04?

Wir sind vielfältig unterwegs, auch mit Kultur-, Forschungs- und Bildungsprojekten. Und wir machen uns für die Vertiefung der deutsch-russischen Beziehungen stark. Aber Schalke 04 ist natürlich das Zugpferd unserer Öffentlichkeitsarbeit...

...in das Sie jährlich bis zu 125 Millionen Euro investieren.

Zum Vertragsinhalt will ich mich nicht äußern. Mit unserem Engagement bei Schalke 04 sind wir aber sehr zufrieden. Deswegen möchten wir den bis 2012 laufenden Vertrag vorzeitig um weitere Jahre verlängern.

Bessert sich Ihr Image dank Schalke 04?

Auf jeden Fall. Wir werden in Deutschland viel stärker wahrgenommen als noch vor drei Jahren...

...aber nicht positiver.

Doch, auch positiver. Aber ich gebe zu, wir müssen noch daran arbeiten, dass die Deutschen mit Gazprom verstärkt Positives wie Zuverlässigkeit, Versorgungssicherheit und Offenheit ver-binden.

Wieso legen Sie Wert auf Ihr Image? Ihre Kunden sind Firmen, keine Privatleute.

Jedes Unternehmen ist an einem guten Ruf interessiert. Außerdem müssen wir an die Zukunft denken. Vielleicht werden wir uns bald auch stärker dem Endkundengeschäft nähern.

Im Januar dieses Jahres machte Gazprom Schlagzeilen, als die Gaslieferungen an die Ukraine wegen Zahlungsausfällen eingestellt wurden. Auch die Deutschen hatten Angst, dass ihre Heizung kalt wird. Haben Sie den Imageschaden schon beseitigt?

Sicher war die Ukraine-Krise schwierig. Aber ich glaube, es hat sich in Westeuropa allmählich die Ansicht durchgesetzt, dass Gazprom diese Krise nicht verschuldet hat.

Wird der Gasstreit Spuren in der Bilanz von Gazprom Germania hinterlassen?

Intern haben wir keine messbaren Auswirkungen auf unsere Geschäfte festgestellt. Natürlich ist der Gasabsatz in diesem Jahr gesunken, aber das hängt mit dem geringeren Bedarf angesichts der Krise zusammen. Für 2009 rechnen wir mit einem Umsatzwachstum um acht Prozent auf 16,6 Milliarden Euro. Allerdings wird der Gewinn nur bei etwas über 400 Millionen Euro liegen, also 70 bis 90 Millionen niedriger als 2008.

Wieso steigen Ihre Umsätze, wenn der Gasabsatz sinkt?

Wir sind kein reines Handelshaus für russische Gasimporte, und wir beschränken uns nicht auf den deutschen Markt. Unsere Tochter Gazprom Marketing & Trading streckt ihre Fühler weltweit aus. Am Londoner Spotmarkt handeln wir mit Flüssiggas, in Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und den USA treten wir als Gashändler auf. Außerdem entwickeln wir eigene Gasfelder in Usbekistan und betreiben Gasspeicher in ganz Europa. Wir haben unser Aufgabenfeld so stark diversifiziert, dass wir Absatzverluste in Deutschland abfedern können. Zur Umsatzsteigerung tragen auch Übernahmen und Beteiligungen bei, zum Beispiel der Einstieg beim tschechischen Versorger Vemex.

Planen Sie Zukäufe in Deutschland?

Den deutschen Markt behalten wir im Auge. Wenn sich interessante Chancen bieten, werden wir die genau prüfen.

Bei einem Umsatz in zweistelliger Milliardenhöhe dürfte der Kauf von regionalen Versorgern nicht am Kapital scheitern.

Alle Pläne zur Akquise von regionalen Versorgern haben wir auf Eis gelegt. Das heißt nicht, dass wir das Interesse verloren haben. Aber wir warten die Liberalisierung im Energiesektor ab. Wenn die Versorger ihre Netze verkaufen, verlieren sie für Investoren wie uns an Wert.

Die Trennung der Energieerzeuger von ihren Netzen soll für mehr Wettbewerb sorgen. Wieso sind Sie dagegen?

Was in Europa vorgeht, grenzt an Liberalisierungswut. In den vergangenen 20 Jahren haben wir rund zwei Milliarden Euro in die Infrastruktur unserer Tochter Wingas investiert. Dieses Geld ist jetzt nicht mehr dasselbe wert wie vor ein paar Jahren. Ich glaube auch nicht, dass die Trennung von den Netze die Versorgungssicherheit erhöht. Als Käufer sind schon reine Finanzinvestoren im Gespräch.

Bei Deutschlands drittgrößtem Versorger VNG wollen Sie aber Ihren Anteil von fünf auf mehr als zehn Prozent erhöhen.

Wir arbeiten seit fast 20 Jahren daran, bei VNG eine angemessene Stellung zu bekommen. Ich hoffe, dass das nun gelingt.

Es heißt, Sie wollen den Anteil von Gaz de France übernehmen und Frankreich dafür an der Nord Stream-Pipeline beteiligen.

Einen solchen Tausch halte ich für prüfenswert, aber das entscheidet nicht allein Gazprom. Auch die anderen Aktionäre im Nord Stream-Konsortium müssen einverstanden sein, darunter BASF, E.On sowie Gasunie.

Die Verhandlungen laufen über Moskau. Wie autonom sind Sie in Berlin?

Wir sind eine Tochter von Gazprom Export. Daher ist die Zusammenarbeit sehr intensiv. Alexander Medwedew [Chef des Mutterkonzerns, Anm. d. R.] ist normalerweise monatlich in Berlin und stimmt sich mit uns ab. In den nächsten Wochen wird er häufiger kommen, da der Bau der Nord Stream-Pipeline jetzt wohl vorankommt.

Schweden und Finnland haben ihren Widerstand gegen die Ostsee-Pipeline aufgegeben. Wann geht die Röhre in Betrieb?

Ich gehe davon aus, dass wir den Zeitplan einhalten. Das heißt, im nächsten Jahr ist Baubeginn, 2011 wird das erste Gas in Deutschland ankommen.

Gazprom will Europa auch über die South Stream-Pipeline durch Bulgarien und Österreich mit Gas versorgen, außerdem neue Großkunden wie China und die USA beliefern. Derweil versuchen EU-Länder, Ihnen zentralasiatisches Gas streitig zu machen. Haben Sie noch genug Reserven?

Das Gas reicht. Sonst würden wir für Projekte wie Nord und South Stream gar keine Finanzierung auf die Beine stellen können. Die Banken verlangen von uns detaillierte Pläne über Reserven, die Kosten der Erschließung und die Märkte, die wir damit versorgen wollen. Wenn wir nicht genug Gas hätten, könnten wir keine Pipeline bauen.

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