Geldwoche Ströer-Börsengang birgt einige Ungereimtheiten

Außenwerber Ströer ist erfolgreich an der Börse gestartet. Doch bei der Neuemission gibt es ein paar Ungereimtheiten. Ströer-Chef Müller kauft beim Börsendebüt Aktien — und bekommt doppelt so viel ausgezahlt.

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Der Börsengang im Check

Außenwerber Ströer hat einen guten Start an der Frankfurter Börse erwischt. Anleger konnten die Aktie für 20 Euro zeichnen, die ursprüngliche Preisspanne lag bei 17 bis 24 Euro. Für die Aktie wirbt Gründer Udo Müller mit dem Versprechen, beim Börsengang selbst Aktien zu kaufen. Angeblich, weil Ströer ein „attraktives Investment“ sei, sagt Müller. Er werde mit dem Sohn des Co-Gründers, Dirk Ströer, und Finanzchef Alfried Bührdel Aktien für fünf Millionen Euro zeichnen. In etlichen Medien wurde dies als Vertrauensbeweis für das  Unternehmen gefeiert — doch Details aus dem Börsenprospekt stellen diese Ansicht infrage.

Denn die beiden Vorstandsmitglieder bekommen beim Börsengang ein Vielfaches von dem in bar ausgezahlt, was sie in Aktien investieren. Ströer-Chef Müller erhält bei einem Börsenpreis zur Mitte der Spanne rund fünf Millionen Euro aus einem Bonusprogramm, nur ein Viertel davon investiert er laut Prospekt in die Aktie. Für Finanzchef Bührdel würden laut Wertpapierprospekt bei 20,50 Euro Ausgabepreis (also annähernd dem nun gewählten Ausgabepreis) 2,7 Millionen Euro fällig, nur ein Drittel steckt er in Ströer-Aktien. Bei den fünf Millionen Euro für den Aktienkauf kommen 1,25 Millionen Euro von Müller, 950.000 Euro von Bührdel und 3,0 Millionen Euro von Dirk Ströer, der als Einziger der drei keinen Bonus erhält. Daher ist Dirk Ströer der einzige aus dem Trio, der mit Geld zahlt, das er nicht gleichzeitig vom Unternehmen ausgezahlt bekommt.

Hier raus, da rein

Das Bonus-Programm mit dem Namen „Phantom Stock Bonus“ endet mit dem Börsendebüt. Dafür erhalten Müller und Bührdel „den maximalen Phantom-Anteil an dem Unternehmen, unabhängig vom investierten Betrag“. Klingt gut — für das Management, aber nicht für neue Investoren. Im Prospekt heißt es, das Unternehmen Ströer habe angestrebt, dass die Vorstände den Nettobetrag aus dem Phantom Stock Bonus beim Börsengang in Aktien reinvestieren. Finanzchef Bührdel ist vertraglich sogar verpflichtet, wenigstens ein Drittel des Nettobetrags aus dem Phantom-Aktien-Bonus in Ströer-Aktien zu stecken. Verpflichtet zum Kauf — das ist allerdings kein Vertrauensbeweis. Und kein Zeichen, dass die Aktie fair bewertet ist.

Gemessen an den üblichen Kennziffern, ist sie eher das Gegenteil: Der Unternehmenswert zur Preisspanne entspricht dem 7,4- bis 8,7-Fachen des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (Ebitda), den Analysten im Durchschnitt für 2011 erwarten. Zum Vergleich: Im Durchschnitt kosten europäische Aktien das sechsfache Ebitda, nur die Konsumgüterbranche bringt es auf das Achtfache, weil diese Unternehmen als resistenter gegen Konjunkturflauten gelten.

Duopol-Prämie

Das kann man von Ströers Werbeflächen nicht sagen: Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) brach von 2007 bis 2009 um die Hälfte auf 39 Millionen Euro ein. Verglichen mit dem französischen Rivalen JC Decaux, biete Ströer einen Bewertungsabschlag, sagt Müller: Die Franzosen hätten in den vergangenen Jahren, gemessen am Unternehmenswert, meist mehr als den neunfachen Ebitda-Gewinn des folgenden Jahres gekostet. Allerdings: Zuletzt ist die Kennziffer bei JC Decaux auf 8,4 gesunken, sodass Börsenneuling Ströer am oberen Ende der Preisspanne teurer gewesen wäre als die seit Jahren am Markt etablierten Franzosen.

JC Decaux ist erheblich finanzstärker, die Nettoschulden betrugen Ende 2009 nur das Zweifache des Ebitda. Ströer ist dagegen mit dem mehr als Dreifachen des für 2010 erwarteten Ebitda verschuldet, selbst wenn die Schulden dank Tilgungen mit dem frischen Geld von der Börse wie von Analysten geschätzt auf 406 Millionen Euro sinken. Schlecht für Aktionäre: Kreditgeber haben Ströer per Vertrag untersagt, eine Dividende zu zahlen, bevor die Nettoschulden unter das 2,5-fache Ebitda sinken.

Ein Abschlag zu JC Decaux ist kein Kaufgrund, denn Decaux ist teuer: Anleger zahlen das 30-Fache des Nettogewinns 2010 — das Doppelte des Durchschnitts für europäische Aktien. Der Grund: JC Decaux hat wie Ströer ein vor Konkurrenz geschütztes Geschäft. So hat Ströer auf Jahre hinaus Flächen an Bahnhöfen gemietet und besitzt viele Verträge mit Kommunen. Der Anteil der Außenwerbung am deutschen Werbeaufkommen werde von derzeit vier auf sechs Prozent steigen, schätzt Müller. In Frankreich sind es mehr als zehn Prozent. Außerdem ist Ströer mit Abstand Marktführer in Polen und der Türkei. Doch was nützt das, wenn die Aktie teuer an die Börse kommt. Mit der Posse um den vermeintlichen Vertrauensbeweis hat das Management außerdem Vertrauen verspielt.

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