Gema Club der Plutokraten

Ob Künstler, Weihnachtsmarkt- oder Konzertveranstalter – der Widerstand gegen den undurchsichtigen Musikrechte-Verwerter Gema und sein krass einseitiges Geschäftsgebaren wächst.

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Der Sänger Arnim Quelle: dpa

Das Convention Center auf dem Gelände der Hannover Messe war voll besetzt. Das Computermagazin „Chip“ hatte geladen, um die „Bremse des Jahres“ zu verleihen. Das Publikum lachte und feixte. Auf der Bühne hielt der stellvertretende Chefredakteur Josef Reitberger eine Bremsscheibe in die Luft. Empfänger des verächtlichen Lorbeers: die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – besser bekannt unter dem Kürzel Gema.

Die Spotttirade vom März bildet nur einen von vielen Tiefpunkten des in München ansässigen Musikrechte-Verwerters. Erst am Wochenende hatte die Hackergruppe "Anonymous" die Website der GEMA zeitweise lahm gelegt. Sie protestierten damit gegen vermeintlich "überhöhte Forderungen bezüglich urheberrechtlich geschütztem Material auf Youtube". Seit mehr als zwei Jahren verhandeln die Videoplattform und die Verwertungsgesellschaft um Lizenzzahlungen für Musikvideos, der Streit war kürzlich eskaliert, nachdem die GEMA eine Klage gegen YouTube eingereicht hatte.

Die nächste Watsche droht nun, wenn sich noch in diesem Jahr der Bundestag mit einer Petition befassen wird, die den Totalumbau der Organisation fordert.

Beschwerden von Musikern, Veranstaltern und Fans

Die Bittschrift, die vor zwei Jahren die Kulturveranstalterin Monika Bestle im bayrischen Sonthofen verfasste, wird inzwischen von 110 000 Musikschaffenden unterstützt. Anstelle fragwürdiger Gebühren und überbordender Bürokratie, so die Forderung, solle sich die Gema endlich durchschaubarer Geschäfts- und Inkassobedingungen befleißigen. Vor allem aber solle es ein Ende mit der krassen Bevorzugung der Großverdiener des hiesigen Musikbetriebs haben.

Die Liste der Klagen über die Gema ließe sich beliebig verlängern. Musiker, die live ihre eigenen Werke aufführen, beschweren sich, finanziell zu kurz kommen. Konzertveranstalter laufen Sturm gegen hohe Gebühren. Und wegen Streits mit der Internet-Plattform YouTube können deutsche Fans keine Musikvideos ihrer Lieblingsidole verfolgen.

1903 von dem Komponisten Richard Strauss mitbegründet, hat es der Apparat mit seinen 1100 Mitarbeitern inzwischen in den Augen vieler zur Inkarnation des rückwärtsgewandten Pfründenverwalters gebracht. Das Mitgliedermagazin „Virtuos“ gleicht nicht selten einer Hochglanz-Ahnengalerie. In der März-Ausgabe huldigte das Blatt – neben anderen gereiften Geburtstagskindern – zum Beispiel dem kölschen Gassenhauer-Komponisten Gerhard Jussenhoven („Darum trinkt Rheinwein, Männer seid schlau, dann seid am Ende auch ihr kornblumenblau“).

Unstrittig sind lediglich das Anliegen und das Geschäftsprinzip der Traditionsorganisation. Der eingetragene Verein, der vom Staat überwacht wird, hütet als Vereinigung von 65 000 überwiegend deutschen Komponisten, Textautoren und Verlegern etwa 30 Millionen geschützte musikalische Werke: von „Schöne Maid, hast Du heut’ für mich Zeit“ über „Flugzeuge im Bauch“ bis „Haus am See“. Sobald jemand eines dieser Werke nutzt, kassiert die Gema im Namen ihrer Mitglieder dafür eine bestimmte Gebühr. Zahlen muss jeder, egal, ob Radio- oder Fernsehsender, Kneipier, Künstler, Konzertveranstalter, Musikgruppe, Friseur, Großparty-Gastgeber oder Drehorgelspieler. Damit sichert die Gema so manchem Komponisten und Texter den Lebensunterhalt.

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