Gender Pay Gap Aldi und Lidl schlagen Ryanair bei gerechter Bezahlung

In Großbritannien müssen Firmen offenlegen, ob sie Männern mehr bezahlen als Frauen. Deutsche Discounter schneiden besser ab als viele andere.

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Gender Pay Gap in Großbritannien: Aldi und Lidl schlagen Ryanair Quelle: Reuters

London In britischen Unternehmen wurde in den vergangenen Wochen fieberhaft gerechnet. Erstmals mussten sie melden, wie sie ihre männlichen und weiblichen Mitarbeiter bezahlen – und wer mehr bekommt. Über 10.000 Unternehmen hatten bis Mittwochnacht ihre Berechnungen eingereicht. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Weibliche Mitarbeiter bringen weniger Geld nach Hause als männliche Kollegen. Landesweit beträgt der so genannte Gender Pay Gap 18,4 Prozent.

Das liegt nicht unbedingt daran, dass Männer und Frauen für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden – das wäre gesetzlich verboten. Doch die Zahlen berücksichtigen nicht unterschiedliche Qualifikationen oder dass Frauen mehr in Teilzeit arbeiten. Das betonen gerade diejenigen Unternehmen, die besonders schlecht abgeschnitten haben.

Etwa der Billigflieger Ryanair, der mit einem deutlich schlechteren Wert als die meisten anderen Unternehmen aufwartete: 72 Prozent weniger bekommt „Frau Mustermann“ in Großbritannien von der Airline bezahlt als „Herr Mustermann“. Aber gerade einmal drei Prozent der gut bezahlten Jobs – etwa Piloten – werden von Frauen erledigt, während sie bei schlechter bezahlten Tätigkeiten 57 Prozent der Arbeitskräfte ausmachen.

Auch Konkurrent Easyjet kommt deswegen nicht gut weg: Insgesamt beträgt der Gender Pay Gap bei der orangefarbenen Airline 46 Prozent. Hier arbeiten gerade einmal elf Prozent der Frauen in gut bezahlten Positionen. Der neue Firmenchef Johan Lundgren bekam zunächst ein Einstiegsgehalt, das fünf Prozent über dem letzten Gehalt seiner Vorgängerin Carolyn McCall lag. Nach der Veröffentlichung der Gehaltslücke ließ er sein Gehalt entsprechend kürzen – ein Verzicht auf 34.000 Pfund (umgerechnet 39.000 Euro) im Jahr.

Am allerschlechtesten schnitt über alle Unternehmen hinweg das Medienunternehmen NWN Media ab mit 85,2 Prozent. Das Unternehmen bietet Lokalzeitungen wie den „Wharfedale Observer“ an. Deutlich erfreulichere Zahlen als die meisten anderen Unternehmen vermeldeten übrigens die auf der Insel sehr verbreiteten Discounter Aldi und Lidl mit Werten von knapp fünf beziehungsweise drei Prozent.

Mit Blick auf die unterschiedlichen Branchen sticht besonders die Finanzbranche als schlechtes Beispiel hervor: So verdient eine Frau im Durchschnitt 36 Prozent weniger als ein Mann. Harsche Kritik musste so die britische Großbank Barclays einstecken, als sie kürzlich ihre Berechnungen offenlegte. Laut Hochrechnungen, die die BBC veröffentlichte, beträgt die Differenz nur knapp unter 20 Prozent – noch schlechter schneiden allerdings die Royal Bank of Scotland und Goldman Sachs mit Werten über 30 Prozent ab. Virgin Money – die Banksparte des Konzerns von Milliardär Richard Branson – vermeldete den Wert von 39 Prozent.

Bereit als die Ergebnisse von Barclays bekannt wurden, war man in Großbritannien empört: Die Vorsitzende des parlamentarischen Finanzausschusses, die konservative Abgeordnete Nicky Morgan, hatte diese Zahlen als „schockierend“ bezeichnet, schließlich schreibe man das Jahr 2018. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Schließlich spiegeln sie nur bedingt die unterschiedlichen Gehaltsstrukturen innerhalb eines Unternehmens wider, sei es nun eine Airline oder eine Bank.

So schneiden Banken mit einer großen Investmentbanking-Sparte besonders schlecht ab, weil in diesem Bereich besonders viele Männer arbeiten und hohe Boni verdienen. Frauen in der Investmentbank von Barclays verdienen im Mittel 44 Prozent weniger als Männer. Bei den Angestellten im Privatkundengeschäft der Bank ist die Lücke mit 14 Prozent immerhin geringer. Und bei Airlines fällt eben ins Gewicht, dass hinter dem Cockpit meist Männer sitzen.

Doch die Zahlen werfen weitere Fragen auf. So ist es unklar, welche Konsequenzen diejenigen Unternehmen zu erwarten haben, die nichts gemeldet haben. Und einige Unternehmen haben auch Zahlen gemeldet, die keinen Sinn ergeben. So haben den Hochrechnungen britischer Zeitungen zufolge gut 50 Unternehmen gemeldet, dass sowohl die Angaben zum Median als auch zum Durchschnitt gleich sind – was sehr unwahrscheinlich ist. Ebenso wie der von sechs Unternehmen berichtete Fall, dass der Wert unter eins liegt. 220 Unternehmen haben ihre Angaben geändert, was ebenfalls für hochgezogene Augenbrauen sorgt.

Sechs Zahlen forderte die Regierung an: Die durchschnittliche Differenz zwischen der Bezahlung für Männer und Frauen als Durchschnittswert, die durchschnittliche Differenz zwischen der Bezahlung für Männer und Frauen als Medianwert, die durchschnittliche Differenz zwischen dem Bonus für Männer und Frauen als Durchschnittswert und als Medianwert, den Anteil der Männer und Frauen die einen Bonus erhalten und die Differenz der unterschiedlichen Bezahlungen, wenn sie in vier Gruppen – vom niedrigsten bis zum höchsten Gehalt – eingeordnet werden.

In Deutschland wurde der Gender Pay Gap übrigens auch schon ermittelt. Er lag zuletzt bei über 20 Prozent – und damit noch über dem Wert von Großbritannien.

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