Geschäftsreisen Rückkehr in die Business Class

Die Nachrage nach Geschäftsreisen zieht wieder an. Die Unternehmen lockern die Beschränkungen – aber nur ein wenig.

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Business Class der British Airways: Sichtschutz für mehr Privatsphäre

Für die Berater von Roland Berger ist die Welt seit August wieder in Ordnung – weil die Geschäfte weit besser laufen als erwartet, sind die Mitarbeiter der nach Umsatz drittgrößten Unternehmensberatung in Deutschland wieder ständig auf Achse. Das Schöne dabei – die Consulter dürfen statt Economy wieder Business Class fliegen, sogar auf kurzen und mittellangen Strecken.

Während der Finanzkrise hatte der damalige Berger-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Burkhard Schwenker seine Vielflieger gebeten, mit der Holzklasse vorliebzunehmen. Zudem hatte das Unternehmen mit dem häufig preiswerteren, klassenlos fliegenden Lufthansa-Konkurrenten Air Berlin einen Firmenvertrag abgeschlossen.

Unternehmen sind wieder großzügiger

Was bei Berger passiert, gilt für die meisten deutschen Unternehmen – wenn auch nicht in dieser Großzügigkeit. „Unsere Kunden reisen wieder mehr, gleichzeitig sind die Firmen flexibler“, sagt Martina Eggler, Verkaufs- und Marketingleiterin für Zentral- und Osteuropa bei der Geschäftsreisekette Carlson Wagonlit Travel (CWT). Vor allem auf Langstrecken dürfen viele wieder in der bequemeren Businessclass Platz nehmen, und auch bei der Hotelauswahl sind die Unternehmen großzügiger als während der Wirtschafts- und Finanzkrise. „Das bedeutet aber nicht, dass jetzt jeder machen kann, was er will – für die Reisekosten gilt weiterhin ein strenges Regiment“, sagt Liane Feisel, Inhaberin der auf Reisemanagement-Themen spezialisierten Beratungsfirma Feisel Consulting in Hamburg.

Reiseetats wurden gekappt

Der Geschäftsreisemarkt war schon gleich zu Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Herbst 2008 schwer unter Druck geraten. Branchenübergreifend wurden Reiseetats gekappt, in vielen Firmen mussten Dienstreisen von der obersten Geschäftsführung genehmigt werden. Etliche Konzerne erließen sogar ein allgemeines Reiseverbot für ihre Mitarbeiter. Und wer noch reisen durfte, der musste sich in Bescheidenheit üben. Der Softwaregigant SAP etwa verbot Business-class-Flüge. Andere Unternehmen verbannten ihre Bahn-Reisenden in die zweite Klasse, wo sie ihre Laptops neben spielenden Kindern und fröhlichen Rentner-Kegelclubs aufklappen mussten.

Die Folge der von ganz oben verordneten Bescheidenheit waren Umsatzeinbrüche von bis zu 30 Prozent bei manchen Airlines oder Hotelkonzernen im vergangenen Jahr. Die Zahl der Geschäftsreisen ging 2009 „dramatisch um elf Prozent“ auf 145 Millionen zurück, heißt es in der vom Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) herausgegebenen Geschäftsreiseanalyse 2010. Mittelständische Unternehmen verzichteten sogar auf fast ein Viertel aller Reisen. Die Gesamtausgaben verringerten sich um beinahe zwölf Prozent auf gut 41 Milliarden Euro.

Grafik: Wie viel in deutschen Unternehmen gereist wird und was das kostet

Allein die Ausgaben für Flugtickets gingen um etwa zwei Milliarden Euro zurück. „Hinter dieser Zahl verbergen sich nicht nur weniger Tickets, sondern ebenso die Steuerung in die Economy-Klasse auch bei interkontinentalen Flügen“, schreiben die Verfasser der Geschäftsreiseanalyse. Mietwagenunternehmen mussten auf eine Milliarde Euro Umsatz  verzichten, die Hotellerie auf knapp zwei Milliarden. Die Reduktion des Reisevolumens war zwar die häufigste Antwort auf die Krise – aber nicht die einzige: Zwei Drittel aller Unternehmen ersetzen nach den Ergebnissen der VDR-Analyse vor allem interne Meetings durch Video-, Web- oder Telefonkonferenzen. Die Hälfte setzte den Rotstift zudem bei Veranstaltungen an. „Messeauftritte und -besuche wurden eingeschränkt, Kundenveranstaltungen verschoben“, sagt Beraterin Feisel.

Ein Teil ist für immer verloren

Ein Teil des Reisevolumens ist für Fluggesellschaften und Hotelkonzerne wohl für immer verloren. „Konzerne waren bei der Nutzung digitaler Kommunikationstechnologien die Vorreiter, inzwischen haben aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen in diese Technik investiert“, sagt VDR-Präsident Dirk Gerdom. „Reisevermeidung ist ein anhaltender Trend – nicht nur, um Kosten zu verringern, sondern auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten.“

Doch nicht jede Reise lässt sich durch eine wackelige Web-Konferenz ersetzen: „Kundenbesuche etwa sind nicht substituierbar, da bleibt der persönliche Kontakt unverzichtbar“, sagt VDR-Chef Gerdom. Parallel zur Auftragslage der deutschen Wirtschaft steigen darum auch die Reiseausgaben wieder: „Wir haben unseren Umsatz im ersten Halbjahr 2010 um 18,4 Prozent gesteigert“, freut sich CWT-Managerin Eggler, bei Langstreckenbuchungen liegt der Zuwachs sogar noch etwas höher.

Maßstäbe bleiben streng

Auch bei den Businessclass-Tickets gibt es seit Beginn des zweiten Quartals ein Plus: Der Kreditkartenanbieter AirPlus International, über den ein Großteil der deutschen Unternehmen ihre Reisekosten abrechnet, registrierte zu Jahresbeginn ein Plus von acht Prozent, im Juni lag der Businessclass-Anteil sogar zehn Prozent über Vorjahresniveau. Eine richtige Entscheidung, findet Jörg Martin vom Beratungsunternehmen CTC Corporate Travel Consulting Bad Schwalbach: „Wer auf Langstrecke Holzklasse vorschreibt, muss irgendwann auch Thrombosestrümpfe verwalten.“

Doch auch da, wo die Travel Manager ihren Langstreckenreisenden mit Ziel USA, Südamerika oder Asien mittlerweile wieder den Flug in den komfortableren Business-Fauteuils erlauben, bleiben die Maßstäbe streng. „Manche Firmen haben ganz neue Regeln aufgestellt, da sind Businessclass-Flüge beispielsweise nur erlaubt, wenn die Flugzeit mindestens sechs Stunden dauert und am Ziel höchstens zwei Übernachtungen vorgesehen sind“, sagt Beraterin Feisel.

Grafik: In welcher Klasse Geschäftsreisende fliegen

Das restriktive Vorgehen ist durchaus angebracht. Zwar hat die Krise den Reisemanagern insgesamt mehr Gewicht verschafft, weil mittlerweile auch Vorstände erkannt haben, dass selbst kleine Änderungen der Reiserichtlinie sofort Einfluss auf den Cash-Flow der Unternehmen haben. Doch die Sparbemühungen wurden durch einen Preisverfall bei Fluggesellschaften und Hotels unterstützt.

Mit dem Wiederanziehen der Nachfrage ist dieser Entlastungseffekt perdu – Reisen werden wieder teurer. „Die Flugtarife steigen auf breiter Front, vor allem auf bestimmten, gut ausgelasteten Strecken nach Asien und auf Verbindungen, wo die Lufthansa ohne Konkurrenz fliegt“, sagt Beraterin Feisel. Ebenfalls kostentreibend wirkt sich für die Reisemanager der gegenwärtige Trend in der Luftfahrt aus, immer mehr Leistungen aus dem Basistarif auszugliedern und schon für kleinste Leistungen Extragebühren zu berechnen (siehe Seite 92). CWT-Managerin Eggler sieht auch bei den Übernachtungskosten einen Aufwärtstrend, „allerdings gibt es Riesenunterschiede je nach Destination.“

Rabatte werden nicht genutzt

Aus dem Ruder laufen müssen die Reisekosten deshalb nicht. „Es gibt eine Menge Stellschrauben, an denen man drehen kann“, sagt VDR-Präsident Gerdom. Viel Potenzial schlummert im Veranstaltungsbereich. In 80 Prozent aller Unternehmen laufen die etwa bei Vertriebstagungen anfallenden Reisekosten am normalen Reiseeinkauf vorbei, weil die Organisation in der Verantwortung der Marketingabteilungen liegt. Die Folge: Die mit Hotelketten oder Fluggesellschaften vereinbarten Rabatte werden nicht genutzt. „Wo unsere Kunden den Ticket- und Hotelzimmereinkauf in ihr Reisemanagement einbezogen haben, konnten die Budgets um 10 bis 20 Prozent gesenkt werden“, hat CWT-Verkaufschefin Eggler festgestellt.

Reisen werden wieder teurer

Doch auch mittelständische Unternehmen ohne Veranstaltungsbereich und mit geringeren Reiseetats haben in aller Regel die Möglichkeit, ihre Ausgaben zu senken. „Ausgehend von den Regelungen in der Reiserichtlinie erarbeiten wir eine Matrix mit verschiedenen Szenarien und leiten daraus unterschiedlich hohe Kosteneinsparungen ab“, erklärt Beraterin Feisel das Vorgehen.

Dazu rechnen sie und ihre Kollegen zum Beispiel hoch, was ein vollständiges oder teilweises Umsteigen von der Business- in die Economy Class bringt, wie sich eine längere Vorausbuchung – etwa von Flügen zu Messen oder anderen lange im Voraus feststehenden Terminen – auswirkt, was sich mit einem Wechsel von einer Fluggesellschaft auf eine andere sparen lässt oder wie viel die Einführung eines Online-Buchungsprogramms bringt.

„Erfahrungsgemäß kommen wir dabei immer auf eine Ersparnis im zweistelligen Prozentbereich“, so Feisel, „ohne Abstriche bei der Reisequalität.“  

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