Gesetzesänderung Wie der Staat bei Insolvenzen stärker abkassieren will

Die Bundesregierung will im Rahmen der aktuellen Sparmaßnahmen das vor 11 Jahren abgeschaffte Fiskusvorrecht wieder einführen. Im Interview mit wiwo.de erklärt Insolvenzexperte Christian Staps, warum er den Vorstoß für verfehlt hält.

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Christian Staps

Erst 1999 hatte die damalige Bundesregierung das Fiskusvorrecht, also den bevorrechtigten Zugriff der Steuerbehörden auf die verwertbare Masse von Pleitefirmen, abgeschafft. Die meisten Insolvenzfachleute kritisieren die Wiedereinführung des Fiskusvorrechtes. Christian Staps, Insolvenzexperte bei der internationalen Anwaltssozietät Jones Day hält die geplante Regelung für verfehlt und möglicherweise sogar verfassungsrechtlich bedenklich.

wiwo.de: Herr Staps, warum führt die Regierung das Fiskusvorrecht elf Jahre nach der Abschaffung wieder ein?

Staps: Die offizielle Begründung lautet, dass mit der Abschaffung im Jahr 1999 die Banken bevorzugt worden seien. Aber das trifft nicht zu. Banken lassen sich von ihren Schuldnern in der Tat Sicherheiten einräumen, dank derer sie bei Insolvenzen besser dastehen als die meisten Gläubiger, aber das gilt auch für Warenlieferanten, die unter Eigentumsvorbehalt liefern. Das war schon vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts im Jahre 1999 so. Diese im Vorfeld einer Insolvenz getroffenen vertraglichen Regelungen werden aber durch die geplante Gesetzesänderung überhaupt nicht berührt. Banken und Lieferanten behalten weiterhin die Möglichkeit, ihr Risiko zu vermindern. Die Möglichkeit zur Sicherheitengewährung ist letztlich auch Voraussetzung für eine funktionierende Kreditwirtschaft.

Bei der verbleibenden Insolvenzmasse käme es also zu einer Art Zwei-Klassen-Insolvenz? 

Ja, und die gewöhnlichen – sprich ungesicherten - Gläubiger wären die gegenüber dem Fiskus Benachteiligten. In der Regel sind das Unternehmen, deren Stellung nicht stark genug ist, um Sicherheiten verlangen zu können. Man wird das Gefühl nicht los, dass vornehmlich das Interesse der Regierung an weiteren Einnahmen, die sich angeblich auf 500 Millionen Euro belaufen sollen, eine Rolle bei der Wiedereinführung des Fiskusvorrechtes spielt.

Passt die Bevorzugung des Fiskus in unser Rechtsystem?

Nein. Diese Regelung ist sogar verfassungsrechtlich bedenklich. Die verbleibenden Gläubiger müssen die Lasten tragen, um die Steuerzahler zu schonen. Das verletzt möglicherweise den Gleichheitsgrundsatz und die Eigentumsgarantie. Zudem ist letztlich jeder Vorrechtskatalog   willkürlich - hierüber bestand eigentlich schon bei der Abschaffung des Fiskusvorrechts Konsens.

Warum wurde 1999 das Fiskusvorrecht abgeschafft?

Zu Recht sagte sich der Reformgesetzgeber damals, dass eine Bevorzugung des Fiskus dazu führt, dass viele Gläubiger kein Interesse an einem Insolvenzverfahren haben, wenn sie davon ausgehen müssen, dass der Staat den Großteil oder die gesamte Insolvenzmasse erhält. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Quote, also der Bruchteil, den die ungesicherten Insolvenzgläubiger auf ihre Forderungen erhalten, häufig sehr gering ist - Quoten im einstelligen Prozentbereich sind keine Seltenheit. Haben einzelne Gläubiger Vorrang, wird die Quote noch weiter geschmälert. Der Gesetzgeber wollte mit der damaligen Abschaffung auch das Interesse am neu geschaffenen Insolvenzverfahren stärken.

Welche Folgen erwarten Sie durch die geplante Änderung? 

Abgesehen von den erwähnten Mehreinnahmen, die der Fiskus möglicherweise erzielt, werden mehr Gläubiger einen Totalausfall ihrer Forderung hinnehmen müssen. Noch schlimmer ist, dass diese Änderung sanierungsfeindlich ist. Wenn die Steuerbehörden ein Vorrecht haben, werden sie sich oftmals mit ihrem bevorrechtigten Zugriff auf die Masse zufrieden geben, statt einer langwierigen Sanierung mit offenem Ausgang zuzustimmen. Das steht letztlich im Gegensatz zu dem von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger betriebenen Vorhaben, den Anteil der Insolvenzverfahren, bei denen es zu einem Insolvenzplan mit dem Ziel des Unternehmenserhalts kommt, zu steigern.

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