
Es war bislang kein gutes Jahr für die deutsche Pharmabranche. Die Medikamenten-Lobbyisten konnten weder verhindern, dass die Pillenpreise zum 1. August auf dem Stand von September 2009 eingefroren werden noch, dass die Hersteller ihren Zwangsrabatt an die Krankenkassen von sechs auf sechzehn Prozent erhöhen müssen. Vielen Herstellern ist es nun allerdings doch noch gelungen, Gesundheitsminister Philipp Rösler ein Schnippchen zu schlagen.
Die Datenbanken der Apotheken verzeichneten bei einigen Präparaten etwa der Hersteller Merck, Novartis und Fresenius auffällige Preisbewegungen. Beispiel Erbitux: Das Krebsmedikament aus dem Hause des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns Merck kostete am 1. Juli 1379,95 Euro. Am 15. Juli lag der Preis auf einmal bei 1516,98 Euro um zum 1. August wieder auf 1379,95 Euro abzusinken. Damit hat das Unternehmen seinen Medikamenten-Preis zum 1. August abgesenkt – diese Preissenkung wirkt sich damit mildernd auf die Höhe des Zwangsrabattes aus. Die Unternehmen hatten eine Gesetzeslücke entdeckt. Ein dreister, aber legaler Trick, über den „Der Spiegel“ Anfang der Woche berichtete.
Pillenpreise rauf, Pillenpreise runter: Wie viel Geld sich die Unternehmen durch diese „Preisschaukel“ zurückholen, darüber herrscht in den Konzernen Stillschweigen. Es ist aber von einem „spürbaren Effekt“ die Rede, der aber auf keinen Fall die finanziellen Belastungen durch die Gesundheitsreform nur annähernd wettmache. Ein schlechtes Gewissen haben die Unternehmen nicht: Merck nutze die Möglichkeiten der Preisgestaltung, um die Ertragseinbußen durch den heraufgesetzten Zwangsrabatt abzumildern; die wirtschaftliche Belastung sei unverhältnismäßig hoch – sagt ein Sprecher des Unternehmens.
Minister Rösler ist über die kreative Preispolitik verärgert. Falls durch die flächendeckenden Preiserhöhungen die Sparbeschlüsse ausgebremst werden, will der Minister das Gesetz nochmals ändern. Ob sich die Pharmaindustrie mit ihrer Aktion einen Gefallen getan hat, ist ziemlich fraglich. Denn die Medikamenten-Hersteller und ihre Lobbyisten haben ohnehin keinen besonders guten Draht zu Rösler. Durch die „Aktion Preisschaukel“ dürfte sich der Gesundheitsminister verschaukelt fühlen. Rösler wird das aufmerksam registrieren. Und die nächste Gesundheitsreform kommt bestimmt.