Giesecke & Devrient Verdacht auf Zollbetrug bei deutscher Gelddruckerei

Der Banknotendrucker und Chipkartenspezialist Giesecke & Devrient gerät ins Visier russischer Zollfahnder. Um illegal Zollgebühren zu vermeiden, soll das Unternehmen sich einer Scheinfirma auf den British Virgin Islands bedient haben.

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giesecke Quelle: dpa

Es ist Mittwochabend, kurz vor zehn. Herr Petrow sitzt in einem Moskauer Café und bestellt ein Kännchen Tee. Petrow will unerkannt bleiben. Er ist Fahnder beim russischen Zolldienst FTS und hat Ausdrucke aus der Zolldatenbank mitgebracht, die ein deutsches Unternehmen schwer belasten können. Petrows Verdacht richtet sich gegen Giesecke & Devrient (G & D). Die Münchner produzieren alles, was sicher sein soll, von Geldscheinen über Ausweise bis zu Geldautomatenkarten. Geschäftsführer Karsten Ottenberg begleitet Außenminister Guido Westerwelle zuweilen auf Auslandsreisen.

Doch jetzt ist G & D ins Visier russischer Zollfahnder geraten. Denn in den Jahren 2008 und 2009, so Petrow, seien eineinhalb Millionen SIM-Karten aus der chinesischen Produktion von G & D nach Russland exportiert worden – über verworrene Lieferketten und mithilfe dubioser Dienstleister, die ihren Sitz teilweise in einem Steuerparadies hätten. Gegenüber dem russischen Zoll sei der Wert der SIM-Karten jeweils deutlich unter dem Marktwert deklariert worden. Dabei hätten sich die Münchner kaum durchschaubarer Konstruktionen bedient und den Warenwert der SIM-Karten nach unten korrigiert, um Zollgebühren zu sparen, vermutet Petrow. Der Zollfahnder ist überzeugt: „G & D hat schwarz verzollt.“

Ins Archiv gestiegen

G & D-Konzernsprecher Heiko Witzke weist das zurück: In den besagten Jahren habe sein Unternehmen „keine SIM-Karten aus China nach Russland exportiert und auch keine SIM-Karten in China für den russischen Markt produziert“. Ferner seien ihm „keine offiziellen Ermittlungen“ bekannt. Genau das aber bestreitet Petrow mit Dokumenten, die der WirtschaftsWoche vorliegen: Seine Behörde habe G & D im Februar zur Stellungnahme aufgefordert, sagt er und zeigt eine Kopie des Schreibens, in dem eine Frist bis zum 18. März gesetzt wurde. Das Unternehmen habe nicht reagiert. Bei G & D heißt es, ihm seien „bis zum heutigen Tag“ keine offiziellen Ermittlungen der FTS im Zusammenhang mit Lieferungen von SIM-Karten aus China bekannt.

Zweimal hat es G & D dieses Jahr schon in die Schlagzeilen geschafft: Im März durchsuchten Ermittler die Konzernzentrale in Zusammenhang mit der MAN-Korruptionsaffäre bei Ferrostaal nach Beweisen gegen das Essener Unternehmen; G & D wird in diesem Fall nicht beschuldigt. Im Februar, just als die Krise überstanden war, wurden die Schließung des Werks in Moskau und der Ausstieg aus dem Joint Venture mit einem russischen Kartenhersteller publik. Das war für russische Zollfahnder Grund genug, ins Archiv zu steigen. Dort wurden sie offenbar fündig. Die SIM-Karten, die im März 2008 und im Dezember 2009 aus China über Deutschland nach Russland geliefert wurden, sind laut russischen Zollpapieren fünf bis sieben Cent wert.

Bekanntes Schema

Das Statistische Bundesamt beziffert den Stückpreis für den entsprechenden Vorgang auf 82 bis 93 Cent im Durchschnitt; selbst aus China importierte Karten haben im Mittel einen Wert von 35 Cent. Demnach wurden SIM-Karten aus den Werken von G & D weit unter dem Marktwert in Russland eingeführt. Zollfahnder Petrow macht die Münchner dafür verantwortlich, die den Warenwert künstlich herabgesetzt hätten, um Wettbewerbsvorteile am Markt zu nutzen.

Das Schema für Zollvergehen ist den russischen Behörden seit Jahren bekannt: Ein Exporteur verschickt die Ware mithilfe eines Logistikers aus einer Offshore-Region wie den Bahama-Inseln, wo Firmen kaum wegen Betrugs zur Rechenschaft gezogen werden. Der Exporteur deklariert die Ware bei der Ausfuhr aus der EU zwar vorschriftsmäßig. Auf dem Weg werden die Dokumente gegen Papiere ausgetauscht, in denen der Warenwert niedriger deklariert ist und Scheinfirmen als Absender auftreten. Oft erscheinen der Produzent und der wahre Exporteur nur am Rande.

Auf den Zollpapieren für die von G & D stammenden SIM-Karten hat der Absender eine juristische Adresse auf den British Virgin Islands. Unter den angegebenen Moskauer Adressen finden sich Reisebüros und Wechselstuben, aber keine Logistiker. Offenbar handelt es sich um Scheinfirmen, die für den Zollbetrug verantwortlich sind. Damit wäre G & D aus dem Schneider, die Münchner sind Hersteller, kein Absender. Doch Petrow gibt sich nicht zufrieden. Er ermittelt weiter.  

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