Guerlain Faules aus dem Flakon

Mit dem Versprechen gegenüber der EU, mehr Frauen in den Aufsichtsrat zu hieven, lenkt der Parfümhersteller von eigenen Fehltritten ab.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Jean-Paul Guerlain, perfume Quelle: REUTERS

Seit 1828 steht Guerlain für eines der ältesten Parfümhäuser der Welt. Über 300 Düfte, darunter so legendäre wie Vol de Nuit, Shalimar und Ode, betören bis heute die Nasen der Welt.

Seit Anfang Mai steht das einstige Familienunternehmen aus Paris, das 1994 vom französischen Luxuskonzern LVMH (Louis Vuitton, Moët) übernommen wurde, für eine weitere Duftmarke. Im Beisein von EU-Kommissarin Viviane Reding unterschrieb Personalchefin Anne Gautier die Erklärung „Frauen in den Verwaltungsrat – ein Versprechen für Europa“. Darin verpflichtet sich das Unternehmen, den Aufsichtsrat bis 2015 zu 30 Prozent und bis 2020 zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Bisher hat außer Guerlain nur die spanische Unternehmensberatung FES Consulting Empresarial die Erklärung unterzeichnet.

Faule Bemerkungen

Doch Guerlains Bekenntnis zu mehr Frauen im eigenen Kontrollorgan riecht ziemlich faul. Die jüngste Vergangenheit der LVMH-Tochter legt den Verdacht -nahe, das „Versprechen“ solle vor allem das ramponierte Image reparieren und die erlittenen Umsatzeinbrüche wettmachen.

Schon 2002 stand das Unternehmen einmal am Pranger. Damals flog Guerlain wegen illegaler Beschäftigung von Mitarbeitern auf der Insel Mayotte im Indischen Ozean auf. Seit Oktober 2010 lautet der Vorwurf Rassismus. Grund ist ein Fernsehinterview des langjährigen Unternehmenslenkers und Chef-Parfümeurs Jean-Paul Guerlain, genannt „die Nase“. Der heute 74-Jährige schilderte vor der Kamera nicht nur, wie er einst das Parfüm Samsara kreiert hatte, um seine spätere erste Ehefrau Decia „herumzukriegen“. Der Senior ließ auch fallen, dass er dafür „wie ein Neger gearbeitet“ habe – wobei er nicht wisse, „ob Neger immer so gearbeitet haben“.

Mit der offenen Diffamierung Schwarzer löste Guerlain mehr als Empörung aus. Antirassismusorganisationen demonstrierten vor den Geschäften und forderten zum Verzicht von Guerlain-Düften auf. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde schloss sich der Kritik an. Einige Geschäfte mussten zeitweise schließen. Der Gescholtene selbst, der keine offizielle Funktion mehr im Unternehmen hat, muss sich für seinen Fehltritt im Februar 2012 vor Gericht verantworten. Der Versicherungskonzern Axa zahlte kürzlich 300 000 Euro an die LVMH-Tochter für die wirtschaftlichen Schäden, die der Alte mit seinem Ausfall gegen Schwarze Guerlain zufügte.

In dieser Situation kommt dem Parfümhersteller die Initiative von EU-Kommissarin Reding wie gerufen, um seinen Ruf aufzupolieren. Die Luxemburgerin will den Frauenanteil in Aufsichtsgremien von Unternehmen, der EU-weit zurzeit nur zwölf Prozent beträgt, in allen Mitgliedsstaaten steigern. In den Vorständen der 40 größten börsennotierten Unternehmen liegt der Anteil bei 7,5 Prozent. Redings Vorbild sind die Nicht-EU-Staaten Norwegen und Island, aber auch die EU-Mitglieder mit einer gesetzlichen Frauenquote. Das sind Spanien – und Frankreich.

Bedeutungsloses Gremium

Vor diesem Hintergrund erweist sich das „Versprechen“ von Guerlain gegenüber der EU-Kommissarin, mehr Frauen in den Aufsichtsrat zu hieven, erst recht als reiner PR-Coup. Denn in Frankreich sind ohnehin alle börsennotierten Unternehmen und solche mit mehr als 500 Beschäftigten und/oder einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro verpflichtet, die Zahl der Frauen in den Verwaltungsräten bis 2016 auf 40 Prozent zu erhöhen. Firmen, die gegen die Bestimmungen verstoßen und keine konkreten Pläne zur Reduzierung geschlechtsbedingter Diskriminierung wie geringere Verdienste vorlegen, müssen mit Sanktionen rechnen – etwa die Absetzung neu ernannter männlicher Aufsichtsräte.

Bedeutungslose Zusammensetzung

Ohnehin ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei Guerlain ziemlich bedeutungslos. Das Parfümhaus wird von LVMH kontrolliert. Dort sitzt mit Chantal Gaemperle aber nur eine Frau im 15-köpfigen Vorstand. Dem 18--köpfigen LVMH-Verwaltungsrat gehören zwar drei Frauen an, darunter ist jedoch Bernadette Chirac. Die Ernennung der Gattin des ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac hat das gleiche Geschmäckle wie der Fall Doris Schröder-Köpf.

Obwohl unternehmerisch nie aufgefallen, war die Gattin von Ex-Bundeskanzler Gerhard-Schröder im Januar dieses Jahres vom neuen Eigentümer der Warenhauskette Karstadt, Nicolas Berggruen, in den Aufsichtsrat berufen worden. Damit sprang der Frauenanteil dort auf 40 Prozent – die Quote, die sich EU-Kommissarin Reding bis 2020 wünscht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%