Handel Woolworth vor dem Aus

Die Kaufhauskette Woolworth hat einen Insolvenzantrag gestellt. Noch hoffen die 11 000 Mitarbeiter, doch auch Konkurrenten wie Hertie oder Karstadt stecken in der Krise. Es stellt sich die Frage, welche Zukunft das Konzept Kaufhaus noch hat.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Frau verlässt eine Quelle: dpa

Die Probleme bei der Kaufhauskette Woolworth eskalierten bereits Anfang des Monats: Nach nur vier Wochen im Amt hatte der neue Chef Stefan Rohrer schon wieder hingeworfen. Rohrer hatte lange bei Lidl gearbeitet und sollte die Restrukturierung bei Woolworth vorantreiben. Doch die britische Investoren-Gruppe Argyll hatte ihm nach Informationen der „Lebensmittelzeitung“ die wirtschaftliche Lage geschönt dargestellt.

Als Rohrer Einblick in die wahren Zahlen bekam, gab er auf. Die Umsätze sollen seit Monaten zweistellig im Minus gewesen sein, insgesamt waren sie seit Jahren rückläufig. Das Ziel im laufenden Geschäftsjahr einen Umsatz von 900 Millionen Euro zu erreichen, rückte in weite Ferne.

Doch nach dem Bericht hat Woolworth das Einkaufsvolumen kaum reduziert, zudem fielen Kosten für den begonnenen Umbau von Filialen an. Zudem sollen jährlich 30 Millionen Euro für Mietzahlungen an den Finanzinvestor Cerberus fällig geworden sein. Bei der Übernahme durch Argyll im Oktober 2007 waren die Immobilen an Cerberus verkauft worden. Der Investor Argyll sei nicht bereit gewesen, Geld nachzuschießen.

Woolworth hat einen Insolvenzantrag gestellt

Nun kam Woolworth nicht mehr daran vorbei, die wirtschaftlichen Engpässe öffentlich zu machen. Die DWW Woolworth Deutschland GmbH & Co. KG hat am Samstag beim Frankfurter Amtsgericht Insolvenzantrag gestellt. 11 000 Mitarbeiter in Deutschland und Österreich müssen um ihre Jobs bangen.

Das Frankfurter Amtsgericht bestellte am Dienstag Rechtsanwalt Ottmar Hermann zum vorläufigen Verwalter über das Vermögen der Kette. Das Gericht betonte, diese Entscheidung stelle noch keine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dar, hierüber werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.Hermann hat bereits die Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann abgewickelt und ist auch vorläufiger Insolvenzverwalter des Fahrzeugbauers Karmann. 

Als Ursachen für die drohende Zahlungsunfähigkeit führt Hermann das schleppende Weihnachtsgeschäft, zunehmende Konkurrenz und starken Umsatzrückgang bei Discount-Warenhäusern an. Der Handel bei der insolventen Billigkaufhauskette Woolworth Deutschland geht zunächst uneingeschränkt weiter. „Wir möchten in dieser außerordentlich schwierigen Situation alles versuchen, Arbeitsplätze zu sichern und möglichst viele Standorte zu erhalten“, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter.

Die letzten Filialen in Großbritannien geschlossen

Woolworth betreibt in Deutschland und Österreich etwa 330 Filialen und beschäftigt rund 11.000 Mitarbeiter. Das 1926 gegründete Unternehmen gehört seit 2007 der britischen Investment- und Beratungsgesellschaft Argyll Partners. Die Schwestergesellschaft DWLogistics GmbH & Co. KG mit Sitz in Böhnen und die österreichischen Gesellschaften seien nicht von dem Insolvenzantrag betroffen.

Mit der drohenden Pleite von Woolworth in Deutschland steht das Traditionskaufhaus vor dem endgültigen Aus. Im vergangenen November hatte bereits das britische Traditionskaufhaus Woolworths ein Jahr vor dem hundertjährigen Jubiläum Insolvenz angemeldet, im Januar waren die letzten Filialen geschlossen worden. 

Woolworth Building New York Quelle: Reuters

Die Woolworth in Deutschland, die im Gegensatz zu den angelsächsischen Kaufhäusern ohne s am Ende geschrieben, war von dieser Insolvenz nicht betroffen: Die Auslandstöchter des US-Ursprungskonzerns Woolworths hatten sich in den 80er und 90er Jahren abgespalten.

Die Mehrheit an der deutschen Gesellschaft wurde zunächst von dem britischen Investor Electra Flemming gehalten. 2007 übernahm ein Unternehmen der britischen Investment- und Beratungsgesellschaft Argyll Partners das operative Geschäft.

Woolworth-Erbin Hutton: "Armes reiches Mädchen"

Die US-Mutter hatte ihre Kaufhäuser in den USA bereits 1997 geschlossen und sich auf den Handel mit Sportartikeln verlegt. Der Woolworths-Konzern benannte sich erst in Venator um, seit 2001 heißt das Unternehmen Foot Locker.

Franklin Winfield Woolworth hatte die erste Filiale 1879 in den USA eröffnet. Die Artikel wurden zu Festpreisen von fünf oder zehn Cent angeboten. In der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts stieg Woolworth zu einer der größten Warenhausketten auf.

Das 1913 erbaute Woolworth-Building in New York war mit einer Höhe von 241 Metern lange das höchste Gebäude der Welt. Die Woolworth-Enkelin und Erbin Barbara Hutton wurde zum Inbegriff des „armen reichen Mädchens“ – so auch der Titel eines Films über ihr leben. Hutton verschwendete ihr geerbtes Vermögen, unter anderem durch sieben Hochzeiten, zu ihren Ehemännern zählten Cary Grant und der deutsche Tennisprofi Gottfried von Cramm

Jeder Artikel kostete 25 oder 50 Pfennige

Das erste Geschäft in Deutschland wurde 1927 in Bremen eröffnet, jeder Artikel kostete 25 oder 50 Pfennige. Bis 1939 entstanden in Deutschland 82 Filialen.

1998 löste sich die deutsche Tochter durch ein Management Buy Out vom amerikanischen Ursprungsunternehmen. Die Mehrheit wurde vom britischen Investor Electra Flemming übernommen. Im Zuge einer Sanierung 2007/2008 waren bereits etwa 1000 Stellen gestrichen und rund 800 Beschäftigte entlassen worden.

Woolworth keineswegs das einzige Traditionshaus der Branche, das in Schieflage geraten ist. Der insolventen Kaufhauskette Hertie droht die Schließung, sollte nicht umgehend ein Investor eine Kaufabsichtserklärung vorlegen. Für 19 der 73 deutschen Filialen hatte Hertie Mitte Februar das Aus verkündet.

Auch die Modekette SinnLeffers hatte Ende Februar bundesweit knapp die Hälfte ihrer 47 Filialen geschlossen. Fast 1300 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, weil das Unternehmen wegen der schwierigen konjunkturellen Lage im Textileinzelhandel und aufgrund hoher Mieten ins Trudeln geraten war.

SinnLeffers hatte im August 2008 ein sogenanntes Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung beantragt, um das Unternehmen zu sanieren und den Fortbestand zu sichern. Inzwischen ist die Sanierung nach Unternehmensangaben erfolgreich abgeschlossen.

Auch bei Karstadt liefen die Geschäfte zuletzt schlecht. Im vergangenen Jahr waren Stellenstreichungen vereinbart worden, um Kosten in den Griff zu bekommen. Zehntausende Mitarbeiter verzichteten auf Teile ihres Lohns, um das Unternehmen zu retten.

Diskussion um das "Modell Warenhaus"

Doch auch wenn nun mehr als 80 Jahre Warenhausgeschichte auf der Kippe stehen, sieht der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) keine generelle Krise für das Geschäftsmodell Warenhaus.

„Man sollte nicht alles in einen Topf werfen, auch wenn im Moment einige prominente Unternehmen auf der Kippe stehen“, mahnt HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr. „Der HDE ist fest überzeugt, dass das Warenhaus als Vertriebskonzept eine Zukunft in Deutschland hat.“

Hausgemachte Probleme vieler Häuser wurden nach Einschätzung des HDE noch verstärkt durch „deutlich zu hohe Mieten“ der in der Regel von den Kaufhausketten angemieteten Immobilien. Die Umsätze des Handels hingegen bewegten sich noch in etwa auf Vorjahresniveau.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%