100 Prozent Grupp

Praktiker ist das Opfer hemmungsloser Gier

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Dauerrabatte ohne Kostenstruktur münden in Pleite

Theo und Karl Albrecht zogen mit Aldi ein stringentes Geschäft auf, das auf strikteste Kostenminimierung im Einkauf und in den Prozessen zielte gepaart mit höchster Produktivität der Verkäuferinnen und Verkäufer. Dieses Prinzip wandte Aldi auf jede neue Filiale an und erzielte dadurch Größenvorteile, allerdings durch organisches Wachstum und nicht durch die ziellose Übernahme etwa von Supermärkten und Tante-Emma-Läden. Das ist eine große unternehmerische Leistung, vor der ich den Hut ziehe.

Genau das Gegenteil machte  das Praktiker-Management. Dem bunt zusammen gekauften Sammelsurium stülpten die Konzernlenker einfach eine Billig-Strategie über, die in eine Dauerrabattschlacht ohne die dazu notwendige Kostenstruktur mündete. „20 Prozent auf alles, außer Tiernahrung“ – einzig auf diese Weise Marktanteile zu gewinnen, das ist tödlich, weil der Kunde sich an den Rabatt gewöhnt und diesen reduzierten Preis als normal erachtet und nicht mehr bereit ist, die Ware zum regulären Preis zu kaufen.

Und was machen die dafür Verantwortlichen heute? Die Metro-Großaktionäre kündigten  gut vier Monate, nachdem sie sich in Heuschrecken-Manier bedient hatten, im April 2006 an, sich von ihren Anteilen an Praktiker zu trennen. Was blieb den Verantwortlichen nach Metro also übrig? Sie konnten nur versuchen, durch Integrationskonzepte und Umstrukturierungen zu retten, was zu retten war. Dass dies nicht gelang und von Praktiker vor allem „20 Prozent auf alles“ in Erinnerung bleiben wird, mag man als tragisches Ende betrachten.

Ich halte es jedoch von der Politik für unverantwortlich, dass – abgesehen von den jüngsten Investoren wie der Österreicherin Isabelle de Krasny - die eigentlichen Verantwortlichen für das Desaster ungeschoren davon kommen. De Krasny mag elf Millionen Euro verloren haben, den Steuerzahler kostet die Pleite von Praktiker mit Sicherheit ein Vielfaches.

Man vergesse aber auch nicht die Schäden, die die jahrelangen irrsinnigen Rabatte bei den Konkurrenten angerichtet haben. Und last but not least hat das Praktiker-Management mit der Strategie  superbilliger Produkte auch zur Ausnutzung der Bevölkerung in armen Ländern beigetragen, die wir in Form der skandalösen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie von Bangladesh beobachten können.

Wenn es uns nicht endlich gelingt die Entscheidungsträger als erste in die Haftung zu bringen, dann wird Deutschland bzw. Europa seine Position auf Dauer nicht halten können.

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