Die Geschichte des Online-Händlers Amazon ist eine der großen Erfolgsstorys der Internet-Ära. Aus den Gedankenspielen von Gründer Jeff Bezos vor zwei Jahrzehnten im 40. Stock eines New Yorker Wolkenkratzers wurde ein weltumspannender Gigant, der nicht nur dem klassischen Einzelhandel zusetzt, sondern mit seinem Cloud-Geschäft auch unzählige Startups am Laufen hält.
Zugleich ist die Expansion noch lange nicht abgeschlossen: Amazon fährt bestenfalls nur schmale Gewinne ein und steckt jeden Dollar in den Ausbau des Geschäfts. Die Anleger, die diesen Kurs jahrelang mit immer weiteren Kurssteigerungen befeuerten, lassen mittlerweile bei den Quartalszahlen gelegentlich Ungeduld aufblitzen.
Die teuersten Amazon-Übernahmen
Der Online-Händler woot! gilt als einer der Vorreiter des „Deal of the day“: Jeden Tag wird ein besonders Produkt für 24 Stunden zum Discountpreis angeboten. Ist das Produkt ausverkauft, rückt ein neues nach. Ist das Interesse nicht groß genug, wechselt das Angebot um Mitternacht.
Preis: 110 Millionen US-Dollar
Übernahmejahr: 2010
In der Lese-Community goodreads treffen sich Literaturfreunde online, um über ihre Lieblingsbücher und aktuelle Bestseller zu diskutieren und sie zu rezensieren. Seit Amazon die Website übernommen hat, schnellen die Nutzerzahlen in der Höhe. Mittlerweile sind mehr als 30 Millionen Mitglieder angemeldet.
Preis: 150 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2013
Der Webdienst Alexa sammelt Daten über Seitenabrufe von Internetseiten und stellt diese zur Auswertung bereit. Der sogenannte Alexa Rank gibt an, wie bekannt Internetseite ist und gilt als wichtiges Tool zur Bewertung dieser, weil ein hoher Rang auf eine hohe Beliebtheit hindeutet. Mittlerweile ist Alexa Teil der bekannten Sammlung Amazon Web Services (AWS).
Preis: 250 Millionen
Übernahmejahr: 1999
Audible bietet Hörbücher zum Download an. Dabei setzt der Dienst auch auf ein Abo-Modell: Für einen monatlichen Beitrag gibt es ein Hörbuch im Monat kostenlos und weitere vergünstigt. Das bereits 1995 gegründete Unternehmen wurde 2008 von Amazon gekauft und unter anderem mit dessen Angeboten für das Tablet Kindle verzahnt.
Preis: 300 Millionen
Übernahmejahr: 2008
Lange Zeit galt Lovefilm als eine von Europas größten Online-Videotheken und verlieh Film-DVDs und -Blu-rays. Später bot das Unternehmen auch Video-on-Demand an. Im Februar 2014 ging Lovefilm mit dem Streaming-Angebot Amazon Instant Video auf.
Preis: 312 Millionen
Übernahmejahr: 2011
Bis 2010 betrieb Quidsi unter anderem die Baby-Bedarfs-Seite diapers.com und den Hygieneprodukte-Händler Soap.com. Dann schluckte Amazon das Unternehmen, um sich die erfolgreichen Seiten einzuverleiben.
Preis: 545 Millionen
Übernahmejahr: 2010
Das US-Unternehmen Kiva Systems ist auf die Herstellung von Maschinen für große Fulfilllment-Center von Onlinehändlern spezialisiert. Roboter von Kiva übernehmen etwa große Teile der Lagerung in Amazons gigantischen Lagerhäusern.
Preis: 775 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2010
Das Live-Streaming-Videoportal Twitch hat sich auf die Übertragung von Videospielen wie World of Warcraft oder League of Legends spezialisiert. Laut eigenen Angaben hatte das Portal 2013 monatlich etwa 45 Millionen Zuschauern.
Preis: 970 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2014
Der Onlineshop Zappos konzentriert sich auf den Verkauf und Versand von Schuhen und Mode. Im Juli 2009 übernahm wollte Amazon den Händler für rund 850 Millionen Dollar übernehmen. Der Kaufpreis sollte zum Großteil mit eigenen Aktien beglichen werden. Der Deal verteuerte sich damals auf rund 1,2 Milliarden Dollar, weil die Amazon-Aktie stark im Kurs stieg.
Preis: 1,2 Milliarden Dollar
Übernahmejahr: 2009
Quelle: Statista / Unternehmen
Bezos tauschte 1994 einen komfortablen Job an der Wall Street gegen eine Garage in Seattle. Die große Vision: Alles mögliche über das Internet zu verkaufen. Er startete zunächst mit Büchern - weil sie robust beim Versand und unkompliziert in der Logistik waren. Eine ordentliche Marge war fast garantiert.
Bezos drückt in jeder Hinsicht seinen Stempel auf
Nach rund einem Jahr Anlaufzeit und dem Namenswechsel von Cadabra.com zu Amazon wurde am 16. Juli 1995 das erste Buch verkauft, ein über 500 Seiten dicker Fachschmöker über das Denken. Heute steht ein Exemplar von „Fluid Concepts and Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought“ hinter Glas am Eingang des Amazon-Hauptgebäudes in Seattle.
Zum 20. Jubiläum versucht Amazon, so etwas wie einen eigenen internationalen Feiertag zu etablieren: Den „Prime Day“ mit Sonderangeboten nur für Nutzer seines kostenpflichtigen Abo-Dienstes. Der amerikanische Einzelhandelsriese Wal-Mart will mit einem eigenen Rabatt-Tag dagegenhalten.
Der heute 51 Jahre alte Bezos drückte Amazon in jeder Hinsicht seinen Stempel auf. Dazu gehört neben dem gebetsmühlenartig beschworenen Fokus auf den Kunden die anfangs rigorose Sparsamkeit. Die damals aus alten Türen zusammengebauten Tische sind heute noch zur Erinnerung über die Firmengebäude verteilt. Das half Amazon immerhin auch, im Gegensatz zu manchem anderen Börsenliebling das Platzen der Dotcom-Blase zu überstehen.
Bezos sei ein „passionierter Problemlöser“, beschrieb ihn der amerikanische Technologiejournalist Brad Stone in seiner Biografie „Der Allesverkäufer“. Zugleich sei er ein „Micromanager mit einer endlosen Flut neuer Ideen“ - und zum Teil schroffen Reaktionen, wenn Mitarbeiter seinen Standards nicht gerecht werden.
Amazon in Zahlen
Der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 22,7 Milliarden Dollar. Dazu führten laut Amazon höhere Umsätze in Nordamerika (dem größten Markt) und die schnell wachsende Cloud-Sparte Amazon Web Services zurück.
Amazon ist im ersten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand ein Verlust von 57 Millionen Dollar.
Für das laufende Quartal rechnet Amazon mit einem Wachstum des Nettoumsatzes um sieben bis 18 Prozent auf 20,6 Milliarden bis 22,8 Milliarden Dollar. Operativ könnte ein Verlust von 500 Millionen Dollar bis zu einem Gewinn von 50 Millionen Dollar anfallen.
Eine der vielen verworfenen Ideen war, für den schnelleren Versand Waren bei Kunden zwischenzulagern. Aus einer anderen - die technischen Überkapazitäten für Stoßzeiten wie das Weihnachtsgeschäft im Rest des Jahres zu vermieten - entstand der Cloud-Provider Amazon Web Services. Die Sparte überraschte im ersten Quartal bei ihren erstmals veröffentlichten Zahlen. Trotz eines heftigen Preiskampfs mit Google und Microsoft sorgte sie für einen operativen Gewinn von gut einer Viertelmilliarde Dollar.
Das Fire Phone war ein Flop
In seinem dritten Jahrzehnt arbeitet Amazon daran, sich als Alles-Verkäufer tief im Alltag der Kunden auszubreiten. In den USA experimentiert der Konzern mit drahtlosen Knöpfen, die überall im Haushalt angebracht werden können. Auf Knopfdruck wird die nächste Ladung Waschmittel, Zahnpasta oder Windeln nachbestellt. Der vernetzte Amazon-Lautsprecher Echo kann auf Sprachbefehl den gewünschten Song spielen und beim Kochrezept aushelfen - oder ebenfalls eine Bestellung annehmen.
Beim Versuch, den Kunden ein Smartphone als Einkaufsmaschine in die Tasche zu stecken, erlitt Bezos jedoch im ersten Anlauf einen seltenen Flop. Das Fire Phone, das unter anderem Artikel auf Grundlage eines Fotos erkennen und bestellen kann, blieb ein Ladenhüter. Amazon verbuchte 170 Millionen Dollar Verlust.
Dagegen hält der Online-Shop auch dank seiner Kindle-Lesegeräte die Führung im Geschäft mit digitalen Büchern - auch wenn die zum Teil harsche Verhandlungstaktik, bei der einzelne gedruckte Titel plötzlich nicht bestellbar waren, dem Konzern Kritik aus der Verlagsbranche einbrachte. Immer wieder kommt auch eine Debatte darüber auf, dass Amazon über Jahre europäische Freiräume zur Steuerminimierung über Länder mit niedrigeren Sätzen genutzt habe.
Für die Einzelhändler, die Amazon quer durch die Welt massiv unter Druck gesetzt hat, zeigt Bezos wenig Mitgefühl. „Sie werden sich weiterentwickeln, sie werden nicht aufgeben. Wettbewerb löst immer eine Evolution aus“, konterte er. „Zweitens ist es einfach unser Job, den Kunden das beste Angebot und den besten Service zu bieten. Die Kunden entscheiden, wo sie kaufen, nicht wir.“