500 Jahre Reinheitsgebot Bier überdauert alle Krisen

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Die Dunkle Seite des Biers

Viertes Glas. Die sehenswerte Ausstellung, die soeben den 77.777. Besucher ehrte, spart die dunkle Seite der Macht „Bier“ nicht aus, zum Beispiel die sogenannten Bierkriege: Preiserhöhungen führten zwischen 1844 und 1910 in Bayern zu schweren Krawallen, bei denen komplette Gaststätten und Verwaltungsgebäude zerstört wurden. In der Wirtshausordnung für Niederbayern vom Januar 1853 wurden unter anderem feststehende Messer in Gaststätten verboten und bei sogenannten Rohheitsdelikten scharfe Strafen angedroht. Auch eine Original-Ausnüchterungszelle des Polizeipräsidiums Augsburg ist ausgestellt. 500 Frauen und Männer, quer durch alle Berufsgruppen, werden dort jährlich eingesperrt; der Aufenthalt in dem tristgrau gekachelten Raum kostet den Trinker 60 Euro.

Das Wirtshaussterben geht weiter

Ernüchternd ist auch die Entwicklung der Brauereien und Wirtshäuser: 1960 zählte Bayern 1566 Braustätten mit einem Gesamtausstoß von 12,5 Millionen Hektolitern. Heute sind es nur noch 616 Braustätten, allerdings mit einem Bierabsatz von 23,7 Millionen Hektolitern. Und gab es in Bayern 1980 noch 7900 Schankwirtschaften, so sind heute lediglich die Hälfte übriggeblieben, was im Übrigen alle Bundesländer ähnlich betrifft.

Fünftes Glas (jetzt muss aber Schluss sein!). Bier werde auch in den kommenden Jahrzehnten nachgefragt, das Wirtshaussterben aber traurigerweise weitergehen, befürchtet Peter Mayerhofer. „Klein- und Mittelbetriebe können die ungezählten bürokratischen Auflagen in Sachen Hygiene und allgemeiner Dokumentation wie die Zeiterfassung des Personals oder die Auswertung der Gesundheitsverordnungen nicht mehr leisten.“ Neuer Ärger stehe jetzt mit einer gesonderten Besteuerung der Gäste-Parkplätze bevor.

Die Gaststätten müssten sich dem Konsumverhalten der Gäste schneller anpassen als früher: „Der Kunde wünscht zum Beispiel anspruchsvollere Speisen, geschmacklich wie optisch.“ Deshalb stehen passend zur Ausstellung Biersuppe mit Chili und Speck, Weißbiergulasch und Bier-a-misu (Mascarpone mit Biercreme) auf der Speisekarte. Das „Bräustüberl“ im Klosterkomplex, eine dezente Untertreibung bei mehr als 100 Sitzplätzen, bietet dagegen bayerische Gemütlichkeit an blankgescheuerten Holztischen, es gilt Selbstbedienung, der Gast darf sein Essen mitbringen. Und draußen spielt die Blasmusik.

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