5000 Euro pro Mitarbeiter Hat sich der wohl teuerste Corona-Impfanreiz Deutschlands gelohnt?

Erfolgreicher Anreiz in der Pandemiebekämpfung: Impfprämie im Mittelstand. Quelle: Marcel Stahn

Eine Firma aus Jena lässt sich die Immunisierung der Belegschaft mehrere Millionen Euro kosten. Sie zahlt jedem durchgeimpften Mitarbeiter 5000 Euro – und hat die Impfquote damit auf 88 Prozent erhöht.

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Es dürfte sich wohl um den teuersten Corona-Impfanreiz Deutschlands handeln: Die Büromarkt Böttcher AG zahlt rund 2,5 Millionen Euro an vollständig geimpfte Mitarbeiter – 5000 Euro für jeden. Mit der Aktion zwischen November 2021 und Mitte Januar wollte die Firma aus Jena ihre Belegschaft zur Impfung animieren. Jetzt liegen die Ergebnisse der Aktion vor, über die die WirtschaftsWoche exklusiv berichtet. Sie zeigen: Sein Ziel, die Quote von 60 Prozent im November deutlich zu erhöhen, hat der Versandhändler für Bürobedarf erfüllt. 88 Prozent der 550 Mitarbeiter, also 505, haben bis zum Stichtag am 14. Januar eine vollständige Impfung nachgewiesen und die Bonuszahlung in Anspruch genommen.

Diese Quote sei „das, was wir erreichen wollten“, sagt Böttcher-Vorstand Danilo Frasiak. Die hohe Immunisierung habe direkte Auswirkungen auf den Betrieb: Im November noch hätte das Unternehmen teilweise zehn coronabedingte Krankheitsausfälle pro Tag kompensieren müssen. In den vergangenen sechs Wochen habe es „einen einzigen Coronafall“ gegeben. Die Kosten nehmen Frasiak und seine Vorstandskollegen in Kauf. Zu den 5000 Euro kommt für die Firma noch jeweils ein Sozialversicherungsanteil von rund 20 Prozent. Insgesamt fallen damit drei Millionen Euro für den Anreiz an.

Am Anfang, erinnert sich Frasiak, „herrschte Ungläubigkeit, ob wir eine Null zu viel drangehängt hätten“. Kein anderes Unternehmen hat den eigenen Mitarbeitern einen so hohen Bonus für die Spritze in Aussicht gestellt. Als politisches Statement wollte Frasiak die Aktion aber nicht verstanden wissen – zumindest „nicht direkt: Wir haben eben festgestellt, dass die politischen Antworten keinerlei Wirkung entfalten.“ Gerade im Weihnachtsgeschäft habe sich Böttcher keinen hohen Krankenstand leisten können.

Die Debatte zur Einführung einer Impfpflicht gegen Corona stockt. Doch überfüllte Intensivstationen und immer neue Freiheitseinschränkungen sind keine Notwendigkeit, wenn die Politik endlich entschlossen handelt.

Vor dieser Gefahr stand der Jenaer Mittelständler während des Ausbruchs der ansteckenden Omikron-Variante keineswegs allein. Aber anders als etwa in den USA haben sich in Deutschland nur wenige Unternehmen für die Zahlung einer Impfprämie entschieden. Diese lag meist bei einigen Hundert Euro. Die Chemische Fabrik Karl Bucher belohnte Impfungen mit 500 Euro. Der Mittelständler Pro-Micron, eine Firma für digitale Sensorsysteme, schenkte vollständig geimpften Mitarbeitern 250 Euro. Pro-Micron kommt nach eigenen Angaben auf eine 80-prozentige Impfquote. Der Essighersteller Speyer & Grund zahlte Kollegen, die bis Ende September 2021 vollständig immunisiert waren, 200 Euro. Zur Resonanz aus der Belegschaft äußert sich das Unternehmen auf Anfrage nicht.

Von großen Firmen wie Dax-Konzernen oder Supermarktketten sind keine Impfprämien bekannt. Manche locken mit Gutscheinangeboten. Der Verband der deutschen Handelsunternehmen HDE, deren Mitarbeiter viel direkten Kundenkontakt haben, verweist auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Impfprämien an die Unternehmen selbst. Einen Überblick, wie viele davon einen monetären Anreiz bieten, hat der HDE nach eigener Aussage nicht. Ebay Deutschland teilt auf Anfrage mit, „eine Impfprämie in Form einer Geldprämie kam und kommt für uns nicht in Frage.“ Zu den Gründen äußert sich eine Sprecherin ausweichend: Man habe „kontinuierlich die Empfehlung zur Impfung ausgesprochen“.



Forschungsergebnisse zeigen, dass schon eine geringe Prämie einen Einfluss auf die Impfbereitschaft haben kann. In einer im vergangenen November in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie aus Schweden lag die Impfquote in einer Gruppe, in der die Menschen umgerechnet 20 Euro für den Schuss bekamen, um vier Prozentpunkte höher als in der Kontrollgruppe, die nichts bekam.

Böttcher liegt mit den 88 Prozent ebenfalls vier Prozentpunkte über dem bundesweiten Durchschnitt bei den Erwachsenen (84 Prozent). In Thüringen sind laut dem Robert-Koch-Institut 77 Prozent der Erwachsenen doppelt immunisiert. Rechnet man Menschen älter als 60 noch heraus, fallen sogar nur 71 Prozent darunter. Der Altersschnitt bei Böttcher liegt laut Frasiak bei Mitte 30. Die Impfquote in der Firma liegt also mindestens 17 Prozentpunkte höher als in der Vergleichsbevölkerung in dem ostdeutschen Bundesland. Thüringen hat die drittniedrigste Impfquote in ganz Deutschland.

Und einige erreicht man auch mit 5000 Euro nicht. Mögliche Gründe dafür formuliert Frasiak mit Bedacht: „Für diese sind monetäre Anreize wohl nicht das richtige Instrument oder es gibt beispielsweise medizinische Gründe, die gegen eine Impfung sprechen.“

Mehr zum Thema: Böttcher-Vorstand Danilo Frasiak sagt, warum die Firma nicht auf die Politik warten will – und sich die Millionen für die Impfprämie leisten kann.

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