A. Lange & Söhne Luxusuhren-Manufaktur „Käufer wollen im Geschäft die Bestätigung“

Verbindlich und doch leger - an Stehtischen und in luftiger Gestaltung sollen sich in Dresden die Interessenten die Uhren anschauen - und nach Wunsch des CEO gefangen sein von den Uhren. Quelle: PR

Persönliches Erleben statt schneller Order, haptisches Erfahren statt virtueller Begutachtung. Wilhelm Schmid, CEO der Luxusuhrenmarke A. Lange & Söhne, setzt auf den menschlichen Faktor im Handel statt Online-Shopping.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Herr Schmid, Sie haben für die Marke A. Lange & Söhne in Dresden eine neue Boutique direkt gegenüber der Frauenkirche eröffnet. Worauf kommt es neben Sicherheit bei einer solchen Investition in ein stationäres Geschäft an?
Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis es fertig war und es war auch nicht alles von Anfang so, wie wir es haben wollten. Mir sind dabei drei Sachen wichtig. Das Erste und Wichtigste ist, dass der Kunde reinkommt und sich wohlfühlt. Egal ob das hübsch oder hip designt ist – wenn ich ein Geschäft betrete und denke, dass es kühl wirkt oder mich nicht anzieht, dann kann man mir 1000 Mal erklären, dass es wunderhübsch ist. Aber das ist dann wie bei einer Deutsch-Arbeit: Schön geschrieben, aber Thema verfehlt.

Der zweite Punkt ist wohl die Sicherheit?
Der zweite Punkt ist: Die Boutique muss die Marke in ihrer Essenz erfassen. Das ist etwas physisch Greifbares. Sie muss die Geschichte des Unternehmens herleiten, die Materialität haben und das Gefühl vermitteln. Und hier können Sie im Gegensatz zu unserer vorherigen Boutique in Dresden sehen, wie wir uns weiterentwickelt haben. Von etwas damals sehr gut Gemachtem Barocken hin zu einer Offenheit, die nicht mehr ausschließt, sondern einnimmt. Das alte Konzept hat Hemmschwellen aufgebaut, das wollen wir aber nicht.

Die neue Boutique von A. Lange & Söhne in Dresden, direkt gegenüber der Frauenkirche. Quelle: PR

Aber das Dritte ist Sicherheit?
Das Dritte ist eine Geschichte, die sehr oft unterschätzt wird. In so einer Boutique laufen eine Menge Prozesse ab – und die müssen funktionieren. Wenn man eine Vitrine nicht mehr öffnen kann, dann mag das aus Sicherheitsgründen schön sein, ist aber wieder am Thema vorbei. Diese drei Dinge halte ich für elementar und das ist uns, finde ich, gut gelungen, nachdem viele Entscheidungen auf Basis von Renderings getroffen wurden, auf denen man einzelne Teile sieht, aber nie das große Ganze. Wir haben auch die Möglichkeit, die Boutique zu unterteilen, zum Beispiel für eine Veranstaltung auf der einen Seite. Sicherheit ist natürlich auch wichtig, gerade in so einer offenen Atmosphäre direkt an einem großen Platz. Ich kann Ihnen aber verraten, dass allein die Schaufensterscheiben ein kleines Vermögen kosten – da können Sie gegenfahren und die haben allenfalls einen Kratzer. Da steckt viel Technik drin, die Sie nicht sehen.

A. Lange & Söhne hat sich als technisch orientierte Marke positioniert, die Funktionen der Uhren und Ihre handwerklichen Fähigkeiten stehen im Vordergrund. Zugleich sprechen Sie von einem warmen Gefühl, das die Boutique ausstrahlen soll. Wie passt das zusammen?
Unsere Uhren haben zwei Seelen. Es gibt eine sehr zurückhaltende, nüchterne, sachliche Ausstrahlung des Zifferblatts und Gehäuses, die Qualität spüren und sehen lässt, aber da steht kein Riesen-Markenlogo drauf. Sie sind nicht drauf ausgelegt, dass sie damit schon aus der Entfernung jemanden beeindrucken können. Wenn man sie umdreht, ist das komplette Gegenteil der Fall. Da ist alles opulent und jedes noch so kleine Teil dekoriert. Es wurde sorgsam und mit viel Liebe zum Detail geschaffen. Unsere Boutique muss diese zwei Seiten widerspiegeln. Sie muss das Technische, das Zurückhaltende, ja, das Bauhaus betonen, aber wenn sie dann um die Ecke gehen, dann dürfen sie ruhig überrascht sein, dass da der blaue Briefkasten von A. Lange & Söhne hängt, an den Emotionen gebunden sind, weil es der ist, mit dem wir 1990 unser Unternehmen begonnen haben. Die zwei Seelen der Uhren wollen wir auch in den Boutiquen leben.

Wilhelm Schmid ist seit Anfang 2011 CEO der Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne in Glashütte. Quelle: PR

Kaum ein Kunde geht trotz ihrer großen Schaufenster mal eben durch Zufall rein und interessiert sich für den Kauf einer Uhr, die ja mindestens eine fünfstellige Summe kostet. Wer die Ladentüre öffnet, hat also eine Absicht. Was muss passieren, damit daraus ein Kauf wird? So richtig überzeugen müssen sie ja eigentlich nicht mehr.
Ich sehe das anders. In fast 100 Prozent aller Fälle ist die Vorarbeit sicher im Internet erfolgt. Es gibt aber sehr unterschiedliche Kundenansprüche. Es gibt Kunden, die sagen „Seh‘ ich, will ich haben, klick‘ ich“. Dann gibt es andere, die alles wissen wollen. In der Telekommunikation nennt man das den letzten Meter. Bei uns ist das: Geld gegen Uhr. In unserem Preissegment haben die meisten Kunden, mit denen ich spreche – und das sind einige – eine ähnliche Reise hinter sich: Sie wollen im Geschäft in ihren Erwartungen bestätigt werden, die sie im Internet aufgebaut haben, bevor sie zu einer Kaufentscheidung kommen. Wenn sie die Bestätigung im Geschäft nicht erhalten, dann bin ich sehr sicher, dass eine bereits getroffene Entscheidung nicht zum Kauf führt. Wenn sie die Bestätigung erhalten, dann ist das wie ein Haken auf der Checkliste, wo die ganzen Erwartungen, Träume und Wünsche sich am Handgelenk realisieren. Meine Erfahrung: Das passiert heute noch immer im stationären Handel.

Zweifel, ob hochwertige Uhren Online gekauft werden

A. Lange & Söhne gehört neben IWC und Jaeger-LeCoultre zur Luxusholding Richemont. Die beiden genannten Marken haben Ende August still und leise auf ihren Homepages Webshops eröffnet, die das Bestellen via Internet erlauben. Sie tun das nicht. Warum?
Es gibt ja Online-Shops, die uns führen, sie bekommen unsere Uhren also durchaus online. Ich habe nur noch nicht gehört, dass dort gekauft wird. Ich habe aber sehr oft gehört, dass die Kunden schauen, ob eine bestimmte Uhr vorrätig ist, dann ins Geschäft gehen, sie anprobieren und vor Ort kaufen. Von daher halte ich es für möglich, dass unsere Uhren irgendwann online bestellt werden. Vielleicht passiert es auch nie. Wir wissen es nicht. Wenn der Mehrwert für mich als Kunden darin besteht, jemandem in die Augen zu sehen, Informationen zu bekommen, ein Gespräch zu führen, solange wird der stationäre Handel der Weg sein. Ich weiß, da ist jemand, der sich um mich kümmert, wenn ich mal ein besonderes Stück haben will oder der mir hilft, wenn mir die Uhr mal runtergefallen ist. Solange dem Kunden das wichtig ist, sehe ich nicht, dass der stationäre Handel durch das Internet abgelöst wird – zumindest nicht in unserem Marktsegment.

Dennoch erreichen Sie mit stationärem Handel nicht flächendeckend alle Kunden. Gerade für eine sehr exklusive Marke ohne riesige Stückzahlen könnte doch der direkte Draht zu Kunden in anderen Regionen und Nationen hilfreich sein.
Wir haben 24 Verkaufspunkte in den USA – klar, damit kann man nicht alles abdecken. Das sind weniger als in Deutschland. Auch da gilt: Wenn der Mehrwert der Boutique den Kunden etwas bedeutet, dann kommen sie. Wir haben eine Boutique in Manhattan, die zu 99 Prozent Kunden aus den USA hat – aber die leben oft nicht in New York. Sie reisen aus allen Landesteilen an. Und die freuen sich darauf, verbinden es mit einem Wochenendausflug. Entsprechend hoch ist die Erwartung an den Service und die Beratungskompetenz. Die freuen sich, Geschichten zu hören, die sie nicht kannten oder einen Uhrmacher sprechen zu können oder zu einem Event eingeladen zu werden. Oder bei der Neueinführung einer limitierten Uhr einen Ansprechpartner zu haben, dem sie sagen können, dass sie die unbedingt haben wollen. Das sind alles Dinge, die mit einem Klick nicht funktionieren.

Zwei Seiten einer Uhr
Datograph Lumen Quelle: PR
Modell Richard Lange Springende Sekunde Quelle: PR
1815 Rattrapante Ewiger Kalender Quelle: PR
Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite" Quelle: PR
Zeitwerk Quelle: PR
Triple Split Quelle: PR

Für Sie ist der stationäre Handel auch eine Möglichkeit, den Weg einer Uhr zu beeinflussen?
Schon, wenn Sie die Uhr einfach in den Online-Shop stellen, ist sie unter Umständen per Klick binnen Minuten verkauft und eine halbe Stunde später schon wieder im Graumarkt. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Wir tun uns alle keinen Gefallen, wenn wir es dem Zufall überlassen, unser Glück zu gestalten. Da bin ich komplett dagegen.

Es hat also schon auch mit der Höhe des Preises der Uhr zu tun?
Definitiv. Bei unlimitierten Modellen, die in etwas größeren Stückzahlen gebaut werden, sieht die Sache unter Umständen anders aus. Aber wir haben viele Kunden aus dem Silicon Valley, die es genießen, in die Geschäfte zu gehen. Nicht nur wenn sie kaufen, sondern auch mal zwischendurch, um einfach nur zu schauen. Es muss nicht immer gleich ein Verkaufsabschluss sein. Im Geschäft sind sie Teil einer Gemeinschaft. Das sind sie nicht, wenn sie nur einen Knopf drücken.

Online-Shops sind durchaus in der Lage, Beziehungen zum Kunden herzustellen. Beispiele wie Net-a-porter belegen das. Mit exklusiven Zugängen für Kunden lassen sich auch Bindungen aufbauen.
Das ist Mode. Etwas Vergleichbares hat mir bei hochwertigen mechanischen Uhren noch keiner gezeigt. Natürlich können Sie eine Uhr gestalten, wie sie sie alle haben wollen, und online in geringer Auflage verkaufen – das ist nicht schwer. Ein toller Erfolg, aber ich glaube nicht, dass das für einen Uhrenhersteller ein nachhaltiges Geschäftsmodell sein kann. Unser Gründungs-CEO Günter Blümlein hat damals definiert, was ein Kunde erleben soll, wenn er eine A. Lange & Söhne kauft. Er möchte das gleiche Gefühl kreieren, dass ein Autokäufer hat, wenn er das erste Mal erlebt, wie eine Mercedes-Tür satt ins Schloss fällt – wie wollen Sie dieses Gefühl erzeugen, ohne dass Ihnen der Kunde gegenüber sitzt? Wir wissen, dass die „Infektionsgefahr“, eine unserer Uhren haben zu wollen, grandios ansteigt, wenn man sie in die Hand nimmt. Deswegen ist bei uns alles darauf ausgelegt, diesen Moment zu schaffen. Und diesen Moment möchten Sie teilen, den möchten Sie nicht alleine genießen. Noch. Aber wenn die Welt sich ändert, werden wir vorbereitet sein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%