Ob der Erfolge wurde Seidel lange Zeit als möglicher Nachfolger von Konzernchef Gehrig gehandelt. Womöglich, so vermutet der Manager eines Wettbewerbers, sei er der „Sonne zu nah“ gekommen. Zuletzt jedenfalls hielt sich der Lidl-Frontmann mit öffentlichen Auftritten zurück und überließ im Zweifel dem 68-jährigen Gehrig die Show. Zumal Letzterer unmissverständlich klar machte, dass er die Zeit für einen Rückzug auf’s Altenteil längst noch nicht gekommen sieht.
So verlängerte der Discountveteran kürzlich seinen Vertrag bis 2020 und dürfte auch durch einen Managementumbau die Ambitionen seines Führungskaders deutlich gedämpft haben. Fortan sollten sich mit Seidel, Kaufland-Chef Kaudewitz sowie den Managern Gerd Chrzanowski und Andreas Strähle gleich vier Vorstände um die Geschicke der Unternehmensgruppe Schwarz kümmern – unter Oberkommando von Gehrig versteht sich. Der Umgang sei zwar kollegial, aber „am Ende muss einer entscheiden“, ließ Gehrig wissen. Nun dürfte Seidels operativer Nachfolger Hojer in das Gremium aufrücken. Offen ist, welche Auswirkungen, die Personalie für das operative Geschäft hat. Klar ist: Der Neue steht vor gewaltigen Aufgaben.
So liefert sich Lidl derzeit ein Wettrennen mit dem Erzrivalen Aldi um die globale Vormachtstellung. 2000 zusätzliche Läden wollen Lidl und Kaufland nach Berechnungen der Handelsexperten von Planet Retail bis Ende 2021 weltweit hochziehen. Die Schwarz-Gruppe käme dann insgesamt auf rund 13.700 Standorte und dürfte einen Bruttoumsatz von rund 142 Milliarden Euro erzielen. Vor allem in Großbritannien und in osteuropäischen Ländern wie Serbien will das Unternehmen wachsen. Das weitaus wichtigste Ziel aber ist der amerikanische Markt. Offiziell sollen hier 2018 die ersten Filialen eröffnen. Bis 2023 soll Lidls US-Umsatz laut Prognosen des Marktforschers Kantar Retail auf 8,8 Milliarden Dollar steigen.
Ein Selbstläufer wird die US-Expansion nicht. Nicht nur der amerikanische Handels-Weltmarktführer Walmart verteidigt sein Revier. Auch Erzrivale Aldi, der seit 40 Jahren in den USA aktiv ist, will Lidl einen heißen Empfang bereiten und könnte - ganz Aldi-like - einen Preiskampf entfachen, sobald der Newcomer seine ersten Stores eröffnet.
Bis dahin sichert sich Aldi im großen Stil Immobilien, dehnt sein US-Imperium immer schneller aus und geht auch auf dem Heimatmarkt in die Vollen. So hat der Konzern eine breitangelegte Werbekampagne gestartet, mit der Aldi vor allem jüngere Kunden ansprechen will. Schon zuvor hatten Aldi Nord wie auch Aldi Süd ihr Sortiment, das jahrelang fast ausschließlich aus Eigenmarken bestand, mit Herstellerlabels von Pampers-Windeln bis zu Wagner-Pizza aufgemöbelt. Der Umbau zeigt bereits Wirkung im Aldi-Zahlenwerk. Keine Frage, auf den neuen operativen Lidl-Chef Hoyer wartet reichlich Arbeit.