Abpfiff oder zweite Runde? Intersport-Tochter Voswinkel meldet Insolvenz an

Die Intersport-Tochter Voswinkel meldet Insolvenz an Quelle: imago images

Online-Boom, Wetterkapriolen und hausgemachte Probleme: mit der Intersport-Tochter Voswinkel zieht ein großer Sporthändler die Reißleine und flüchtet unter den Insolvenz-Schutzschirm. Doch das Spiel ist noch nicht aus. 

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„So hart feiern nur wir“, wirbt der Sporthändler Intersport Voswinkel derzeit in seinen Prospekten für Sonderangebote zum 115-jährigen Bestehen des Traditionsunternehmens. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist Voswinkel in die schwerste Krise seiner Geschichte geraten: die Geschäftsführung des Sporthändlers mit deutschlandweit 74 Filialen hat beim Amtsgericht Dortmund heute Insolvenzantrag gestellt. Pikant: Voswinkel ist Teil des Einkaufsverbunds Intersport, einem Zusammenschluss von über 1100 Sportfachhändler in fünf europäischen Ländern. Zum Ableger Voswinkel gehören dabei jene Filialen, die direkt von der Zentrale und nicht von selbstständigen Fachhändlern geführt werden, darunter „Future Stores“ und Flaggschifffilialen, die der umsatzstärksten Verbundgruppe im Sporthandel eigentlich den Weg in die Zukunft weisen sollten. Doch ausgerechnet bei Voswinkel ging es in den vergangenen Jahren rapide abwärts. 

Über ein so genanntes Schutzschirmverfahren - eine auf die Sanierung ausgerichtete Insolvenzvariante – soll Voswinkel jetzt wieder auf Kurs gebracht werden. Beaufsichtigt wird die Rettungsmission von Christoph Schulte-Kaubrügger von der Kanzlei White & Case, der vom Gericht als vorläufiger Sachwalter bestellt wurde. Schulte-Kaubrügger gehört zu den bekanntesten und meistbestellten Insolvenzexperten Deutschlands.

Das Voswinkel-Management wird von Lorenzo Matthaei unterstützt. Matthaei ist Gründungspartner der auf Corporate- und Insolvenzrecht spezialisierten Frankfurter Kanzlei Finkenhof und war bei zahlreichen Großverfahren als Berater und Restrukturierer im Einsatz.

von Henryk Hielscher, Volker ter Haseborg, Peter Steinkirchner

Sport Voswinkel kam vor 16 Jahren als eine Art Fremdkörper zu Intersport. Bis dahin führte der Einkaufsverbund keine eigenen Läden - auch um der eigenen Fachhandelsbasis keine Konkurrenz zu machen. Das änderte sich Anfang 2003 als die deutsche Intersport in Heilbronn Sport Voswinkel mit 34 Läden und über 500 Mitarbeitern von der Douglas Holding übernahm. Nach und nach kamen weitere Standorte dazu - und mit ihnen neue Probleme.

Im Geschäftsjahr 2017/18 schrieb Voswinkel einen Verlust von rund 15 Millionen Euro. Der Umsatz ging um rund fünf Prozent auf 139 Millionen Euro zurück. Schon zuvor, im Geschäftsjahr 2016/2017, stand ein Jahresfehlbetrag von rund 4,6 Millionen Euro in den Büchern.

Ein Mix aus strukturellem Gegenwind und hausgemachten Schwächen machte Voswinkel zu schaffen. So hat der Sporthändler der Kundendrift ins Internet bisher zu wenig entgegen zu setzen. Auch all die Displays, Touchscreens und digitalen Umkleidekabinen, die Voswinkel in seinen Futures Stores testete, um die stationäre mit der digitalen Einkaufswelt zu verknüpfen, scheinen daran nicht viel geändert zu haben. Hinzu kommt: Sportartikelhersteller gehen mehr und mehr dazu über Teile ihrer Sortimente zuerst in eigenen Shops zu vermarkten, oder über den Modehandel zu verkaufen - und nicht in Sportgeschäften.

Zudem wildern neue Player wie der französische Sportdiscounter Decathlon zunehmend im Intersport-Revier. Krisenverstärkend wirkten letztlich wohl auch das frühe Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM und die widrigen Wetterbedingungen, die dem gesamten Handel zu schaffen machten. Ein warmer regnerischer Januar, der lange heiße Sommer und der milde Dezember sorgten vor allem in den umsatzstarken Bereichen Outdoor und Wintersport für ein deutliches Minus.

Die Sanierer dürften nun zunächst versuchen, die Kosten zu senken. Der Vorteil: unter Insolvenzbedingungen können auch langlaufende Verträge schnell gekündigt werden. Mit den Lieferanten und Vermietern dürfte zügig verhandelt werden. Das Insolvenzgeld für die rund 1200 Mitarbeiter könnte zusätzlich dazu beitragen, die Ausgaben kurzfristig in den Griff zu bekommen. „Der Geschäftsbetrieb bei Sport Voswinkel geht trotz des eingeleiteten Schutzschirmverfahrens ohne Einschränkungen weiter“, wird Voswinkel-Geschäftsführer Helge Mankowski in einer Pressemitteilung zitiert. „Die Löhne und Gehälter unserer Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld bis Ende Juni gesichert. Bis dahin werden wir die Restrukturierung und die Sanierung von Sport Voswinkel vorantreiben.“

Offen bleibt, wie es danach weitergeht. Intern sorgte die Schieflage der Tochter schon in den vergangenen Monaten für reichlich Unmut unter den genossenschaftlich organisierten Intersport-Händlern.

Im Vorfeld der jährlichen Generalversammlung im März in Heilbronn hatten Fachmedien bereits über eine „Palastrevolution im Aufsichtsrat“ spekuliert. Die blieb letztlich aus. Doch die Voswinkel-Insolvenz dürfte die Debatte um die künftige Ausrichtung von Intersport nun erneut befeuern. Der Verbund steht für mehr als 1.800 Geschäfte in Deutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Insgesamt erzielte Intersport 2018 rund 3,53 Milliarden Euro Umsatz. Die mehr als 900 deutschen Intersport-Händler sind innerhalb der Gruppe die wichtigste Größe. Sie erzielten 2018 rund 2,85 Milliarden Euro Umsatz. 

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