Adidas "All in" für Herbert Hainer

Europas größter Sportkonzern Adidas ändert die Strategie. Doch Investoren und Mitarbeiter treibt eine andere Frage um: Wer wird Nachfolger von Vorstandschef Herbert Hainer?

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Adidas-Chef Herber Hainer Quelle: dpa Picture-Alliance

Die früheren Räume der US-Großbank JP Morgan an der New Yorker Wall Street hatte Adidas ausgesucht, um mit Sportstars seinen neuen Hoffnungsträger vorzustellen. „Ultra Boost“ heißt der leichte, 180 Euro teure Laufschuh, den Vorstandsmitglied Eric Liedtke vor wenigen Wochen unter die unverputzte Decke des seit fast zehn Jahren verwaisten Gemäuers hielt.

Was in erster Linie als schicke Kulisse für Fotografen und Kamerateams aus aller Welt gedacht war – wild, rau und pittoresk heruntergekommen –, transportierte eine kaum beabsichtigte Symbolik: Der Dax-Konzern aus Herzogenaurach steht ausgerechnet im wichtigsten Sportmarkt vor den Trümmern der vergangenen Jahre.

Adidas und Nike im direkten Vergleich

Weit abgeschlagen hinter Marktführer Nike, zuletzt zwischen Boston und Los Angeles sogar abgehängt vom vielfach kleineren US-Konkurrenten Under Armour, wollen die Deutschen jetzt mit aller Macht den Abwärtstrend drehen. Sie investieren Millionen in Übersee, verpflichten Hunderte Basketball- und Football-Profis, finanzieren eine Designagentur in Brooklyn und wildern dazu beim Kreativpersonal des Konkurrenten Nike. Das Comeback in den USA, wo die Trends der Branche gesetzt werden, ist der wesentliche Baustein der Strategie, die Vorstandschef Herbert Hainer am Donnerstag vorstellen will.

Optimistischer Fünf-Jahres-Plan

Nach dem Horrorjahr 2014 soll der neue Plan vor allem helfen, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Der Konzern hatte nach Gewinnwarnungen wegen der Krise im Geschäft mit Golfzubehör und gebeutelt von Währungsabwertungen wie dem russischen Rubel 7,5 Milliarden Euro an Börsenwert verloren.

Adidas-Vorstand Eric Liedtke Quelle: Presse

Weitere wichtige Punkte des Fünf-Jahres-Plans: Hainer peilt einen Jahresumsatz von 20 Milliarden Euro bis 2020 an, nachdem er zuvor damit gescheitert war, die Geschäfte bis 2015 auf 17 Milliarden Euro hochzuschrauben. Im vergangenen Jahr landete er bei 14,5 Milliarden. Wachsen will die Gruppe jetzt vor allem auf margenstärkeren eigenen Verkaufsflächen und im Online-Handel. Zudem will sich Adidas auf Großstädte wie London, New York und Tokio und stärker auf jüngere Kunden konzentrieren. Vor allem aber will Hainer Adidas klarer als Sportmarke inszenieren.

Abgesehen von äußeren Unwägbarkeiten, die schon den letzten Plan torpedierten, hat die jüngste Strategie jedoch vor allem einen Haken: Niemand weiß, wer sie umsetzen wird, wenn im März 2017 Hainers Vertrag ausläuft – und der neue Chef womöglich eigene Akzente setzen will. „Diese Personalie ist das große Fragezeichen“, sagt Christoph Schlienkamp, Analyst beim Düsseldorfer Bankhaus Lampe. „Die Nachfolgefrage hängt über der Strategie wie ein Damoklesschwert.“

Der Adidas-Konzern in Zahlen 2014

Branchenkenner beachten daher Auftritte wie den von Neu-Vorstand Liedtke in New York besonders aufmerksam. Der Amerikaner, seit mehr als 20 Jahren in Adidas-Diensten, folgte vor einem Jahr vorzeitig als Markenvorstand auf Urgestein Erich Stamminger. Zusammen mit Roland Auschel ist er der sichtbarste interne Kandidat für den Chefposten. Vertriebschef Auschel war kurz vor Liedtke der erste Neuling, der in den zuvor zwölf Jahre lang unveränderten Konzernvorstand aufgerückt war.

Doch während Auschel, 51, nach außen eher blass bleibt, punktet Marketingmann Liedtke. Der 48-Jährige verantwortet die Marken Adidas und Reebok, mehr Verantwortung geht kaum. Liedtke, forscher im Auftritt als sein vorsichtiger Vorgänger Stamminger, zieht das Tempo an, etwa mit provokanteren Werbekampagnen.

Sorge um das Bild der Marke Adidas

Zuletzt irritierte Adidas Kickstiefel-Käufer und Händler mit aufreizend großkotzigen Auftritten von Fußballstars wie Luis Suárez oder Gareth Bale. „There will be haters“ lautete der Werbespruch, „man wird dich hassen“. Die Logik dahinter erschloss sich nicht jedem. Intern geht Liedtke Kritikern zu weit bei dem Versuch, die Käuferschaft durch Polarisierung anzubaggern.

Auch an anderer Stelle will Liedtke offensichtlich andere Prioritäten setzen als Stamminger. Der Franke predigte stets die gemeinsam mit Hainer ausbaldowerte Strategie, Adidas in mehrere Untermarken aufzuspalten, um von der Freizeitmode bis zum Fußballstadion alle Möglichkeiten anzuzapfen, Umsatz zu erzielen.

Die Sportartikelriesen im Vergleich
NikeBasketballAuf dem US-Markt hat Nike mit der Schwestermarke Jordan die Nase weit vor allen anderen und kommt auf einen Marktanteil von 92 Prozent. Quelle: USA Today Sports
AdidasBasketballAdidas rüstet die US-Profiliga NBA aus, kommt bei Schuhen für die Athleten aber nur auf einen Marktanteil von 5,5 Prozent. Quelle: AP
NikeLeichtathletikMit Laufschuhen setzen die Sportartikelkonzerne weltweit nach Schätzungen 15 Milliarden Dollar um. Auf dem US-Markt kommt Nike auf einen Marktanteil von 52 Prozent. Quelle: dapd
AdidasLeichtathletikAdidas will Nike mit neuen Materialien für Laufschuhe attackieren, läuft aber hinterher. Die Franken liegen in den USA noch hinter Asics aus Japan und erreichen auf dem Nike-Heimatmarkt einen Anteil von 11 Prozent. Quelle: AP
NikeFußballErst seit 1996 mischt Nike mit im Fußballgeschäft. Nike-Manager sagten jüngst, sie seien weltweit die Nummer eins. Branchenschätzungen sahen den US-Konzern zuletzt hinter Adidas mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro. Quelle: dpa
AdidasFußballDas Kicker-Business ist eines der wenigen, in denen sich Adidas noch auf Rang eins sieht. Die Franken erwarten im WM-Jahr Rekordumsätze von 2 Milliarden Euro. Quelle: AP

Besonders die „Style“ genannte Sparte wucherte daraufhin: Das Spektrum reicht vom preiswerten Jugendlabel Neo über den Retro-Ableger Originals, der Popstars wie Kanye West für sich einspannt, bis zur Kollaboration mit Porsche Design und zur edlen Modelinie Y3. Das lief jahrelang gut: Obwohl nach wie vor Sportprodukte für den größten Teil der Umsätze sorgen, erzielt der Konzern allein mit den Klassikern von Adidas Originals mit 2,6 Milliarden Euro höhere Erlöse, als etwa Herausforderer Under Armour insgesamt erreicht.

Auf der Suche nach dem Marken-Sinn

Doch der kommerzielle Erfolg hat Nachteile. Kritiker fürchten um das Bild der Marke: „Nehmen Sie nur den Adidas-Laden in New York, der wirkt beliebig wie ein Kaufhaus“, sagt ein langjähriger Sportmanager. „Das verwirrt die Kunden, die nicht mehr wissen, wofür Adidas eigentlich noch steht.“ Nike, sagt der Experte, mache das besser, weil sich die Marke auf wenige Produkte konzentriere und klar für Sport stehe. Zum diffusen Bild trägt bei, dass Adidas lange auf Slogans wie das nichtssagende „Impossible is nothing“ setzte – was arg nach Toyotas „Nichts ist unmöglich“ klang. Seit 2011 probierten es die Herzogenauracher mit dem harmlosen „All in“, der die Bandbreite der Produkte abdecken sollte.

„Wir haben nie eine reine Sportkampagne gemacht“, erkannte auch Liedtke. Dabei sei Adidas „die wahre Sportmarke“, sagte der Amerikaner in New York, „zeitweise sind wir aber zu weit von dieser Linie abgewichen.“ Um in die Spur zu kommen, startete Adidas jüngst die Werbekampagne „Sport 15“, die nur auf Sportstars setzt.

Den Strang will Liedtke weiter betonen und heuerte dafür eine neue Werbeagentur an, die zugleich den Fokus auf den amerikanischen Markt unterstreicht. Denn anders als Vorgänger Sid Lee aus Kanada stammt 72andSunny aus den USA und unterhält Büros in Los Angeles und New York. Viele der Agenturleute haben schon für Nike oder deren Stammagentur Wieden & Kennedy gearbeitet. Was sie drauf haben, soll vom Sommer an sichtbar werden.

Ob der neue Kurs bald Früchte trägt, entscheidet auch mit darüber, ob überhaupt ein interner Kandidat Hainer-Nachfolger wird. Manche Finanzinvestoren wünschen sich eher „Blutzufuhr von außen“.

Spekulationen kreisen etwa um ein Manager-Schwergewicht wie Kasper Rorsted, den erfolgreichen Boss des Düsseldorfer Henkel-Konzerns. Der ist gerade 53 geworden und hat seit 2008 bewiesen, dass er einen internationalen Großkonzern mit vielen Marken führen kann. Zudem ist der frühere Handballer Fan der Adidas-Beteiligung FC Bayern. Und wie Hainer zählt er zum erlauchten Kreis der Similauner, jener Kraxel-Truppe um Ex-McKinsey-Chef Herbert Henzler, die mit Berglegende Reinhold Messner Alpengipfel erklimmen. Auch wenn weder Adidas noch Henkel Stellung nehmen wollen: Es würde vieles passen.

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