Adidas-Chef Hainer "Wir peilen eine Million Trikot-Verkäufe an"

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Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben

Adidas-Chef Herbert Hainer Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Adidas steht gerade im Vorfeld von EM oder Olympia immer wieder in der Kritik wegen der Arbeitsbedingungen bei Zulieferbetrieben, zuletzt in der ARD-Sendung „Markencheck“. Tun Sie nicht genug?

Wir nehmen unsere Verantwortung seit Jahren sehr ernst, bei uns arbeitet ein eigenes Team von 65 Mitarbeitern daran, die Verhältnisse bei unseren Zulieferbetrieben ständig im Blick zu haben und zu verbessern.

Offenbar reicht das nicht – in der ARD beklagten sich jüngst wieder Gewerkschafter aus El Salvador, Adidas sei der schlimmste Arbeitgeber in der Region.

Ich habe das gesehen und mich ehrlich gesagt über die ARD geärgert. Denn der Beitrag verschwieg, dass wir in dieser Fabrik in El Salvador seit zehn Jahren nicht mehr tätig sind. Das passte aber wohl nicht in das Konzept der Sendung. Seit Jahren werden wir von Organisationen wie Clean Clothes oder der Christlichen Initiative Romero dazu aufgefordert, die Verhältnisse in den Fabriken zu verbessern, also für bessere Bezahlung, Sozialstandards, sanitäre Anlagen zu sorgen und Zwangs- oder Kinderarbeit und unbezahlte Überstunden zu verbieten. In diesem konkreten Fall haben wir genau das von dem Fabrikbesitzer verlangt...

...und er hat nicht reagiert?

Wir haben ihn mehrmals abgemahnt. Nachdem er sich nicht an unsere Vorgaben hielt, haben wir gesagt: Das war’s, finito, stopp, wir gehen raus. Drei Jahre später war die Fabrik pleite. Und dann verlangt die gleiche Organisation, die uns gedrängt hat, wir müssten dem Besitzer auf die Finger schauen, wir sollten uns jetzt um seine Mitarbeiter kümmern, nachdem er Pleite gemacht hat.

Warum haben Sie sich nicht gekümmert?

Wir haben uns sehr wohl um sie gekümmert. Wir haben mit der Regierung von El Salvador verhandelt und uns bemüht, den Arbeitern zu neuen Jobs zu verhelfen. Das ist zum größten Teil auch gelungen. Weil das aber nicht ins Bild passt, werden solche Informationen gern unterschlagen.

In einem Stadion wird nicht nur Fußball gespielt - sondern über Werbung, VIP-Logen und Fanartikel ein Millionengeschäft gemacht. Eine Übersicht.

Aktuell kritisiert die Organisation Play Fair, Adidas schulde Arbeitern in Indonesien noch Löhne von 1,8 Millionen Euro.

Auch so ein Fall. Hier hat der Fabrikant uns 2008 vor die Tür gesetzt, weil er sich von unseren Wettbewerbern größere Aufträge erhofft hat. Die blieben aus, die Fabrik ging 2010 in Konkurs. Es ist unsinnig, uns im Nachhinein haftbar zu machen.

Gibt es in Ihrer Branche in Schwellenländern schwarze Listen, wie Menschenrechtsorganisationen behaupten, auf denen unliebsame Arbeiter und Gewerkschafter stehen, die deswegen keine Jobs mehr bekommen?

Nein, die gibt es nicht. Wir bemühen uns wirklich darum, größtmögliche Transparenz zu schaffen – nennen Sie mir eine Branche, die wie wir alle ihre Zuliefererbetriebe nennt und die Verhältnisse dort öffentlich bewertet. Das haben wir jetzt zum Beispiel für die Herstellung der Produkte für die Olympischen Spiele so gemacht. Wenn Sie bedenken, dass wir mit 1400 Fabriken und einer Million Mitarbeitern in mehr als 60 Ländern zusammenarbeiten, dann hört man vergleichsweise selten etwas Schlechtes von uns.

Warum zahlen Ihre Zulieferer dann nur Hungerlöhne?

Das ist nicht richtig – wir zahlen grundsätzlich immer mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. In China liegt der zum Beispiel bei über 157 Euro im Monat, die Löhne sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. In El Salvador liegt der Mindestlohn bei 170 Dollar – wer bei Adidas arbeitet bekommt 220 bis 230 Dollar, das ist mehr als ein Polizist oder ein Lehrer dort verdient. Es gibt in der Branche ein Pilotprojekt zu existenzsichernden Löhnen, aber am Ende sind nicht wir die Verhandlungspartner, sondern die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber.

Wo können denn, im Ernst, in China Arbeitnehmer bei den Löhnen mitreden?

Stimmt, in China legt der Staat die Löhne fest, und er hat sie in den vergangenen zwei Jahren in unserer Branche jedes Mal um 25 Prozent erhöht. Das ist gut für die Arbeiter dort, und ich gönne es ihnen. Aber unsere Zulieferer und wir müssen kaufmännisch denken und werden künftige Kapazitäten deshalb außerhalb Chinas aufbauen. Damit wird der Anteil Chinas an unserer Beschaffung in der Masse mindestens konstant bleiben, prozentual aber Stück für Stück zurückgehen.

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