Adidas Kaspers neue Truppe

Neuer Plan, neue Köpfe - Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted will Mittwoch die Strategie des Dax-Konzerns für die kommenden fünf Jahre vorstellen.  Quelle: dpa

Im fünften Jahr seiner Amtszeit befördert Adidas-Chef Kasper Rorsted viele Frauen in Spitzenpositionen. Gleichzeitig verlassen langgediente Mitarbeiter Adidas. Das sorgt bei manchen für Unbehagen.

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Mit kritischem Blick beäugt der ältere Herr das Geschehen auf dem Sportplatz. In der linken Hand hält er einen Fußballschuh, mit der rechten stützt er sich auf dem Knie ab. Die lebensgroße Bronzestatue von Gründer Adi Dassler ist ein Blickfang auf dem Adidas-Campus auf dem Hügel oberhalb von Herzogenaurach.

Die Skulptur des 1978 gestorbenen Erfinders wanderte schon mehrfach über das weitläufige Gelände; mal stand sie im Eingangsbereich, dann saß sie auf der Tribüne des firmeneigenen kleinen Stadions, doch stets blieb sie eins: ein Fixpunkt des Dax-Konzerns. Was für den alten Franken gilt, hat indes für andere langgediente Adidas-Mitarbeiter keine Gültigkeit. Wenn Vorstandschef Kasper Rorsted am Mittwoch seine Strategie für die kommenden fünf Jahre vorstellt, werden eine Reihe von ihnen längst nicht mehr an Bord sein, darunter auch einige jener Köpfe, die noch für den bis dato geltenden Plan verantwortlich zeichneten.

Wurzeln weg oder notwendiger Übergang?

Die Liste der Abgänge ist lang, sie reicht vom Vorstand bis in die Abteilungen. Statt ihrer stehen jetzt neue Gesichter im Fokus, von denen einige auch bei der Strategie-Präsentation eine Rolle spielen werden. Für Rorsted sind sie wohl auch ein bewusstes Signal dafür, dass sein neuer Plan auch von neuen Köpfen umgesetzt werden soll. Intern indes sorgen die Personalrochaden für gemischte Gefühle. Bei einigen überwiegt die Sorge, Adidas könne seine Wurzeln verlieren. Andere sehen darin einen „notwendigen Übergang“.

Adidas' neue Personalvorständin Amanda Rajkumar Quelle: PR

Für den steht unter anderem Adidas' neue Personalchefin Amanda Rajkumar. Die Britin kommt von von der französischen Großbank BNP Paribas. Sie folgte auf Karen Parkin, die seit 1997 für den Konzern gearbeitet hatte. Die Engländerin wurde intern im Zuge der massiv verschärften Rassismus-Debatte im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod des Amerikaners George Floyd vor allem von Mitarbeitern in den USA kritisiert. Die Debatte, die in den USA viele Tausend Menschen aus Protest auf die Straße trieb, wurde auch innerhalb des Unternehmens geführt. Parkin geriet dabei vor allem in die Kritik, weil sie ein Jahr zuvor das Thema Rassismus auf einer Mitarbeiterversammlung noch abgetan hatte mit der Bemerkung, dabei handle es sich um „noise“, um Lärm also. 

von Peter Steinkirchner, Mario Brück

Streiks und Proteste

Das führte im Zusammenhang mit den seit dem Tod von Floyd stetig anwachsenden Protesten dazu, dass Adidas-Mitarbeiter vor dem US-Hauptquartier in Portland im US-Bundesstaat Oregon protestierten und streikten. Parkin, die sich selbst später gegen Rassismus und Ungleichbehandlung aussprach, das Thema und seine Sprengkraft zuvor aber offensichtlich unterschätzt hatte, musste gehen; Adidas versprach Besserung und eine stärkere Berücksichtigung von Minderheiten bei der Jobvergabe.

Nachfolgerin Amanda Rajkumar, die seit Januar 2021 als Personalvorständin den Adidas-Vorstand wieder komplettiert, hat bislang keine Erfahrung in der Sportartikelbranche. Sie studierte Psychologie in London und arbeitete vor allem neun Jahre lang in verschiedenen Positionen im Personalwesen der Investmentbank JP Morgan in London, ehe sie zu BNP Paribas stieß. Die fehlende Erfahrung im Sportbusiness teilt sie mit der zweiten hochkarätigen neuen Managerin bei Adidas.

Erste Werbe-Chefin

Erstmals in seiner Unternehmensgeschichte hat der Konzern eine Marketingchefin eingestellt. Vicky Free heißt die neue Chef-Werberin, die auf den Franzosen Jocelyn Robiot folgt. Robiot wechselte zu einem Berliner Start-up.

Free kommt vom US-Klinikbetreiber Novant Health. Vor allem jedoch stehen Medienunternehmen in ihrer Vita; zu ihren bisherigen Karrierestationen zählen Walt Disney, McDonald's, Time Warner und Viacom. Free ist zugleich die erste Afroamerikanerin in einer vergleichbaren Position bei Adidas; beim Medienkonzern Viacom hatte Free das Marketing des Senders Black Entertainment Television (BET) geleitet. Unternehmenskenner sehen in ihrer Berufung auch ein Signal an die eigene Belegschaft.

Beobachter erwarten nun, dass Adidas seine Werbeausgaben nach der Bekanntgabe der neuen Strategie spürbar steigern wird. Der Dax-Konzern hatte 2018 und 2019 jeweils rund drei Milliarden Euro für Werbung ausgegeben, im vergangenen Jahr jedoch die Ausgaben deutlich eingeschränkt. In den ersten massiv von der Coronapandemie und Ladenschließungen geprägten neun Monaten lagen die Ausgaben um 16 Prozent unter dem Vorjahr.

Anlass für Werbefeldzüge bieten aller Voraussicht nach etwa die Fußball-Europameisterschaft, die nach aktuellem Stand ab dem 11. Juni in verschiedenen Ländern gespielt werden soll sowie die Olympischen Spiele in Tokio. Vor allem Olympia gilt in der Branche als Marketingereignis – anders als das Fußball-Turnier sorgen die Spiele zwar nicht unmittelbar für gesteigerte Absatzzahlen bei Trikots. Sportmarken nutzen die weltweite Bühne jedoch fürs Marketing und die Präsentation neuer Produkte. Für grundlegend neue Konzepte dürfte Free die Zeit fehlen, dafür wird sie auf Plänen aus dem vergangenen Jahr aufbauen können.

Aus für Adidas-Urgesteine

Ebenfalls neu beim Sportkonzern ist Carla Murphy. Die Irin, die vom neuseeländischen Merino-Spezialisten Icepeak zu Adidas wechselt, wird Chefin der Outdoor-Sparte der Franken. Die Langstreckenläuferin und Trailrunnerin, Mutter zweier Söhne, löst einen weiteren langjährigen Adidas-Manager ab – Tim Janaway war seit 17 Jahren im Konzern und zuletzt für das Outdoor-Segment verantwortlich.

Wie Parkin zählt auch der Brite zu der langen Liste von Managern, die in den vergangenen Jahren die Entwicklung von Adidas mitgeprägt haben, und die in den vergangenen Wochen und Monaten von Bord gingen - und das nicht immer freiwillig.

Dazu gehören auch Vorstand Liedtke, Kreativdirektor Gaudio, Strategiechef Carnes oder auch Jon Wexler, ein Promi-Vermarkter und Betreuer von Stars wie Kanye West, der zwischenzeitlich zu Shopify wechselte. Viele von ihnen verbindet mit Adidas eine lange Geschichte. Der Amerikaner Gaudio etwa gehörte schon Anfang der 1990er Jahre dem Team um Rob Strasser und Paul Moore an, die unter Branchenkennern als Retter von Adidas gelten.

Retter in der Not

Beide waren zuvor viele Jahre lang hochrangige Manager beim Erzfeind Nike. Dort hatten sie mit dafür gesorgt, dass ausgerechnet Branchenpionier Adidas im größten Sportartikelmarkt der Welt praktisch an die Wand gespielt worden war. Gebeutelt von der Konkurrenz, aber auch vielen hausgemachten Fehlern und Versäumnissen holte Adidas Strasser und Moore 1993 in höchster Not als Berater und Chefs des US-Geschäfts an Bord. Beiden wird unter anderem zugeschrieben, als erste das große Potenzial des riesigen Adidas-Archivs mit Sportschuhen aus sechs Jahrzehnten erkannt zu haben.

20 Jahre später sollte Gaudio an einige der damaligen Ideen anknüpfen, als er zusammen mit Markenvorstand Liedtke und dem damaligen Vorstandschef Herbert Hainer Adidas mit neuer Strategie aus einer kreativen Krise holte und neues Umsatzwachstum in Gang brachte. Ihr Rezept: Rückbesinnung auf die Wurzeln, auf Adi Dassler und seine Herkunft als Schuhmacher, Entwickler und Kreativer. Intern sah daher mancher Gaudios unfreiwilligen Abgang im vergangenen Herbst mit ebenso gemischten Gefühlen wie zuvor den von Vorstand Liedtke.

Neue Ideen gesucht

Als der im Herbst 2019 ging, applaudierte ein ganzes Gebäude, im lichten Atrium des „Laces“ genannten Baus verkündeten Plakate: „With love from all creators. Will be greatly missed. Go Fight Win“. Liedtke bekam sogar noch ein Jahres-Abo für Adidas-Schuhe mit auf den Weg.

Fakt ist aber auch, dass Adidas nach den Anfangserfolgen mit Modellen wie dem Laufschuh Boost oder - dank des Retrotrends - auch der Klassiker Stan Smith und Superstar gerade in den USA nicht mehr so punkten konnte. Laut Matt Powell vom US-Marktforscher NPD Group kamen Adidas-Schuhe bei den Konsumenten nicht mehr so gut an, was Adidas Marktanteile kostete; die Entwürfe entstanden unter der Leitung von Liedtke und Gaudio.

Die Suche nach neuen Erfolgsmodellen und ihre Vermarktung müssen jetzt auch die neuen Gesichter leisten. Adidas selbst weist darauf hin, dass neue Leute von so unterschiedlichen Unternehmen wie L’Oreal, dem US-Modeunternehmen Gap, Danone, der Deutschen Bank, aber auch von Innogy oder McKinsey zu den Franken wechselten. 

„Cool, sexy und weg“

Was sich der Konzern als Zeichen für seine Attraktivität als Arbeitgeber zugute hält, sorgt intern jedoch bei manchen für Skepsis. „Die Firma ist heute anders“, sagt eine langjährige Mitarbeiterin, „im Grunde ist es wie bei Google: Du gehst da für ein paar Jahre hin, es ist cool und sexy, und dann wechselst Du woanders hin.“ Die Verbundenheit mit der Marke oder auch nur der Sportbranche schwinde zusehends.

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Allerdings räumen  viele ein, dass sich die Branche selbst verändert habe. Entsprechend sei auch die Berufung von Leuten aus anderen Industrien nicht zwingend ein Fehler. „Adidas kann viel von Disney lernen“, sagt ein Mitarbeiter, „in Sport und Marketing steckt heute viel Entertainment“. Und es nütze schließlich nichts, wie die beiden Muppet-Show-Grantler Statler und Waldorf nur auf dem Balkon zu sitzen und von oben herab zu mosern: „Vielleicht ist es ein notwendiger Übergang.“ Wichtig sei allerdings, dass erfolgreiche Marken „langfristig ihre Werte und Wurzeln stets bewahrt“ hätten. Dem Bronze-Dassler dürfte das gefallen.

Mehr zum ThemaEric Liedtke war der Mann hinter dem Wiederaufstieg des Sportunternehmens. Doch nicht er wurde Chef, sondern Kasper Rorsted. Ende 2019 räumte Liedtke seinen Platz beim Dax-Konzern.

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